Fünf und Dreyssigstes Kapitel.

[460] Wie Stülphändsch der Philosophus die Ehestandsbedenken tractiret.


Nach diesen Worten sprach Pantagruel zu dem Philosophen Stülphändsch: Nun, lieber Getreuer, ist die Lamp aus Hand in Hand zu euch gekommen. An euch ist nun die Reih zu reden. Soll Panurg freyen oder nicht? – Beydes, sprach Stülphändsch. – Was sagt ihr da? frug Panurg. – Was ihr gehört habt, antwortet Stülphändsch. – Was hab ich gehört? frug Panurg. – Was ich gesagt hab, antwortetet Stülphändsch. – Ha, ha ha! rief Panurg, sind wir itzt so weit? Ich pass ohn Trumpf. Heraus damit! Muß ich heyrathen oder nicht? – Keins von beyden, antwortet Stülphändsch. – Der Teufel hol mich, sprach Panurg, wo ich nicht rapplich werd, und hol mich noch einmal, wo ich euch capir. Wart, daß ich meine Brill hie ein wenig aufs linke Ohr ruck, ich hör so besser. –

In diesem nämlichen Augenblick sah Pantagruel an der Saalthür den kleinen Hund des Gargantua, den er mit Namen Kyne hieß, wie des Tobiä Schooshündlein. Da sprach er zu der ganzen Gesellschaft: unser König ist nicht weit, lasset uns aufstehn. Er hätt dieß Wort noch nicht ausgesprochen, als Gargantua zu ihnen in den Speisse-Saal trat, und Jeder aufstund ihm Reverenz zu machen. Nachdem Gargantua die ganze Versammlung liebreich begrüsset,[460] sprach er zu ihnen: ich bitt euch, meine guten Freund, thut mir die Lieb, behaltet Platz, und laßt euch in euern Gesprächen nicht stören! Hie einen Stuhl mir an dieß Tisch-End, und gebt mir einen Becher, daß ich aufs Wohlseyn der ganzen Gesellschaft trink. Seyd schön willkommen. Nun saget an, wovon sprachet ihr? – Pantagruel erzählt ihm, wie, als der Nachtisch kommen wär, Panurg ein Problema fürgebracht hätt, nämlich ob er freyen sollt oder nicht; und hätten ihm auch schon Ehrn Hippothadäus und Meister Rundibilis Bescheid darauf gethan: itzt aber eben als er erschienen wär, hätt der getreue Stülphändsch geredet, und zwar erstens wie ihn Panurg frug: soll ich freyn oder nicht? ihm geantwortet: Beydes zugleich. Zum andern Mal aber: Keins von beyden. Panurg beschwert' sich nun über so verschiedene Reden und Widersprüch, und schwür daß er daraus nicht klug würd. – Ich merk wohl, sprach Gargantua, die Antwort lautet fast wie die, so einst ein alter Weiser gab, als er befragt ward ob er ein Weib hätt das man ihm nannte. Ich hab sie, sagt' er, an mir; sie aber hat mir nix an: ich besitz sie, bin nicht von ihr besessen. – Gleichen Bescheid, sprach Pantagruel, gab auch eine Dirn in Sparta. Man frug sie, ob sie mit Männern zu schaffen gehabt hätt. Niemals, sprach sie, wennschon zuweilen die Männer mit mir. – So lasset uns, sprach Rundibilis, stets neutral in Medicis und in Philosophi zumittelst bleiben durch Theilnehmung an beyden Extremen, wie durch Verneinung beyder Extrem, und durch Theilung der Zeit bald in das ein' und andre Extrem. – Der heilige Apostel, sprach Hippothadäus, scheint mirs noch klärer gesagt zu haben, wenn er spricht: wer ein Ehemann ist, der sey als wär er kein Ehemann: wer ein Weib hat, der sey als wenn er kein Weib hätt. – Ich leg, sprach Pantagruel, ein Weib haben und nicht haben, so aus: es haben heißt, es brauchen wozu die Natur es schuf, daß ist zu des Mannes Gemeinschaft, Hülf und Ergötzlichkeit. Kein Weib haben, heißt: sich nicht bey ihr verzärteln, ihrenthalben nicht die einige höchste Lieb beflecken so der Mann Gott zu widmen[461] hat, nicht vergessen was für Dienst er von Natur seinem Vaterland, gemeinem Wesen und Freunden schuldet, noch sein Gewerb und Studien einzig seinem Weib zu Gefallen versäumen. Versteht man also ein Weib haben und nicht haben, seh ich keinen Streit noch Widerspruch in den Redensarten.

Quelle:
Rabelais, Franz: Gargantua und Pantagruel. 2 Bände, München, Leipzig 1911, Band 1, S. 460-462.
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