Vierter Auftritt

[166] Verwandlung.

Saal mit Lustern und Wandleuchtern. Punschtableau. Beim Aufziehen der Kortine ein rauschender Tusch von allen Instrumenten. An der rechten Seite eine hohe Glastür, gegenüber die Eingangstür.

Wurzel. Afterling. Musensohn. Schmeichelfeld.


ALLE übermütig schreiend. Der Hausherr soll leben! hoch –


Ein paar werfen die Gläser an die Wand.


WURZEL. Schlagts nicht so viel Gläser zusamm, ich bin ja kein Glasfabrikant –[166]

SCHMEICHELFELD etwas angestochen. Ah was da, man hört so keine Uhr, wenn einmal die Gläser fliegen, so weiß man doch, wieviels gschlagen hat.

MUSENSOHN. Aber jetzt ists aus, meine Herren, es ist fünf Uhr, und ich muß heute abend noch geschwind den letzten Akt von meinem Trauerspiel schreiben.

SCHMEICHELFELD. Was Trauerspiel? Lustig wollen wir von unserm teuern Herrn von Wurzel scheiden, dem aimabelsten Mann in der ganzen Stadt. Singen wollen wir, und dazu machen Sie uns Verse, wenn Sie ein Dichter sein wollen.

MUSENSOHN. Schön! Wir wollen die Freundschaft besingen.

AFTERLING der einen starken Rausch hat. Ja singen, schön singen wollen wir, und hernach kerzengerade nach Haus. Er taumelt.


Alle lachen.


WURZEL. Der hat ihn heute.

AFTERLING. Lachen? Ihr Spitzbuben! – Seid nichts nütze – alle sind nichts nutz – Herr von Wurzel, alle, bis auf den Auf den Dichter zeigend. – und der ist auch nichts nutz. Aber Sie, Herr von Wurzel, sind ein großer Mann. Aber sind Sie aufrichtig, Herr von Wurzel! Beschwörend. Herr von Wurzel, sind Sie aufrichtig! – Haben Sie – keinen Punsch mehr?

WURZEL. Nun so gebt ihm noch ein Glas, so fallt er gar hinunter untern Tisch.

AFTERLING. Herr von Wurzel! Fällt ihm um den Hals. Sie sind unser Vater, und wie Sie sich heute auf mich stützen können, so können Sie sich auf uns alle stützen. Punsch her – Punsch! Der Herr von Wurzel soll leben! Er taumelt gegen die Tür und fällt vor Rausch in einen Stuhl.

WURZEL. Nu, der hats überstanden. Habakuk! Habakuk tritt vor. Führts ihn hinüber ins rauschige Zimmer und legts ihn in das Bett, was ich hab herrichten lassen, wenn einem von meinen guten Freunden übel wird.

HABAKUK. Ja es liegen a so schon drei drinn und einer vor der Tür, man kann gar nimmer hinein.

WURZEL. So legts ihn ins blaue Zimmer hinüber, wo der[167] große Spiegel ist und 's Porzelain. Aber bindts ihn an, sonst schlagt er uns alles zsamm.

HABAKUK und zwei Bediente tragen Afterling fort. Nu, das sind schöne Herrschaften!

MUSENSOHN hat bei einem Tisch mit Bleistift geschrieben und springt auf. Fertig sind die Verse. Jetzt, meine Herrn, stimmen Sie.

ALLE. Bravo! Bravo!

MUSENSOHN. Die Phantasie hat mich begeistert. Herr von Wurzel! Schlägt in auf die Achsel. wollen Sie ihre Stimme hören?

WURZEL. Lassen Sie sie los!


Trinklied.


MUSENSOHN singt vor.

Freunde, hört die weise Lehre,

Die zu euch Erfahrung spricht.

Schickt die Freude ihre Heere,

Öffnet alle Tore nicht:

Mann für Mann laßt nur herein,

Wollt ihr lang ihr Feldherr sein.

CHOR.

Mann für Mann laßt nur herein,

Wollt ihr lang ihr Feldherr sein.

MUSENSOHN.

Wenn des Lebens Bajadere

Hält den goldnen Wagen still

Und für ihres Glücks Schimäre

Euren Frieden tauschen will:

Jagt die feile Dirne fort,

Denn Fortuna hält nicht Wort.

CHOR.

Jagt die feile Dirne fort,

Denn Fortuna hält nicht Wort.

MUSENSOHN.

Doch wenn voll der Becher blinket,

Bachus' Geist den Saal durchrauscht,[168]

Euch die Freundschaft zu sich winket

Und Gefühle mit euch tauscht:

Drückt sie beide an die Brust,

Sie gewähren Götterlust!

CHOR.

Drückt sie beide an die Brust,

Sie gewähren Götterlust!


Alle ab.


Quelle:
Ferdinand Raimund: Sämtliche Werke. München 1960, S. 166-169.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Das Mädchen aus der Feenwelt oder Der Bauer als Millionär
Das Mädchen aus der Feenwelt oder Der Bauer als Millionär (Komedia)
Raimundalmanach / Der Bauer als Millionär: Das Mädchen aus der Feenwelt oder Der Bauer als Millionär

Buchempfehlung

Wieland, Christoph Martin

Geschichte der Abderiten

Geschichte der Abderiten

Der satirische Roman von Christoph Martin Wieland erscheint 1774 in Fortsetzung in der Zeitschrift »Der Teutsche Merkur«. Wielands Spott zielt auf die kleinbürgerliche Einfalt seiner Zeit. Den Text habe er in einer Stunde des Unmuts geschrieben »wie ich von meinem Mansardenfenster herab die ganze Welt voll Koth und Unrath erblickte und mich an ihr zu rächen entschloß.«

270 Seiten, 9.60 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Sturm und Drang. Sechs Erzählungen

Geschichten aus dem Sturm und Drang. Sechs Erzählungen

Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Michael Holzinger hat sechs eindrucksvolle Erzählungen von wütenden, jungen Männern des 18. Jahrhunderts ausgewählt.

468 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon