Vierter Auftritt


[103] Eduard. Vorige.


EDUARD hält den Zweig in der Hand und stürzt zu Longimanns' Füßen. Mächtiger Zauberfürst –

LONGIMANUS. Ich bitt recht sehr, stehen Sie auf, ist alles zu viel. Hebt ihn auf. Zu Pamphilius. Bring Er Sesseln! Pamphilius setzt zwei runde Stühle. So! Jetzt geh nur hinaus! Pamphilius geht ab. Und jetzt nehmen S' Platz![103]

EDUARD. Sonne der Welt! Du beschämst und zermalmst mich durch deine Güte.

LONGIMANUS. Warum nicht gar! Reden S' nur frei heraus, von der Leber weg. Mit was kann ich Ihnen dienen? Sie sind also der kleine Eduardl?

EDUARD. Ja, ich bin die arme Waise –

LONGIMANUS. Nu, wenigstens in Ihrem Waisenhaus müssen S' eine gute Kost gehabt haben. Sie sind recht auseinander gegangen.

EDUARD. Nur durch das Vermächtnis meines unglücklichen Vaters bin ich seit kurzer Zeit in den Besitz jenes großen Reichtums gelangt, den er durch deine hohe Gunst erhalten hat. Ich bin hier, dich um eine große Gnade anzuflehen, doch bevor ich diese Bitte wage, liegt eine andere mir –


Der Pudel bellt.


LONGIMANUS. Ja apropos! Du hast ja einen Kameraden bei dir. Laß mir ihn doch herein. He, laßts den Pudel herein. Der Pudel springt herein, zuerst auf Eduard und liebkost ihn, dann um Zauberkönig. Nun, mich freuts, Ihre Bekanntschaft zu machen. Das ist ein spaßiger Kerl. Wie spricht der Hund? Schau! Gibt keine Antwort. Ah, den müssen Sie mir zum Präsent machen, ich werd ihm gleich die Ohren schneiden lassen. He –


Der Pudel fängt um lamentieren an und verkriecht sich hinter Eduard.


EDUARD. Um alles in der Welt nicht! Eben das Schicksal dieses armen Pudels war es ja, worüber ich dich um Gnade anflehen wollte.

LONGIMANUS. Das ist doch schrecklich, was das Schicksal treibt, jetzt kommts gar über die Pudeln.

EDUARD. Dieser Ärmste ist mein Diener, seine Anhänglichkeit an mich verleitete ihn, den Zauberberg nach mir zu besteigen, und ein einziger Rückblick hat ihn in diese schreckliche Lage versetzt.

LONGIMANUS. Wie ist er denn dem Koliphonio ausgekommen? Hat gwiß wieder das kleine Spitzbübel, der Kolibri,[104] sein Hokuspokus gmacht. Dem Buben laß ich noch einmal einen Schilling geben.

EDUARD. Habe Mitleid, schenke ihm seine vorige Gestalt wieder.

LONGIMANUS. Nun wegen meiner, so laß ihn da in den Zauberkasten hinein. Bitt hineinzuspazieren. Er öffnet den Kasten und läßt den Pudel hinein und sperrt zu. Zu Eduard. Und jetzt rufe ihn dreimal beim Namen.

EDUARD. Florian! Florian! Florian!

FLORIAN im Kasten. Na, aufmachen da, sapperment! Eduard öffnet den Kasten. Florian kommt im größten Zorn heraus. Ah, das ist ja impertinent, wie kann man denn mit einem Menschen so umgehen! Morddividomini! Stoßt plötzlich gegen den Zauberkönig und fällt ängstlich auf beide Knie nieder. Ui jeges! Ich bitt tausendmal um Verzeihung, Euer Langmächtigkeit!

LONGIMANUS. Das ist ein zorniger Nickel – so gehts, wenn man manchen Leuten Gfälligkeiten erweist, so sein s' noch recht grob dafür.

EDUARD. So bedank dich doch, unartiger Bursche! Dem Geisterkönig verdankst du deine jetzige Gestalt wieder.

FLORIAN. Ich küß die Hand, Euer Hochmächtigkeit!

LONGIMANUS. Ich weiß nicht, ob er viel profitiert hat bei seiner Verwandlung, er ist mir als Pudel viel gescheider vorkommen als jetzt. Also weiß Er jetzt, wie einem Pudel zu Mute ist?

FLORIAN. Ah! das war ja ein Hundsleben, das möcht ich meinem ärgsten Feind nicht wünschen. Aber wie ist denn mein Mariandel daherkommen?

LONGIMANUS. Das war nicht Seine Mariandl, mir haben Markiandeln genug im Vorrat, wenn wir eine wünschen. Punktum! Künftig gscheidter sein. Zu Eduard. Also mein lieber Eduard, den hätten wir. Was willst denn noch, mein Kind?

EDUARD. Laß mich niedersinken und –

LONGIMANUS. Der Mensch hat so schwache Nerven, alle Augenblick sinkt er.

EDUARD. Du hast meinem Vater sechs Statuen zum Geschenke gemacht, doch die siebente, kostbarste – mächtiger[105] Zauberkönig, zürne nicht, wenn ich mich erkühne, ihren Besitz als das höchste Glück dieser Erde von deiner unerschöpflichen Großmut zu erflehen.

LONGIMANUS macht große Augen und sagt mit Gewicht. Die siebente Statue willst du? Ja, die hat einen Wert, da krieget man schon in einem jeden Versatzamt was darauf.

EDUARD. Oh, schenke sie mir.

FLORIAN. Rucken S' heraus damit!

LONGIMANUS. Nur Geduld! Weißt du was? Umsonst ist der Tod! Wenn man etwas haben will, so muß man auch etwas dafür tun. Nicht wahr?

FLORIAN. Ja, springen muß man immer was lassen.

LONGIMANUS. Also Schwierigkeit gegen Schwierigkeit. Du sollst die diamantene Statue haben, aber – du mußt mir dafür ein Mädchen aufsuchen, welches in ihrem achtzehnten Jahr ist und noch in ihrem Leben keine Lüge über ihre Lippen gebracht hat.

FLORIAN. Da kriegen wir s' nicht, die Statue!

EDUARD. Hoher Herr! Du machest eine große Anforderung an mich schwachen Sterblichen, doch ich will auch das Unwahrscheinliche wagen für den Besitz dieses Zauberschatzes.

LONGIMANUS. Du willst also? Eh bien! Wann du sie aber gefunden hast, so bringst du sie augenblicklich hieher und erwartest mich am Fuß meines rauchenden Palastes. Unterstehst du dich aber, einen Augenblick mit ihrer Übergebung zu zögern, so ist dein Leben verloren. Ja, schau mich nur an! Ich mach kein Spaß! Augenblicklich, da kommt kein Pardon.

EDUARD. Ich füge mich deinem Ausspruche. Doch wie wird es mir möglich werden, diese Priesterin der Wahrheit zu erkennen? Wie kann ich erfahren, ob ein Mädchen auch nicht im Scherze noch gelogen hat? Wer im ganzen Hause wird mir das sagen können?

FLORIAN. Nur beim Hausmeister erkundigen.

LONGIMANUS. Da hast du recht. Da muß ich dir ein Kennzeichen geben.[106]

FLORIAN. Fragen S' nur mich allemal, ich werd Ihnens schon sagen.

LONGIMANUS. Richtig, durch den sollst dus wissen, weil er gar so eine Freud damit hat, unser Freund.

FLORIAN. Ja, ich bitt Euer Herrlichkeit – ich gfreu mich schon.

LONGIMANUS. Wenn du ein Frauenzimmer prüfen willst, so ergreife ihre Hand, hat sie schon einmal gelogen, so wird dieser Bursche da im ganzen Körper entsetzliche Schmerzen empfinden.

FLORIAN ganz erstarrend. Mich trifft der Schlag!

LONGIMANUS. Es wird ihn reißen, stechen, kurz, alles mögliche, was er sich nur wünschen kann.

FLORIAN. Ich bitt, das ist wirklich zu viel.

LONGIMANUS. Und je mehr Lügen als eine in ihrem Leben gesagt hat, desto mehr Schmerzen wird er empfinden.

FLORIAN. Sie verzeihen, aber ich muß hinaus. Will fort.

EDUARD. Halt! Warum denn?

FLORIAN. Mir wird nicht gut.

LONGIMANUS. Du bleibst da.

FLORIAN. Euer Herrlichkeit, das geht nicht – das bringet mich ja ins Spital.

LONGIMANUS. Schweig! Also – wo sind wir geblieben? Richtig – desto mehr Reißen wird er –

FLORIAN. Ich halts nicht aus. Will fort. Hören Euer Herrlichkeit mit dem Reißen auf, oder es reißt mich hinaus. Wer wird denn bleiben in so einem rheumatischen Dienst?

LONGIMANUS. Langsam! Auf Regen folgt Sonnenschein. Wenn du aber eine findest, die noch nie gelogen hat, so wird er ein außerordentliches Wohlbehagen empfinden. Es wird ihm so leicht sein und so froh als wie einem Menschen, der 's erste Mal einen Langaus tanzt.

FLORIAN. Ja, wenn er sieben Jahr die Gicht ghabt hat. Nun, ins Himmelsnamen, lassen wir uns halt eine Weile herumreißen.

EDUARD. Sei ruhig, Florian! Wenn ich mein Ideal gefunden habe, so will ich dich reichlich belohnen.[107]

FLORIAN. Mich? O je, wo bin ich da schon? bis dorthin reißts Ihnen a dreihundert Bediente zsamm wie nichts.

LONGIMANUS. Und jetzt machts, daß ihr weiter kommt. Wie willst denn fahren? wart! Ruft. He!


Pamphilius kommt.


Quelle:
Ferdinand Raimund: Sämtliche Werke. München 1960, S. 103-108.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Der Diamant des Geisterkönigs
Historisch kritische Ausgabe Band 1: Der Barometermacher auf der Zauberinsel, Der Diamant des Geisterkönigs
Raimundalmanach / Der Diamant des Geisterkönigs

Buchempfehlung

Schnitzler, Arthur

Der grüne Kakadu. Groteske in einem Akt

Der grüne Kakadu. Groteske in einem Akt

In Paris ergötzt sich am 14. Juli 1789 ein adeliges Publikum an einer primitiven Schaupielinszenierung, die ihm suggeriert, »unter dem gefährlichsten Gesindel von Paris zu sitzen«. Als der reale Aufruhr der Revolution die Straßen von Paris erfasst, verschwimmen die Grenzen zwischen Spiel und Wirklichkeit. Für Schnitzler ungewöhnlich montiert der Autor im »grünen Kakadu« die Ebenen von Illusion und Wiklichkeit vor einer historischen Kulisse.

38 Seiten, 3.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier III. Neun weitere Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier III. Neun weitere Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Für den dritten Band hat Michael Holzinger neun weitere Meistererzählungen aus dem Biedermeier zusammengefasst.

444 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon