Dreizehnter Auftritt

[159] Sehr schnelle Verwandlung in einen großen schönen Platz der Stadt. Links Wurzels prächtiges Haus mit Schalougittern, wovon eines durch Karls Fall herabgerissen ist und nebst einem Stück Gesimse, welches er herabgetreten, an seiner Seite liegt, aber sogleich von einem Zuschauer aufgehoben wird, der es den noch dazu Kommenden zeigt.

Karl liegt auf der Erde, und Wurzel hält ihn an der Brust. Zuschauer vollenden das Tableau.

Der Lärm, welchen man im Zimmer unter der Verwandlung schon hörte, dauert nach derselben einen Augenblick noch fort.


WURZEL. Um die Wache fort! der Bursch ist ein Räuber. Zwei Bediente laufen ab. Er ist in mein Haus eingebrochen. Ich massakrier ihn. Fallt mir der Kerl auf den Kopf.

KARL hat sich aufgerafft und packt Wurzel. Spitzbube! willst du mir meinen guten Namen wiedergeben?

LOTTCHEN stürzt aus dem Hause und ruft. Himmel! Karl, was tust du – mein Vater.

KARL im höchsten Zorn. Wart, Schuft! du sollst den Bauer kennen lernen. Eilt ab.

ALLES ruft. Halts ihn auf!


Einige eilen ihm nach.


LOTTCHEN stürzt in Verzweiflung zu Wurzels Füßen. Vater! was haben Sie getan?

WURZEL schleudert sie vom Tor weg. Fort! Satan. Er läuft schnell ins Haus und schlägt das Tor hinter sich zu.

LOTTCHEN eilt ihm nach und will hinein. Er hat das Tor abgeschlossen, wie wird das enden? Vater! Vater! Verzeihung! Hören Sie mich!

WURZEL erscheint am Fenster mit dem Bünkel, in welchem sich Lottchens Bauernkleider befinden, außen ist der Strohhut aufgebunden. Du bist[159] nicht mein Kind, du bist eine angenommene Kreatur! Hinaus mit dir in den Wald, zu deinen Gespielinnen, zu die Wildgäns, wo ich dich gfunden hab, du Waldschnepf, Wirft ihr die Kleider hinab. in mein Haus kommst du nimmermehr!


Schlägt das Fenster zu.


LOTTCHEN weint. Ich unglückliches Kind! Zu einem Schlosser. Ach mein Herr, nehmen Sie sich doch an um mich.

SCHLOSSER recht derb. Ja, da muß man halt gut tun, mein Schatz, wenn man von ander Leut Gnaden lebt. Was soll denn unsereiner sagen, der sich vor Kummer nicht aus weiß? da heißts fleißig sein! Im nämlichen Ton fort zu einem vorübergehenden Tischlergesellen. Franzl, wo gehst denn hin?

TISCHLER schon an der Kulisse. Ins Wirtshaus! Geht hinein.

SCHLOSSER ruft ihm nach. Wart, ich geh auch mit, leih mir zwei Gulden. Geht ihm nach.


Alle Zuschauer lachen und verlieren sich.


LOTTCHEN allein. Also so weit ist es mit mir gekommen? Gibt es denn kein Wesen, das Erbarmen mit mir hat? Oh, daß die Nacht niedersinken möchte, um mich und meine Schande zu verhüllen.


Dumpfer Donner. Musik. Graue Wolkenschleier senken sich langsam über die ganze Bühne herab. Dann sinkt die Nacht personifiziert nieder. Eine kolossal gemalte Figur, welche an Breite den größten Teil der Mitte des Theaters einnimmt. Sie ist in graues faltiges Gewand gehüllt, mit ausgestreckten Armen, einen schwarzen Mantel ausbreitend. Bleiches Angesicht und geschlossene Augen. Auf dem Haupte eine schwarze Krone, in der rechten Hand einen eisernen Zepter, dessen Knopf ein Mohnkopf bildet. Mit der Linken gebietet sie Schweigen. Sie schwebt ernst und feierlich herab und sinkt in das geöffnete Podium. Die Nebel vergehen und lassen die vorige Straße im Mondenglanz zurück. Die Luft ist rein und mit

transparenten Sternen besäet, auch die Mondessichel ist transparent auf der Hinterkortine sichtbar.

Während diesem singen die Geister der Nacht folgenden Chor in der Kulisse.


Chor.


In dem finstern Reich der Klüfte,

Die dem Glanz zum Hohn erbaut,[160]

Herrscht die Königin der Grüfte,

Sie, des Lichts verstoßne Braut.

Nur wenn durch der Unschuld Rufen

Sich ihr düstrer Busen hebt,

Kommts, daß über Tagesstufen

Sie zu ihrer Rettung schwebt.


Auf dem vordern Fluggang schwebt ein Genius nieder mit einem glänzenden Brillantstern auf dem Haupte, er ergreift Lottchens Hand und führt sie während dieses Chores ab, welcher gleich aus dem ersten übergeht.

Chor.


Darum folge ihren Sternen,

Sie erglänzen dir allein,

Führen dich in weiten Fernen

In das Tal der Ruhe ein.


Der Genius führt sie fort.

Der Sturm heult, schreckliches Gewitter tritt ein, die Sterne verlöschen, der Mond wird rot.

Unter folgendem Chor kommen zwölf Geister der Nacht in grauem Flor, das Haupt mit Schleier verhüllt, das Antlitz bleich, jeder einen transparenten Stern auf dem Haupte, sie laufen auf der Bühne durcheinander und gruppieren sich endlich nach der Breite des Theaters gegen Wurzels Haus in drohender Stellung. Ober ihnen fällt, so breit als die Bühne ist, ein Chaos von Wolken ein, in welchen grau gemalte Geister den andern ähnlich schweben und sich so verschlingen, daß die Sterne auf ihren Häuptern die transparenten Worte bilden:

Entflieh nur der Pracht, Dich rächet die Nacht.

Währenddessen folgender.

Chor.


Doch ihn zu verderben,

Der Lust zu enterben,

Verschwört sich die Nacht,

Ergreifet die Freude,

Stürzt sie als Beute

In grundlosen Schacht.


[161] Wenn die transparenten Worte erscheinen, singt der Chor die folgenden Worte und läßt sie

schauerlich verklingen.


Entflieh nur der Pracht,

Dich rächet die Nacht.


Auf Wurzels Fenster fliegt eine Nachteule mit glühenden Augen und schlägt mit den Flügeln an die Glasscheibe.

Die Kortine fällt schnell.


Ende des ersten Aufzuges.


Quelle:
Ferdinand Raimund: Sämtliche Werke. München 1960, S. 159-162.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Das Mädchen aus der Feenwelt oder Der Bauer als Millionär
Das Mädchen aus der Feenwelt oder Der Bauer als Millionär (Komedia)
Raimundalmanach / Der Bauer als Millionär: Das Mädchen aus der Feenwelt oder Der Bauer als Millionär

Buchempfehlung

Meyer, Conrad Ferdinand

Gustav Adolfs Page

Gustav Adolfs Page

Im Dreißigjährigen Krieg bejubeln die deutschen Protestanten den Schwedenkönig Gustav Adolf. Leubelfing schwärmt geradezu für ihn und schafft es endlich, als Page in seine persönlichen Dienste zu treten. Was niemand ahnt: sie ist ein Mädchen.

42 Seiten, 3.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten. Elf Erzählungen

Romantische Geschichten. Elf Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für diese preiswerte Leseausgabe elf der schönsten romantischen Erzählungen ausgewählt.

442 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon