Fünf und Vierzigstes Kapitel.

[356] Wie Bakbuk das Boutelgen-Wort interpretiret.


Hierauf warf Bakbuk wieder in den Brunnentrog ich weiß nicht was, wovon des Wassers Wallen schnell sich legt', und führt' Panurgen dann in den mittleren Raum des grossen Tempels, wo der Brunnen des Lebens stand. Nahm da ein dickes silbernes Buch in Figur eines Sentenzen-Viertels oder halben Eimers, schöpft ihm damit aus dem Brunnen, und sprach zu ihm: die Philosophen, Doctores[356] und Prediger euerer Welt speissen euch mit schönen Wörtlein durch die Ohren. Wir hie zu Land incorporiren uns unsre Lehren leibhaftig durch den Mund: drum sag ich nicht zu euch: lest dieß Kapitel, merkt diese Gloß: ich sag euch: schmecket dieß Kapitel; schluckt diese Gloß. Vor Zeiten aß ein alter Seher der Jüdischen Nation ein Buch, und ward zum Doctor bis an die Zähn. Ihr itzt sollt mir eins trinken, und bis in die Leber zum Doctor werden. So kommt und thut die Kiefern auf! Wie nun Panurg den Schlund weit aufriß, nahm sie ihr silbern Buch; wir sahens auch wirklich für ein Buch an, denn nach der Figur war es gestaltet wie ein Brevier, war aber nichts als in der That ein ganz natürlichs Feldfläschlein voll Falernerweins, das sie Panurgen bis auf den Boden ausziehn ließ.

Seht, sprach Panurg, dieß Kraft-Kapitel, seht diese höchst authentische Gloß! Und ist dieß alles was das Wort des trismegistischen Boutelg mir räth? Da komm ich wahrlich schön an! – Nichts weiter, sprach die Priesterinn, denn Trink ist ein panomphisches, bey allen Völkern verehrtes und verstandnes Wort; bedeutet: du solt zechen. Ihr in eurer Welt sagt, das Wort Sack sey allen Sprachen gleich gemein, mit Fug und Recht von allen Völkern angenommen, weil jeder Mensch, wie schon Aesopens Mährlein lehrt, mit einem Sack am Hals zur Welt kommt als ein geborener Hungerleider, und einer beym andern betteln muß. Es ist kein König unter der Sonnen so mächtig, daß er andrer Leut entbehren könnt, kein armer Mann so bettelstolz, daß er der Reichen entrathen möcht, und wenns der weise Hippias wär, der alles konnte. Immer kann man noch leichter einen Sack entbehren als Trinken: und behaupten wir: nicht Lachen, sondern Trinken ist des Menschen Fürrecht: nicht das Trinken schlechthin an sich, denn auch das Vieh trinkt: sondern Wein trinken, alten, guten und kühlen Wein. Merkt, lieben Freund'! alle Weissagung ist Wein-Sag aus Weinsaugung entquollen. Nichts, kein Argument, kein Schluß ist so unfehlbar, keine Seherweisheit auf Erden minder trüglich. Eure[357] Akademiker wußtens wohl, wenn sie die Etymologie des Weins (auf Griechisch ΟΙΝΟΣ) gleichsam von vis, Kraft, Macht ableiten; denn die Macht hat er, mit aller Wahrheit, aller Weisheit und Wissenschaft die Seelen zu erfüllen. Wenn ihr über unsrer Tempel-Thür die ionische Schrift beherziget, habt ihr daraus ersehen können daß im Wein Wahrheit verborgen ist. Die göttliche Boutelg verweiset euch hierauf: seyd ihr selber nun eures Beginnens Zeichendeuter. – Unmöglich, sprach Pantagruel, kann man doch bessere Reden führen als hier diese würdige Priesterinn. – Hab ichs euch nicht zuvor gesagt, als ihr das erste Mal mich fruget? Wohlan, so trink! Was sagt euch nun das Herz von Bacchus Wuth entbronnen?


Trinkt, (sprach Panurg) zu Bacchus Ehrenpreis!

Ha ha ho ho, denn einen Steiß,

Den unterwerf ich mir in kurzen.

Und ihn sollen baß durchwurzen

Diese Hoden;

Bis zum Boden

Ihn mit Ballast wohl verstopfen,

Darauf pfropfen

Will ich meine Aderkraft.

Was ist dieß? Die Vaterschaft

Meines Herzens sagt mir an,

Daß ich nicht nur Ehemann

Bald im Lande werde heissen,

Sondern gern auch ungeheissen

Meine Frau' zum Venuskrieg

Wird erscheinen. Welche Sieg

Ich schon riech! Itzt will ich graben

Unermüdlich, itzo traben

Daß es stiebt, weil so schön fett

Ich bin und nett, im Ehebett

Der Besten Bester. Jo Päan!

Jo Päan! Jo Päan!

Jo Hochzeit! dreymal hoch!

Sa sa mein Jahn, ich schwör dir doch

Den theuern Eidschwur unverzüglich:

Daß dieß Orakel ganz untrüglich,

Schickselig, wahrhaft. Glaubs! Ich schwor es.

Quelle:
Rabelais, Franz: Gargantua und Pantagruel. 2 Bände, München, Leipzig 1911, Band 2, S. 356-358.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Gargantua und Pantagruel
Gargantua. Pantagruel
Gargantua und Pantagruel, 2 Bände
Gargantua und Pantagruel
Gargantua und Pantagruel, in 2 Bdn.
Gargantua und Pantagruel