Siebenter Auftritt


[219] Vorige. Narr. Dann Distichon, Affriduro, Odi, Volk.


NARR. Ich muß rekognoszieren, sie trauen sich nicht herein. Nur herein, ihr florianischen Helden, der Feind ist fort, ihr habt gesiegt.

ALLES kömmt gelaufen und stürzt zu Hermionens Füßen. Heil Hermione! Ewige Treue geloben wir dir.

DISTICHON. Nur einen Augenblick hat uns die Furcht besiegt, sie ist vorbei, jetzt bau' auf unsre Kraft.

HERMIONE. Ich bau auf sie wie auf die Reize dieser Flur.

ALLE sehen hin. Ha! was ist das?

DISTICHON sieht hin. Verfluchte Zauberei, die prangende Natur in schmutzigen Schlamm verwandelt!

HERMIONE. Ein blühend Bild von eurem Mut. Er ist so treu wie dieser Sumpf, wer auf ihn baut, sinkt ein. Darum will ich nicht länger ihm mein Wohl vertrauen. Ich befolge des Orakels Wink, noch heute abend soll mein Land gerettet sein, ich will noch heute mich vermählen, damit die morgige Sonne der Zauberinnen Ohnmacht schon bescheint. Affriduro eile hin und schmück den Tempel des Apoll, in einer Stunde seid ihr dort versammelt und höret meinen Eid: Dem reich ich heut noch meine Hand, der,[219] bis die siebente Stunde tönt, mir ein Gedicht ersinnt, das an Wert hoch über alle andern steht. Es gelte gleich, welch Land ihn auch gezeugt, ob ihn ein Lorbeer schmückt, ob er den Hirtenstab erwählt. So fordre ich in die Schranken eure Poesie, weil ihr nicht kämpfen könnt um mich durch eurer Sehnen Kraft, so kämpft um mich mit kräftigen Gedanken. Die Phantasie trag euch die Fahne vor, Vernunft steckt auf den Helm, der Witz sei euer Pfeil, die Verse stellt in dichte Reihen, statt der Trompete laßt den Reim erklingen, so rücket vor und kämpfet um den Preis!


Drei Kronen bietet er zugleich:

Mein Herz, den Lorbeer und dies Reich.


Ab.

Affriduro mit den Götzendienern zur entgegengesetzten Seite ebenfalls ab.


MEHRERE. Ha! jetzt gilts!

DISTICHON mit Ekstase, schnell.

Dichtergeister,

Hört den Meister,

Spornt den Gaul,

Seid nicht faul!

Zieht vom Leder

Eure Feder

Schreibt drauf los,

Der Preis ist groß.

Fortunens Blick

Verkündet Glück.


NARR. Au weh, zwick. Jetzt wirds mir z' dick! Jetzt fangt er in abscheulichen Jamben an. Hahaha!

DISTICHON. Was lachst du Schafskopf, Kalb, dem Mond entsprungen?

NARR. Pfui der Schande, durch ein Gedicht müßt ihr die Hand der Herrscherin erkämpfen, weil ihr so furchtsam seid, daß ihr beim Anblick einer Spinne lauft. O ihr Heroen der Vorzeit! Nehmt euch doch ein Beispiel an dem Theseus von Canova, der halt den Minotaurus schon zehn Jahr beim Schopf und laßt ihn noch nicht aus. Das ist ein Held.[220]


Und ihr Wichte

Schreibt Gedichte

Voll Gewinsel,

O ihr Pinsel

Dieser Insel.


Apoll, du Zechmeister aller Dichter, schlag ihnen deine Leier um den Kopf, ihre Väter schamen sich im Grab.

DISTICHON. Mein Vater war ein Held.

NARR. Der meine auch, er war Hanswurst und hat den Harlekin geschlagen.

ODI. Wir sind es auch.

NARR ruft erschrocken. Die Zauberschwestern!

ALLES will erschrocken davonlaufen. Hülfe!

NARR. Haha, probatum est! O ihr Schmucknadeln, zum Zittern seid ihr auf die Welt gekommen. Einen Esel laßt euch bauen, so groß wie das trojansche Pferd, und schliefts mit eurer Tapferkeit hinein.

DISTICHON. Nein, das wird zu arg!


Auf, ihr Brüder

Hoher Lieder,

Werft ihn nieder.


Alle prügeln auf ihn los.


NARR indem er fällt. Jetzt schreiben sie Vers auf meinen Buckel.

ODI. Triumph, das Ungeheuer ist besiegt.

DISTICHON. Ich hab ihm auf das Haupt geschlagen.

ODI schadenfroh. Ich gab ihm in die Rippen eins.

DISTICHON. Wir lassen uns in Kupfer stechen.

ALLE. Es lebe Distichon, der tapfre Held.


Alles ab.


NARR seinen Rücken reibend. Das Schlachtfeld ist leer. Ah! Das nenn ich ein Treffen, 's hat jeder getroffen, keiner hat gfehlt. Aber – dem Verdienste seine Kränze, einer ist dabei, der kanns. Wann das ein Dichter ist, der hat eine shakespearsche Kraft. Überdenkend. O Schicksal eines Narren! Geboren auf Österreichs fetten Triften, studiert bis[221] an den Hals, dann Kammerdiener eines spanischen Lords, vom Schiffbruch ausgespuckt an diesen Strand der Feigheit und der Ochserie. Aus Gnaden haben sie mich zum Hofnarren aufgenommen, mich, der ich mehr Witz in meinem Daumen hab als alle Köpfe dieses Fabellands seit hunderttausend Jahr. Und nun zu euch, ihr giftgen Zauberkröten, denn Frauenzimmer seid ihr nicht. Respekt vor allen andern Frauenzimmern: Ehret die Frauen, sie flechten und weben. Punktum, das andre fällt mir nicht mehr ein – aber das sind keine Frauenzimmer, das sind Töchter des liebenswürdigen Cerberus und der reizenden Hydra. Darum beschwöre ich euch, ihr vier Winde des Himmels, blast mir alle Krankheiten dieses schwindsüchtigen Jahrhunderts auf einen Haufen zusammen und überlaßt sie mir zu meiner Disposition. Herbei, ihr zwölf Monate dieses tiefbeleidigten Jahres, ich will einen Kalender zusammenfluchen und ihnen ein Neujahrsgeschenk damit machen.


Ganz leicht beginnt der Januar

Mit Schnupfen, Halsweh und Katarrh.

Am Abend sanftes Gliederreißen,

Daß sie vor Schmerz die Lippen beißen.

Dann werd, weil beide eitel sind,

Die eine taub, die andre blind,

Und ihre niedlichen Gefriesel

Bedeck ein scharlachroter Riesel.


Dem Februar laß ich die Wahl,

Zu sinnen eine eigne Qual.

Die Gicht ist schön, doch wünscht ich lieber

Die Bleichsucht oder 's gelbe Fieber.

März und April bringt Seitenstechen,

Der Mai muß sich durch Krämpfe rächen.

Im Juni Regen allenfalls,

So habn s' die Wassersucht am Hals.


Im Juli ist die Sommerszeit,

Wo man auf grüner Flur sich freut.[222]

Nur ihnen blüh kein schönes Tal,

Die ganze Welt sei ihr Spital.

August, da werd ihr Hunger heiß,

Doch bleib ihr Magen kalt wie Eis.

Nichts hemme ihrer Eßlust Lauf,

Vielleicht frißt eine d' andre auf.


September streu vergiften Tau,

Der färbe ihre Haare grau.

Oktober ruft das Blatt nach Haus,

Da brechen ihre Zähne aus.

November fällt ihr Namensfest,

Da schick zum Bindband ich die Pest.

Und bis Dezember kommt herbei,

Sind schon in Zügen alle zwei.


Doch noch ist nicht der Spaß verdorben.

Kaum glauben sie, sie sind gestorben,

So speien sie, der Welt zum Graus,

Aufs neu zwei giftge Drachen aus.

So drück auf ihre Qual die Zeit

Das Siegel einer Ewigkeit.

Den Wunsch bringt froh zum neuen Jahr

Mein gutes Herz den Schwestern dar.


Ab.


Quelle:
Ferdinand Raimund: Sämtliche Werke. München 1960, S. 219-223.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Die gefesselte Phantasie
Die gefesselte Phantasie. Original- Zauberspiel in zwei Aufzügen.
Raimundalmanach / Die gefesselte Phantasie

Buchempfehlung

Anonym

Tai I Gin Hua Dsung Dschi. Das Geheimnis der Goldenen Blüte

Tai I Gin Hua Dsung Dschi. Das Geheimnis der Goldenen Blüte

Das chinesische Lebensbuch über das Geheimnis der Goldenen Blüte wird seit dem achten Jahrhundert mündlich überliefert. Diese Ausgabe folgt der Übersetzung von Richard Wilhelm.

50 Seiten, 3.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier III. Neun weitere Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier III. Neun weitere Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Für den dritten Band hat Michael Holzinger neun weitere Meistererzählungen aus dem Biedermeier zusammengefasst.

444 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon