Funfzigstes Kapitel.

[166] Wie Schlottig uns eines Papstes Urbild wies.


Nach abgehaltner Meß nahm Schlottig aus einer Lad am Hochaltar ein groß Prack Schlüssel, mit denen er ein über nurgedachtem Altar mit starken Eisen-Barren verwahrtes Fenster an zweyunddreyssig Riegel- und vierzehn Anwurfschlössern aufsperrt'. Drauf deckt' er sich sehr geheimnißvoll mit einem nassen Sack, zog einen rothseidnen Fürhang auf, und wies uns ein meines Erachtens ziemlich schlecht gemaltes Bildniß; betupft' es mit einem langen Stab und ließ uns Mann für Mann den Tupfer küssen; dann frug er uns: Was haltet ihr von diesem Bild? – Es ist, antwortet' Pantagruel, das Conterfey von einem Papst; ich kenn es an der Tiar, am Pallium, der Dalmatik und dem Pantoffel. – Richtig, sprach Schlottig, es ist die Idee dieses grundgütigen Gottes auf Erden, deß Zukunft wir demüthiglich entgegen harren, und ihn dereinst noch in diesem unsern Vaterland zu schauen hoffen. O ersehnter, o lang erharrter, seeliger Tag! und seelig, aberseelig auch ihr, Die[166] ihr Gestirn so wohl geführt hat, daß ihr diesen guten lieben Erden-Gott selbsteigenleiblich von Angesicht und in Person gesehen habt, deß nur erblicktes Gleichniß schon uns vollen Erlaß aller unsrer bewußten Sünden, und eines Drittels, ja sogar noch achtzehn Vierzigtheil der schon vergeßnen einbringt! Auch besehn wirs nur alle hohe Fest Einmal.

Drauf meint' Pantagruel, es wär eine Arbeit wie des Dädalus: wiewohl unförmlich und grob gezeichnet, wär doch, was Ablaß anbeträf, eine Art von göttlicher Energi darinn verborgen und latent. – Just wie die Pracher im Spittel zu Seuillé, sprach Bruder Jahn, die eines Abends an einem guten Feyertag bey ihrer Bettelsupp sich rühmten wieviel sie den Tag lang erfochten hätten, Einer sechs Blank, der Andre zwey Sol, noch ein andrer sieben Carolus: ein grosser Schroll kam gar und prahlt' daß er drey schwere Testons erschnappt hätt. Ey, sprachen seine Gesellen zu ihm, du hast aber auch ein Gottes-Bein! – Als wenn in einem brandigfaulen eitrigen Bein was Göttlichs stäk.

Wenn ihr, versetzt' Pantagruel hie solche Reden führen wollt, habt nur auch gleich ein Becken zur Hand: denn wenig fehlt, so muß ich kotzen. Also den heiligen Namen Gottes bey solchem Schund und Unflath zu brauchen! Pfui sag ich! Pfui! Wenn solcher Misbrauch der Wort in euerm Mönchthum Sitt ist, so laßt ihn nur im Kloster, bringt ihn nicht unter uns.

So wolln auch, sprach Epistemon, die Aerzt in etlichen Seuchen eine Art von Gemeinschaft mit der Gottheit sehn. Gleichergestalt pries Nero die Pilz und hieß sie, nach einem griechischen Sprichwort, ein Götter-Futter, weil er damit seinen Vorfahr den Römischen Kaiser Claudius vergeben.

Mir will bedünken, sprach Panurg, dieß Bildniß paß auch eben nicht auf unsre letzten Päpst; denn die hab ich statt Mitern, Helm aufm Kopf sehn tragen, und oben drauf die persische Tiar gestülpt. Und wenn die ganze Christenheit in Fried und Ruh war, führten sie allein grausamen und blutigen Krieg.[167]

Ey, sprach Schlottig, das thäten sie eben wider die Rebellen, die Ketzer und gottesvergessenen Protestanten, die Seiner lieben Heiligkeit, dieses grundgütigen Erden-Gottes, nicht folgen wollten. Dieses ist ihm nicht nur verstattet und erlaubt, sondern durch die hochgelobten Decretalen sogar geboten: und muß Er Kaiser, Könige, Fürsten, Herzög und freye Städt sofort mit Feuer und Schwert und Blut ersäufen, sobald sie auch nur ein einigs Jota von Seinen Geboten weichen; sie ihrer Hab berauben, des Regiments entsetzen, in Bann und Acht thun, und nicht nur ihre und ihrer Kinder und andern Blutsfreund Leiber töden, sondern auch ihre Seelen bis zu dem heissesten Höllen-Pfuhl hinabverfluchen.

Nun Gottlob! rief hier Panurg, hie unter uns, das weiß der Teufel! hats keine Ketzer, wie etwann der Großmurrnebrod, und wie in Teutschland oder England. Ihr seyd doch noch Christen nach der Schnur, recht auf dem Zählbret auserlesen! – Ey wohl! sprach Schlottig, ey potz Taus! Auch werden wir alle seelig werden. Itzt kommt zum Weihbrunn, dann zu Tisch.

Quelle:
Rabelais, Franz: Gargantua und Pantagruel. 2 Bände, München, Leipzig 1911, Band 2, S. 166-168.
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