Sechster Auftritt

[147] Habakuk mit einer großen Tasse, worauf eine große Gans liegt, ein Teller voll Backerei und eine große Flasche Wein steht, tritt seitwärts ein, bleibt an der Tür stehen, an der andern Tür steht Lorenz in der Mitte, einen Schritt zurück, Lottchen.


HABAKUK. Den Herrn sein Frühstück!

LORENZ. Nur hinein damit. Deutet aufs Schlafzimmer. Habakuk trägt es hinein. Lorenz zu Lottchen. Jetzt haben Sies selbst gesehen, daß er mediziniert. Geht verlegen vor.

LOTTCHEN beleidigt und erstaunt, stellt sich vor ihn. Lorenz! also mein Vater ist krank?

LORENZ. Nu, schon wie! Bei ihm heißts: Friß Vogel, oder stirb!

LOTTCHEN. Also so kannst du mich hintergehen? Pfui! das hätt ich nicht von dir geglaubt. Geh, du bist ein abscheulicher Mensch! Doch nein, ich will dich nicht böse machen, ich will dir schmeicheln, ich will dir sagen: du bist der beste, der schönste Lorenz auf der Welt, wenn es auch nicht wahr ist, aber laß mich zu meinem Vater!

LORENZ. Und ich darf nicht. Er hats verboten. Er sagt, Sie sind nicht sein Kind, Ihre Mutter war ein Bettelweib.

LOTTCHEN. Himmel! was ist das? So weit ist es mit ihm[147] gekommen, daß er sein Kind verleugnet? Hat er mir nicht oft erzählt, meine Mutter wäre bald nach meiner Geburt gestorben, und ich wäre sein einziges Kind, von dem er einst Dankbarkeit hofft? Und nun verstoßt er mich? Ach du lieber Himmel, ich habe keine Verwandten, keine Freunde, keinen Vater mehr, wenn du dich nicht um mich annimmst, so muß ich zu Grunde gehen.


Geht weinend ab.


LORENZ allein. Was Verwandte, zu was braucht man die? Unser schwarzaugigtes Stubenmädel ist mir lieber als alle Verwandtschaften auf der Welt. Ab.


Quelle:
Ferdinand Raimund: Sämtliche Werke. München 1960, S. 147-148.
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