Sieben und Sechzigstes Kapitel.

[214] Wie sich Panurg vor Höllen-Angst beschiß, und die große Katz Speckmaul für einen kleinen Teufel hielt.


Panurg, wie ein verdutzter Bock, fährt aus dem Raum herauf, im Hemd, ein Bein behost das andre nackt, den Bart voll lauter Brotkrümlein, und eine große Cyperkatz im Arm, die sich ins andre Hosenbein fest eingekrallt: verzerrt' die Lefzen wie ein Aff wann er sich Läus vom Kopf abliest. So kroch er zitternd und zähneklappernd hin zum Bruder Jahn, der auf den Steuerbord-Rusten saß, bat ihn devotest seiner doch sich zu erbarmen und in den Schutz seines Fochtels zu nehmen, wobey er hoch und teuer auf sein Theil an Papimanien schwur daß er in diesem Augenblick alle Teufel hätt los gesehn.

Schauns, sprach er, ach meen Freend, meen Bruder, meen geestlicher Vater! alle Teufel halten heut Hochzeit.[214] Solch Anstalt zu einem höllischen Picknick hat noch kein Mensch mit Augen gesehn. Siehst du den Rauch der Höllen-Kuchel? (Hier wies er auf den Pulver-Dampf über den Schiffen.) Nimmer hast du so viel verdammte Seelen gesehn. Und wie? Ach Freend, ach schauns, so zart, so weich, so blondlicht-delicat; ihr sprächt, es wär die wahre Styx-Ambrosia. Ich hab, verzeih mirs Gott! gedacht es müßten Englische Seelen seyn. Vielleicht ist etwann gar heut fruh die Pferdsinsel bey Schottland von den Herren von Termes und Dessay sackamentirt und erobert worden, samt allen Englischen darinn, die sie mit Sturm genommen hatten?

Bruder Jahn, als er ihm näher kam, spürt' itzt ich weiß nicht welchen andern Geruch als nach Kanonenpulver; kriegt' also Panurgen her, und sah daß sein Hemd leider ganz frisch bekackt und klatrich war. Die Schliessungskraft des Nerven der den Muskel namens Sphinkter (vulgo Arßloch) sperrt, war durch die heftige Furcht die er in seinen Phantaseyn gehabt, erlockert worden: (wie dann auch solch Kanonendonnern im untern Raum weit schrecklicher klingt als auf dem Deck:) denn dieß ist eben ein Symptoma und Wirkung der Furcht, daß sie gemeinlich das Zwinger-Pförtlein so die fäcalische Materi bis zur bestimmten Zeit verwahrt, zu relaxiren und öffnen pfleget.

Zum Beyspiel dient uns hier Messere Pandolfo della Cassin', der Seneser: er kam mit Post durch Chambery, und war beym klugen Gastwirth Vinet abgestiegen. Dort kriegt' er eine Stallgabel her, und sprach zu ihm: Da Roma in quà io non son andato del corpo. Di grazia, piglia in mano questa forca e fammi paura! – Vinet thät auch mit der Gabel etliche Finten und stellt' sich an als wenn er ihn ernstlich spiessen wollte. Der Seneser aber sprach: Se tu non fai altramente, tu non fai nulla. Però sforzati di adoperarti più guagliardamente. – Jetzt zog ihm Vinet[215] mit der Gabel zwischen Brust und Brustlatz ein so Feuchtes, daß er der Läng lang hinfiel und alle Vier gen Himmel streckt'; rief dann vor Lachen schier berstend und sprudelnd: Potz Feste Dieu Bayard! das hieß mal Datum Camberiaci. – Zur rechten Zeit hätt der Seneser die Hos ihm losgeknüpft, denn stracks macht' er mehr Mist als neun Büffelochsen und vierzehn Prälaten von Ostia. Zuletzt bedankt' sich der Seneser auch noch höflich beym Vinet und sprach: Io ti ringrazio, bel messere; così faccendo tu m'hai esparmiata la spesa d'un serviziale.

Ein ander Beyspiel ist König Eduard der Fünft von England. Meister Franz Villon war, aus Frankreichs Landes verwiesen, zu ihm an seinen Hof geflüchtet. Er ging mit ihm so traulich um, daß er ihm nichts verborgen hielt von seinen kleinen Hausgeschäften. Einmal nun als ernannter König eben bey seiner Verrichtung war, wies er dem Villon ein gemaltes Wappen von Frankreich und sprach zu ihm: Siehst du wohl was für Ehrfurcht ich von deinem Franzosen-König hab? Ich häng sein Wappen nirgend auf, als hie im Privet bey meinem Leibstuhl. – Potz Sacre Dieu! antwortet' Villon, was ihr ein weiser, kluger Herr seyd! wie einsichtsvoll, wie schlau versteht ihr eurer Gesundheit wahrzunehmen, und welchen klugen Rath er theilt euch nicht euer gelahrter Medicus Herr Thomas Linaker! Er sah wohl daß ihr eure alten Tag natürlich harten Leibes seyd und man euch täglich, weil ihr sonst nicht schmeissen könnt, einen Hoffourir (ich wollt sagen ein Clystir) ins Loch müßt schicken; ließ demnach euch eben hie an diesen Ort und keinen andern, das Franzen-Wappen schicklichst malen mit unvergleichlich meisterhafter therapeutischer Providenz. Denn wie ihr nur dieß Wappen sehet, verspürt ihr eine solche Freis und Todesangst, daß ihr flugs pfercht wie achtzehn Päonische[216] Bonasi. Hing es wo anders in euerm Haus, im Zimmer, im Saal, in der Kapell, den Gallerien, oder sonst wo: o Sacre Dieu! all überall wo ihr es säht, da schisset ihr zur Stell los. Ja wenn nun erst gar die grosse fränkische Auriflamm dazu gemalt wär und ihr säht die, das trieb euch vollends alle Därm des Leibes zum Gesäß hinaus. Doch hem! hem! atque iterum hem!


Bin ich nicht ein Pariser Geck,

Von Paris bey Pontose?

Und häng ich an einem Pfennig-Strick,

Weiß mein Genick

Wie schwer wiegt meine Hose.


Ich sag, ein recht blöder, mit Blindheit geschlagner, verdutzter und verschnupfter Geck; der ich mich vorhin, als ich mit euch hierher ging, drüber wundern wollt daß ihr euch eure Hosen schon in eurer Stub aufknüpfen liesset. Mein Treu, ich dacht der Leibstuhl wär dort hinterm Umhang oder nah am Bett im Winkel. Denn ausserdem wollt mirs fast ungereimt bedünken wenn man so weit zum Herrn Vetter hätt und sich die Hosen schon im Zimmer aufknüpfen wollt. Ists aber nicht ein recht erzdummer Gecken-Gedank? Bey Gott dahinter stak ganz ein ander Mysterium! In diesem Stück thut ihr sehr wohl, sehr wohl, ich sag: ihr könnt nicht besser. Laßt euch doch ja fein weit vom Schuß, in Zeiten und um und um aufknüpfen! Denn kämt ihr hieher unaufgeknüpft, und säht dieß Wappen, merket wohl: o Sacre Dieu! dann müßt euch flugs euer Hosenboden statt Lasanon, Brunzkachel, Kackpott und Leibstuhl dienen.

Bruder Jahn hielt sich mit der linken Hand die Nas zu, und wies mit dem Zeiger der Rechten Pantagruelen Panurgens[217] Hemd. Pantagruel, als er ihn so entsetzt, verstört, von Sinnen, zitternd, bekackt und von den Krallen der berühmten Katz Speckmaul zerfleischt sah, konnt sich des Lachens nicht erwehren und sprach zu ihm: Was wollt ihr aber mit dieser Katz? – Was Katz! Was Katz! antwort Panurg, der Teufel hohl mich, wo ich dieß Beest nicht für ein jung milchbärtig Teuflein gehalten hab; das ich itzt schneisweis im Versteck des grossen höllischen Backtrogs er schnappt hätt an meiner guten Hosenbeindüt. Des Teufels wär der Teufel! er hat mirs Fell hie nach Krebsbart-Schnitt zerschlitzert. – Damit schmiß er die Katz hin.

Gehet, sprach Pantagruel, o geht um Gott! bäht, säubert, faßt euch; thut ein weißes Hemd und frische Kleider an. – Was! rief Panurg, meint ihr etwa ich hätt Furcht gehabt? O nicht die Prob! Kreuz Gottes! ich hab mehr Courag' als wenn ich alle Fliegen im Leib hätt, die zu Paris von Sanct Johann bis Allerheil'gen in Suppen schwimmen. Haha huhu hää! was Teufel ist dieß hie? Nennt ihrs Schund, Scheiß, Koth, Kack, Unflath, Stuhlgang, Dejection, Fäcalmateri, Excrement, Horl, Losung, Norbeln, Wächter, Quat, Skybalon, Spyrathos? Ich glaub, es ist Aeolischer Saffran. Hi hi ho ho, ho ho ha ha! ist Saffran aus Aeolia. Getrunken! Sela, getrunken!


Quelle:
Rabelais, Franz: Gargantua und Pantagruel. 2 Bände, München, Leipzig 1911, Band 2, S. 214-218.
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