Dreizehnter Auftritt.

[219] Die Baronin. Till sieht zur Thüre hinein.


TILL. Ist es vergönnt?

BARONIN heftig erschreckend. Gerechter Gott![219]

TILL. Ich bin es, gnädige Frau. Sie haben befohlen – –

BARONIN. Ach! Sie sind es? – Ja, ich wollte Sie sprechen.

TILL. Der Director ging eben von Ihnen. Hat er sich endlich dazu verstanden, seine Pflicht zu thun?

BARONIN. Er? was weiß er von Pflicht. O über dies Geschlecht von Feiglingen und Thoren, bei denen eine bedrängte Frau vergebens Hülfe sucht! Ich will mich furchtbar darüber aussprechen in meiner nächsten Schrift.

TILL. Ach, gnädige Frau. Die nächste Schrift ist nicht so nahe, wie die nächste Gefahr.

BARONIN. Sie glauben also wirklich an Gefahr?

TILL. Ich glaube nicht nur, ich schaue! Ach, wenn ich jener Aeußerung des Entsetzlichen gedenke – –

BARONIN. Welcher Aeußerung? Reden Sie.

TILL. Als ich bemerkte, daß Sie die verlangte Erklärung[220] mir geben würden, erwiderte er teuflisch lachend: Sie wird mehr thun, wenn sie erst in meiner Gewalt. Also eine Entführung –––

BARONIN. Allmächtiger – In der Gewalt dieses Bösewichts! – Warum verschwiegen Sie nur – ich hätte doch die Erklärung – – –

TILL. Die hätten Sie nie gegeben. Wer einmal, wie Sie, heimisch ist in der höhern Welt der Geister, den kann die niedere irdische Furcht nicht mehr überwältigen.

BARONIN. Sie haben Recht. Aber es ist Pflicht zu thun, was die Klugheit gebietet; ich will fort, auf das entfernteste meiner Güter: dort, in der Mitte meiner Unterthanen, die mich lieben, bin ich sicher.

TILL. Aber auch auf der Reise? Wenn er Sie nun unterwegs anfiele?

BARONIN. Wie sollte er es erfahren? Noch diesen Abend reise ich ab. Sind Sie mein Freund?

TILL. Meiner hohen Gönnerin getreuer Knecht bis in den Tod.[221]

BARONIN. Ich will heimlich abreisen. Besorgen Sie mir in aller Stille einen Miethswagen. Der Kutscher darf nicht wissen, wen, noch wohin er fährt. Sobald es dunkel geworden, bringen Sie ihn in das Wäldchen hinter meinem Garten. Ich nehme niemanden mit, als Sophie, und zu größerer Sicherheit legen wir Mannskleider an. Sie schicken mir in einigen Tagen meine Leute und meine Sachen nach.

TILL. Ihr Plan, gnädige Frau, ist nicht ohne Gefahr, weder für Sie, noch für mich. Doch es koste, was es wolle. Sie müssen von geistiger oder leiblicher Schmach gerettet werden, und ich sehe kein anderes Mittel.

BARONIN. Kann ich auf Ihren Beistand rechnen?

TILL. Wie auf Ihren eigenen Muth.

BARONIN. So lassen Sie uns keine Zeit verlieren.

TILL. Ich eile: alles soll zur rechten Zeit besorgt seyn.

BARONIN. Sie sollen keine Undankbare an mir finden: ich[222] liefere Ihnen von nun an jeden Monat eine Recension.

TILL. O überschwänglich reiche Vergeltung!


Quelle:
Ernst Raupach: Dramatische Werke komischer Gattung. Hamburg 1829, S. 219-223.
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