Vier und Dreyssigstes Kapitel.

[456] Wie die Weiber gewöhnlicherweis nach verbotenen Dingen trachten.


Zu der Zeit, sprach Karpalim, als ich noch Kuppler in Orleans war, hatt ich kein triftiger Argument, keinen verführerischern Scheingrund der Rhetorik die Damen aufs Stroh und zu dem Liebesspiel zu beschwatzen, als wenn ich ihnen fein bündig, kräftig und recht abscheulich demonstrirt' daß ihre Männer jaloux auf sie wären. Ich hatts mit nichten etwann erfunden; es steht geschrieben und sind derhalb Gesetz, Exempel, tägliche Fäll und Erfahrungen genug vorhanden. Steckt ihnen dieser Glauben nur erst einmal im Kragen, dann machen sie euch beym grossen Pott! (daß[456] ich nit schwör) ihre Männer ohnfehlbar zu Hahnreys, und wenn sie's gleich anstellen müßten wie Semiramis, wie Egesta, Pasiphaë oder wie die Weiber der Insel Mandez in Aegypten, durch Herodot und Strabo belobt, und andre mehr dergleichen Betzen. – In der That, sprach Pantagruel, ich hört' einmal vom Papst Johann dem Zweyundzwanzigsten erzählen, daß, als er einst durch Fonthevrault kam, ihn die Aebtissin und frommen Mütter um einen Indult gebeten hätten, kraft dessen sie unter einander sich selbst Beicht hören dürften, in Betracht die Ordensfrauen allerhand kleine heimliche Schwachheiten an sich hätten, die ihnen aus Schaam unleidlich viel einem männlichen Beichtiger zu verrathen. Weit freyer und vertraulicher würden sie sichs einander selbst unter dem Siegel der Beicht bekennen. – Es ist nichts in der Welt, versetzt' der Papst das ich nicht gern euch gönnte; find aber hiebey nur Ein Bedenken: daß nämlich die Beicht verschwiegen muß bleiben. Ihr andern Frauen bewahrtet sie schwerlich. – Gar leicht, und besser denn ein Mann! versetzten sie. – An dem bestimmten Tag gab ihnen der heilige Vater ein Schächtlein aufzuheben, in welches er einen kleinen Hänfling stecken lassen; bat sie gar glimpflich dieß sein Schächtlein an einem geheimen und sichern Ort zu verschliessen: dabey sprach er ihnen auf sein päpstlich Ehrenwort ihre Bitt zu gewähren, wenn sie's verborgen hielten; legt' aber zugleich ein scharf Verbot drauf, daß sie's bey Straf der Kirchen-Censur und ewiger Excommunication in keiner Weis zu öffnen hätten. Kaum war itzt das Verbot ergangen, so jückt' es ihnen schon in den Fingern zu sehn was drinn wär, und währt' ihnen lang bis nur einmal der Papst erst weg wär, daß sie darüber herfallen möchten. Der heilige Vater, nachdem[457] er ihnen den Segen ertheilt, begab sich wieder in sein Quartier. Er war noch nicht drey Schritt von der Abtey entfernt, da rannten schon die guten Schwestern haufenweis nach dem verbotnen Schächtlein hin, es aufzuthun, zu sehn was drinn wär. Des andern Tags besucht' sie der Papst, wie sie wähnten in der Absicht ihnen ihren Indult zu spedieren. Eh er jedoch ein weitres Wort sprach, befahl er, ihm das Schächtlein zu bringen. Es ward gebracht, das Vöglein aber war nicht mehr drinn. Da bedeutet' er sie dann freundlich, daß es doch wohl ein allzuschwer Stuck für sie seyn dürft die Beicht zu verschweigen, in Betracht sie dieß ihnen so theuer befohlene Schächtlein auch nicht ein Weilchen zu hüthen vermocht. – Herr Doctor, seyd mir schönstens willkommen; ich hab euch mit grossem Vergnügen gehört. Dem Herrn sey Lob und Dank für alles. Hab euch nun seit der Zeit nicht g'sehen, da ihr mit unsern alten Freunden Ant. Saporta, Guido Bouguier, Balthasar Noyer, Tollet, Hans Quentin, Franz Robinet, Hans Perdrier und Franz Rabelais, zu Montpellier die moralische Comödi vom Mann der ein stumm Weib hätt, agirtet. – Da war ich auch bey, sprach Epistemon. Der gute Mann wollt sie sollt sprechen. Sie sprach durch Kunst des Arzts und Wundarzts, die ihr ein Fröschlein operirten, so sie unter der Zungen hätt. Als sie die Sprach nun wieder erlangt, parlirt' sie so in einem fort, daß der Mann wieder zum Arzt mußt laufen, damit er sie wieder zum Schweigen brächt. Der Arzt antwortet', in seiner Kunst hätt er wohl Mittel ein Weib zum Reden, aber nimmer zum Schweigen zu bringen. Die einzige Hülf wär Taubheit des Mannes wider solch ewiges Weiber-Geträtsch. Der Fratz ward taub, durch Gott weiß was für einen Zauber, den sie ihm machten. Wie nun das Weib sah daß er taub war, ihr nichts verstund, sie vergebens schwätzt', ward sie wüthig. Darauf begehrt' der Arzt seinen Lohn; der Mann antwortet', er wär taub und könnt nicht hören was er haben wollt. Da streut'[458] der Arzt ihm, ich weiß nicht was für ein Pulver in den Rücken, davon er toll ward. Itzt machten der tolle Mann und die wüthige Frau gemeine Sach und draschen den Arzt und Wundarzt so lang, bis sie halb todt auf dem Platze blieben. Hab all mein Lebtag nicht so viel wie über den Patelins-Spuk gelacht.

Wieder auf unsre Hammel zu kommen, sprach Panurg, so heißt euer Spruch aus dem Rothwelsch französisch verdolmetscht: ich soll nur immer keck drauf zu freyn, und mich an keine Hörner stossen. Das heiss ich mir mächtig schön getroffen, wie mit der Nas auf den Aermel! Meister, ich denk, auf meinen Hochzeittag werd ihr wohl anderwärts mehr zu thun han mit euern Kunden, werdet schwerlich erscheinen können? Ich excusir euch.


Stercus et urina medici sunt prandia prima.

Ex aliis paleas, ex istis collige grana.


Ihr habts nicht wohl behalten, sprach Rundibilis, der zweyte Vers heißt:


Nobis sunt signa, vobis sunt prandia digna.


Wär mein Weib unpaß, würd ich ihr den Puls befühlen, das Wasser beschaun, auch den Verhalt des Unterleibs und der Nabelgegend untersuchen nach Anweisung Hippokratis 2 Aphorism. 35., eh ich weiter schritt. – Nichts, nichts, antwort Panurg, dieß zieht nicht; dieß gehört für uns Legisten, die wir den Titel de ventre inspiciendo haben. Ich setz ihr ein Rapunzel-Klystir. Versäumt nicht eure pressanteren Sachen. Ich schick euch vom Abhub in euer Haus, und bleiben allzeit gute Freund. Drauf macht' er sich sacht zu ihm hin, und steckt ihm ohn ein Wort zu sagen, vier Rosenobel in die Hand. Rundibilis faßt' sie sehr gut; dann sprach er wie erschrocken, ganz entrüstet zu ihm: He he he! das[459] brauchts just nicht, Herr: doch grossen Dank, wenns ja seyn muß. Von schlechten Leuten nehm ich nie nix; von braven Menschen schlag ich nix aus. Ich steh euch allzeit zu Befehl. – Für gute Zahlung? frug Panurg. – Versteht sich, antwort Rundibilis.

Quelle:
Rabelais, Franz: Gargantua und Pantagruel. 2 Bände, München, Leipzig 1911, Band 1, S. 456-460.
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