Sechster Auftritt


[310] Vorige. Hans und Mirzel treten furchtsam ein.


AMTMANN. Jetzt komm Er her, mein lieber Hans, und gebe Er genau und umständlich zu Protokoll, wie sich die ganze Sache zugetragen hat. Zum Aktuar. Setzen Sie ihre Feder in Bewegung.

HANS. Sehr wohl, Euer Gnaden Herr Amtmann. Sehen Euer Gnaden Herr Amtmann: Mein liebs Weiberl da will nicht gern aufstehn in der Früh. Da hab ich denn heut morgens zu ihr gsagt: Liebe Mirzel, steh doch auf, wir müssen den Herrn Amtmann die Steuer nach Alpenmarkt tragen. Da sagt sie ja und kehrt sich nochmal um –[310]

AMTMANN. Ja lieber Freund, das dauert mir zu lange –

MIRZEL. Euer Gnaden Herr Amtmann verzeihen, daß ich so mitten ins Protokoll hineinfall, aber was mein Mann zusammenredt, das begreift kein Mensch, viel weniger der Herr Amtmann, mit Respekt zu sagen. Die Sach war so. Wie wir heut morgen den Herrn Amtmann unsere Steuer bezahlt haben, sind wir auf unser Alm zurück und haben das alte Weib bei unserer Hütten liegen gfunden. Ganz betrübt und scheu, weil s' der Gluthahn fortgjagt hat. Endlich haben wir s' getröstet, und sie hat uns erzählt, sie wär eine verwunschene Fürstin aus – du, wie heißt das Land?

HANS. Du nimmst dich um was an und weißt am Ende gar nichts. Aus Indien, hat s' gsagt. Dort hat s', glaub ich, einen Gemahl und hat ein Volk. Drauf hat s' uns gebeten, wir möchten sie bei uns behalten und ernähren, sie will uns etwas dafür weinen. Und wie mein Weib so eine schöne Schilderung von mir gmacht hat, hat sie sich an ihren Herrn erinnert und hat diamantene Tränen in mein Hut hineingweint.

AMTMANN. Wo hat Er diese Tränen?

HANS. Ich hab s' im Sack, Herr Amtmann.

AMTMANN. Geb Er sie heraus. Hans gibt sie her. Zu Rossi. Wollen Sie dieselben wohl besehen?

ROSSI. Mit Vergnügen. Besieht sie. Das sind echte Diamanten.

AMTMANN. Ist das möglich, Diamanten? Gleich ins Protokoll damit. Vorher nachgezählt, wie viel es sind.

AKTUAR. Es sind sechzehn Stück.

MIRZEL. Drauf haben wir das alte Mutterl in unser Hütten gsperrt und sind in den Steinbruch hinaus. Doch in einer halben Stund kommt den Gluthahn sein Weib halbtot und lamentiert, daß ihr Mann mit einem alten Weib auf den Wagen über Stock und Stein davongfahren ist, und wir möchten nur nach laufen und schauen, was er denn macht, denn ein Kohlbauer war ihm auf der Alpenmarktstraßen begegnet, und wie sie so lamentiert, so wird ihr nicht gut, sie fällt uns in Arm und stirbt, das arme Weib.


Pause. Weint.[311]


AKTUAR hat geendet. Punktum! Sand auf sie.

HANS. Dann haben wir s' zum Bader ins Dorf hinuntertragen, und der hat ihr den Puls gegriffen und hat gsagt, ein Schlag hat s' getroffen.

MIRZEL. Nu, dann sind wir auf der Straßen fortglaufen, bis wir in Alpenmarkt bei einen Haus den Gluthahn sein Leiterwagen stehn haben sehen, und da haben wir ein Herrn gfragt, der die Pferd ghalten hat, ob der Gluthahn bald kommt, so sagt der: er kommt gleich, er ist in Arrest. Dann sind wir zum Herrn Amtmann hergegangen, und das ist die ganze Gschicht.

AMTMANN. Könnt ihr darauf schwören?

HANS. Herr Amtmann, alle Tag.

MIRZEL. Und alle Stund, wenns sein muß.

AMTMANN. Tretet seitwärts unterdessen.


Beide stellen sich auf die Seite.


AMTMANN zum Gerichtsdiener. Den Bauer!


Gerichtsdiener ab.


ROSSI. Jetzt werden Sie den Heuchler sehen.

AMTMANN. Ich kenn ihn schon.


Quelle:
Ferdinand Raimund: Sämtliche Werke. München 1960, S. 310-312.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Moisasurs Zauberfluch
Raimundalmanach / Moisasurs Zauberfluch