Fünf und Zwanzigstes Kapitel.

[104] Wie Pantagruel nach dem Sturm an den Makräonen-Inseln landet'.


So landeten wir unverweilt im Hafen einer Insel, die man die Makräonen-Insel hieß. Die guten Leut am Ort empfingen uns ehrenvoll. Ein ältlicher Makrobier (so hiessen sie ihren obersten Schultheiß) wollt den Pantraguel aufs Stadthaus führen, sich zu erquicken und auszuruhn, und etwas Stärkung zu sich zu nehmen; aber er wollt nicht vom Molo weg, bis all seine Leut am Ufer wären. Nachdem er sie gemustert, hieß er einem Jeden frische Kleider anthun, und alle Schiffsvorräth am Land ausladen, daß[104] die ganze Mannschaft sich gütlich thät. Geschah sofort; und Gott bewußt ists, wie allda getrunken und gequaset ward. Alles Volk vom Platz bracht Zehrung in Meng herbey; noch mehr dagegen empfing es von den Pantagruelern, wenn schon ihr Proviant in etwas vom Sturm versehrt war. Zum Beschluß der Mahlzeit bat Pantagruel sie samt und sonders alles Eifers auf Ausbeßrung der lecken Schiff bedacht zu sein; was sie auch gern und willig thäten: das Geschäft ward ihnen leicht, denn alle Leut der Insel waren Zimmerer und Handwerksleut, wie ihr sie seht im Arsenal zu Venedig: und war das ganze grosse Eiland nur in drey Häfen und zehn Dörfern von Menschen bewohnt, das andre alles war dicker Forst und Wildniß wie im Ardenner Wald.

Auf unsre Bitten wies uns der alte Makrobier was auf der Insel sehenswerth und bedeutsam war, und führt' uns im öden, schattigen Wald zu manchen alten verfallenen Tempeln, Obelisken, Pyramiden, Denkmalen und antikischen Gräbern mit unterschiedlichen Inscriptionen und Epitaphiis, zum Theil in Hieroglyphen-Schrift verfaßt, theils in Jonischer Sprach, Arabisch-Hagarenischer, Slavonischer, und mehreren Sprachen. Epistemon nahm treulich Copi davon. Mittlerweilen sprach Panurg zum Bruder Jahn: Hie ist das Eiland der Makräonen. Makräon heißt auf Griechisch ein betagter Mann, der viele Jahr' auf dem Buckel hat. – Und was soll ich mir daraus nehmen? frug Bruder Jahn, soll mich das grämen? Ich war mit keinem Fuß im Land, als man's so tauft'. – Die Sach ist diese, sprach Panurg: ich glaub, die alten Kuppel-Makrelen führen ihren Namen daher. Der alten Makrelen Sach ist Kuppeln, der jungen, Wackeln. Also sollt man schier daraus schliessen daß diese Insel das Prototyp und Mutterland der Makrelen-Insel zu Paris wär. Komm, laß uns Grundeln fischen gehn.

Der alte Makrobier befrug Pantagruelen auf Jonisch, wie, und durch welche Künst und Müh ihm heut, bey diesem schauderhaften Aufruhr der Luft und Meeressturm geglückt wär in ihrem Hasen zu landen. Pantagruel antwortet'[105] ihm, daß der barmherzige Gott die Einfalt und lautern Herzen seiner Leut hätt angesehn, die nicht nach Vortheil noch Handel gingen, weil nur ein einiger Grund sie zur See trieb, nämlich: ihr brünstiges Verlangen das Orakel der Göttinn Bakbuk mit Augen zu sehen, einzuholen, kennen zu lernen und zu besuchen, und das Boutelgen-Wort zu vernehmen über etliche Zweifel, die Einer aus ihrer Gesellschaft erhoben hätt. Wär aber doch nicht ohn schwere Drangsal und augenscheinliche Gefahr des Schiffbruchs abgegangen. Frug ihn zu gleicher Zeit, was ihm der Grund dieses grimmigen Wetters zu seyn bedünkt', und ob die See um dieß Eiland her für gewöhnlich von Stürmen bedrohet wär, gleichwie im Weltmeer die Wellenwerf von Sainmaieu und Maumusson, und in der mittelländischen See der Wirbel von Satalien, Montargentan, Plombino, Capo Melio in Lakonien, die Meereng von Gibraltar, Faro di Messina, und andre mehr?

Quelle:
Rabelais, Franz: Gargantua und Pantagruel. 2 Bände, München, Leipzig 1911, Band 2, S. 104-106.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Gargantua und Pantagruel
Gargantua. Pantagruel
Gargantua und Pantagruel, 2 Bände
Gargantua und Pantagruel
Gargantua und Pantagruel, in 2 Bdn.
Gargantua und Pantagruel