Elfter Auftritt

[530] Unter klagender Musik Verwandlung in einen kurzen Wald. An der Seite ein Hügel mit Gesträuche. Jäger ziehen über die Bühne.

Jagdchor.


Gilts, die Wälder zu durchstreifen,

Hebet freier sich die Brust.

Kühn den Eber anzugreifen,

Ist des Jägers höchste Lust.

Holla ho! Holla ho!

Weidgesellen froh!


Ist die Fährte aufgefunden,

Wälzt er sich im schwarzen Blut,

Spiegelt sich in seinen Wunden

Noch des Abends letzte Glut.

Holla ho! Holla ho!

Jägerbursch ist froh!


Zieht man heim nach Jägersitte,

Winkt die Nacht uns traut zur Ruh,

Sucht man seines Liebchens Hütte,

Schließt das Pförtlein leise zu.

Holla ho! Holla ho!

Jägersbraut ist froh!


Alle ab.

Valentin, der im Gesträuch versteckt war, kommt hervor.


VALENTIN. Wegen meiner jagt ihr fort, so lang ihr wollt. Ich werd mich da so wildschweinmäßig behandeln lassen. Ich schießet alle zusammen, die Sappermenter, wenn ich nur einen Hahn auf der Flinten hätt. Ich kann gar nicht begreifen, was denn die vornehmen Leut mit der verdammten Jagd immer haben.


Lied.


Wie sich doch die reichen Herrn

Selbst das Leben so erschwern![530]

Damit s' Vieh und Menschen plagen,

Müssen s' alle Wochen jagen.

Gott verzeih mir meine Sünden,

Ich begreif nicht, was dran finden,

Dieses Kriechen in den Schluchten,

Dieses Riechen von den Juchten.

Kurz, in allem Ernst gesagt:

's gibt nichts Dummers als die Jagd.


Schon um drei Uhr ist die Stund

Für die Leut und für die Hund.

Jeder kommt mit seinem Stutzen,

Und da fangen s' an zum putzen.

Nachher rennen s' wie besessen,

Ohne einen Bissen z' essen,

Ganze Tage durch die Waldung,

Und das ist a Unterhaltung!

Ah, da wird eim Gott bewahrn,

D' Jäger sind ja alle Narrn.


Kurz, das Jagen laß ich bleiben.

Was die Jägerburschen treiben,

Wie s' mich habn herumgestoßen,

Bald hätt ich mich selbst erschossen.

Über hunderttausend Wurzeln

Lassen eim die Kerls purzeln,

Und kaum liegt man auf der Nasen,

Fangen s' alle an zu blasen,

Und das heißen s' eine Jagd!

Ach, dem Himmel seis geklagt.


Müd als wie ein ghetzter Has

Setzt man sich ins kühle Gras,

Glaubt, man ist da ganz allein,

Kommt ein ungeheures Schwein.

Und indem man sich will wehren,

Kommen rückwärts ein paar Bären,

Auf der Seiten ein paar Tiger,

Und weiß Gott noch was für Vieher,[531]

Und da steht man mitten drin!

Dafür hab ich halt kein Sinn.


Läuft ab.

Repetition.


Nein, die Sach muß ich bedenken.

D' Jäger kann man nicht so kränken.

Denn, wenn keine Jäger wären,

Fräßen uns am End die Bären.

's Wildpret will man auch genießen,

Folglich muß doch einer schießen.

Bratne Schnepfen, Haselhühner,

Gott, wie schätzen die die Wiener!

Und ich stimm mit ihnen ein:

Jagd und Wildpret müssen sein.


Ab.


Quelle:
Ferdinand Raimund: Sämtliche Werke. München 1960, S. 530-532.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Der Verschwender
Der Verschwender
Der Verschwender
Raimundalmanach / Der Verschwender

Buchempfehlung

Schnitzler, Arthur

Der einsame Weg. Schauspiel in fünf Akten

Der einsame Weg. Schauspiel in fünf Akten

Anders als in seinen früheren, naturalistischen Stücken, widmet sich Schnitzler in seinem einsamen Weg dem sozialpsychologischen Problem menschlicher Kommunikation. Die Schicksale der Familie des Kunstprofessors Wegrat, des alten Malers Julian Fichtner und des sterbenskranken Dichters Stephan von Sala sind in Wien um 1900 tragisch miteinander verwoben und enden schließlich alle in der Einsamkeit.

70 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier III. Neun weitere Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier III. Neun weitere Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Für den dritten Band hat Michael Holzinger neun weitere Meistererzählungen aus dem Biedermeier zusammengefasst.

444 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon