Drey und Dreyssigstes Kapitel.

[453] Wie der Arzt Rundibilis ein Mittel wider Hahnreyschaft giebt.


Zu der Zeit, sprach Rundibilis, als Jupiter seinen Olympischen Hofhalt und Staatskalender aller Götter und Göttinnen macht' auch einem Jeden Tag und Jahreszeit seines Festes anberaumt und die Orakel- und Wallfahrtsörter auserkohren, ihre Opfer schon regulirt hätt – (Macht' ers etwann, fiel Panurg ihm in die Red, wie der Bischof Tinteville von Auxerre? Der edle Prälat hielt grosse Stück auf guten Wein, wie jeder Ehrenmann drauf hält und halten muß. Daher er dann auch besondre Lieb und Sorgfalt für den Rebenstock trug, des Herren Bacchus Eltervater. Nun aber sah er manch liebes Jahr die Weinblüth elend zu Schanden gehen durch Nachtfröst, Reif, Schnee, Glatteis, Hagel, scharfen Wind und Calamitäten um die Zeit der Fest Sanct Görgen, Marci, Vitalis, Eutropii, Philippi, Kreuzfindung, Himmelfahrt und andere die um die Zeit fallen wann die Sonn in das Zeichen des Stiers tritt. Daraus er schloß, ernannte Heilige wären nur Schnee- und Hagels-Heilige und Verderber der Rebenbluth. Derhalb nun wollt er ihre Fest in den Winter verlegen zwischen Weihnacht und Typhani (wie er nämlich die Mutter der drey König hieß): da stellt' er ihnen bescheidentlich und allerunterthänigst frey zu schneyn und zu hageln so lang sie wollten, weil da der Schnee den Blüthen nicht schädlich, sondern vielmehr im Gegentheil gedeihlich und ersprießlich wär. An ihre Statt wollt er die Fest Sanct Christoph, Sanct Johanns Enthauptung, Magdalenen, Annä, Dominik, Laurenz, ja die Hundstag in den Mayen legen; zu welchen Zeiten man nicht allein vor Frösten sicher, sondern so weit vom Frieren entfernt wär, daß man kein Handwerk auf der Welt so nöthig hätt als Eisverkäufer, Rahmschneepeitscher, Laubenschmücker und Weinabkühler. –)

Da vergaß, fuhr Rundibilis weiter fort, Jupiter die arme Teufelin Hahnreyschaft, die zu der Zeit abhanden war: denn[454] sie war eben auf dem Rathhaus zu Paris, allwo sie einen Hurenprozeß eines ihrer Lehensleut und Cossäten betrieb. Nach etlichen Tagen bald darauf erfuhr Hahnreyschaft was man ihr für einen Streich gespielt hätt, ließ ihre Sach fahren, aus neuer Sorg ihres Hofamts verlustig zu gehen, und erschien vor dem grossen Jupiter in Person; berief sich da auf ihre vorigen Merita, wie viel gute ersprießliche Dienst sie ihm vorlängst geleistet hätt, innständig bittend sie nicht ohn Fest, ohn Opfer und Ehrenbezeugung zu lassen. Jupiter excusirt' sich, entgegnet', daß all seine Würden vergeben wären, sein Hof bereits geschlossen wär: aber Frau Hahnreyschaft bestürmt ihn so lang bis er sie in die List und Haushalt endlich doch noch setzen und ihr auf Erden Opfer, Fest und Ehren bewilligen mußte.

Ihr Fest fiel und concurrirt' (weil im ganzen Kalender kein Platz mehr frey noch ledig war) auf den Tag der Göttinn Eifersucht: ihre Herrschaft war über die Ehemänner, insonders die schöne Weiber hätten, und ihre Opfer: Argwohn, Mistraun, Griesgram, Bewachen, Spioniren, Belauern der Männer ihrer Weiber, nebst strengem Befehl an jeden Mann, ihr Dienst und Ehrfurcht zu erweisen, ihr Fest gedoppelt zu begehn, und ihr ernannte Opfer zu bringen bey Straf und Drohung daß Hahnreyschaft allen Denen die sie nicht nach solcher Fürschrift ehren würden, auch nicht wollt hülfreich, günstig noch gewärtig seyn, nach ihnen nicht fragen, nie in ihr Haus gehn, nimmer Umgang mit ihnen pflegen, wie sehr sie sie auch darum anflehn möchten, sondern sie mit ihren Weibern ganz allein ohn Nebenbuhler auf alle Zeiten versauern lassen und sie als Ketzer und Gottesleugner ewiglich fliehen; wie gleichfalls auch die andern Götter ihre Verächter zu strafen pflegen, Bacchus die Winzer, Ceres die Bauern, Pomona die Oebster, Neptun die Schiffer, Vulkan die Schmiede, und andre mehr. Wobey sie hinwiederum heilig gelobt', daß denen die, wie vorgedacht, ihren Feyertag heiligen, Handel und Wandel einstellen, ihre eigne Handirung versäumen, nichts andres thun noch treiben würden, als ihre Weiber mit Eifersucht quälen, einsperren und belauern wie es der Opferbrauch von ihnen erheischt', denen wollt sie allzeit hold seyn, sie lieben, besuchen, bey Tag und Nacht[455] ihr Haus bewohnen, zu keiner Zeit ihr Antlitz ihnen entziehen. Dixi.

Ha, ha ha sprach Karpalim lachend, das ist noch ein curjoser Mittel als Carvels Ring. Der Teufel hol mich wo ichs nicht glaub. Der Weiber Art ist einmal so: Gleichwie der Blitz nur solche Ding die hart und fest sind und Widerstand thun verbrennt und zerschmettert, die weichen, schlappen, geschmeidigen vorbeyfährt – denn er schmilzt den stählernen Degen, verschont die sammtene Scheid; verzehrt die Knochen im Leib, und läßt das Fleisch dran ganz – so spannen auch die Weiber ihres Geistes Kraft, Verschlagenheit und Widerstand allzeit nur gegen das was sie sich untersagt und verboten wissen. – In Wahrheit, sprach Hippothadäus, Etliche unsrer Doctores lehren daß auch das erste Weib auf Erden, so die Ebräer Heva heissen, schwerlich vom Baum der Erkenntniß zu essen versucht wär worden, wenn er ihr nicht wär verboten gewesen. Welches ihr schon daraus sehet, wie der listige Versucher gleich beym ersten Wort ihr das Verbot derhalb zu Gemüth führt', als wollt er sagen: es ist dir verboten, also mußt du davon essen, oder du wärest ja kein Weib.

Quelle:
Rabelais, Franz: Gargantua und Pantagruel. 2 Bände, München, Leipzig 1911, Band 1, S. 453-456.
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