Vierter Auftritt

[145] Verwandlung.

Nobles Gemach in Fortunatus Wurzels Hause, an der Seite ein bronzierter Kleiderschrank. Rechts ein Fenster neben dem Schlafgemach Wurzels. Auf der entgegengesetzten Seite der Eingang.

Lorenz mit zwei Bedienten, Habakuk.

Lorenz läuft zum Fenster und sieht hinaus.


STIMME VON UNTEN. Herr Lorenz, der Wein ist da. Gehts einer herunter!

LORENZ ruft hinab. Gleich, gleich, nur nicht so schreien, da ist den Herrn sein Schlafzimmer! Zu den Bedienten. Gehts hinunter zun Wagen, der echte Champagner ist kommen. Tragts die Flaschen in Saal hinauf. Morgen ist Punschgesellschaft, da muß er austrunken werden, aller, sonst wird er hin, er halt sich nur ein paar Tage. Zwei Bediente gehen ab. Zum dritten. Und du nimmst ein zehn Flaschen weg und stellst mir s' auf die Seite, ich brauch s' für eine arme Familie, die gern trinkt.

HABAKUK. Schon recht, Mußi Lorenz.


Geht ab.


LORENZ allein. Was man alles zu tun hat, wenn man erster Kammerdiener in ein Haus ist! Wie ich noch Halter bei ihm war, hab ich lang nicht so viel zu tun ghabt als jetzt. Ja, wenn wir auch von Land sein, deswegen sind wir doch nicht auf den Kopf gfallen. Wie ich Bedienter worden bin, hab ich nicht gwußt, warum die Schneider so große Säck in die Livreen machen, jetzt weiß ichs schon: weil die Bedienten von ihre Herrschaften so viel einstecken müssen. Sieht durchs Schlüsselloch. Mir scheint, er steht schon auf. Das war wieder ein Spektakel heut nacht, mit ihm und seine guten Freund. Bis um drei haben s' trunken und gsungen, über achtzig Gläser zusammgschlagen, und so gehts alle Wochen viermal. Mich wundert nur, daß ers aushalt – Und seine guten Freund halten ihn für ein Narren, sie sagen, er wär der gscheideste Mensch von ganz Mamelukien oder wie das Land heißt. Jetzt will er gar ein heimlicher Gelehrter werden, und ich hab schon was wispeln ghört, ein Philosoph auch noch. Ein Bauer, es[145] ist schrecklich! und er laßt nicht nach, auf die Wochen gehts schon los, da lernt er 's Lesen, und aufs Jahr schreiben, und da er hat recht. Wenn ein dummer Mensch nur wenigstens schreibt, so kann er sichs doch selber zuschreiben, daß er nichts glernt hat. Da kommt die Lottel, die därf ich gar nimmer zu ihm lassen, wenn die den Fischerkarl nicht laßt, das wird noch eine schöne Metten absetzen.


Quelle:
Ferdinand Raimund: Sämtliche Werke. München 1960, S. 145-146.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Das Mädchen aus der Feenwelt oder Der Bauer als Millionär
Das Mädchen aus der Feenwelt oder Der Bauer als Millionär (Komedia)
Raimundalmanach / Der Bauer als Millionär: Das Mädchen aus der Feenwelt oder Der Bauer als Millionär