Scena XI

[28] Edward, Fidele.


EDWARD. So hat sie den Herrn Bruder schon die Stube aufgekündiget?

FIDELE. Wie ich Monsieur Frère berichtet, und ich denke immer, es wird Ihm auch so gehen.

EDWARD. Wieso denn?

FIDELE. Sie sagte, sie wollte gar keine Studenten mehr im Hause leiden.

EDWARD. Was Ursache aber?

FIDELE. Spricht, was nur in ihren Hause vorginge, das referierten wir andern Leuten, und absonderlich war sie mit mir gar nicht zufrieden.

EDWARD. Was sagte sie denn zu Ihn?

FIDELE. Wie ich durchs Haus ging, stund sie in der Küchen und wurde mich gewahr, so rufte sie mich hinein und fing mit diesen Worten an: »Er höre! Ich habe Ihn was zu sagen.« »Was soll's sein«, sagte ich drauf, »Frau Schlampampe?« »Ja«, sagte sie, »ich hätte es nicht in Ihn gedacht, ich habe Ihn noch immer vor den besten gehalten.«

EDWARD. Was wurde denn endlich daraus?

FIDELE. Ich wollte nun wissen, was es wäre, kunnte es aber nicht gleich erfahren. Letztlich brach sie mit diesen Worten heraus: »Er ist ein Feiner, Er soll mir immer nachreden,[28] wenn Er zu Leuten kömmt, und ich mag Ihn gar nicht länger im Hause haben«, und sagte mir damit die Stube auf.

EDWARD. Gedachte sie meiner nicht darbei?

FIDELE. Allerdings, wie sie mit mir fertig, so fing sie an, von den Herrn Bruder zu reden, und sagte: »Wenn ich Edwarden ansichtig werde, so will ich's Ihn gleichfalls sagen, daß er mir das Haus räumen soll, denn er hat meine Charlotte eine Hure geheißen.« Hat denn der Herr Bruder solches getan?

EDWARD. Mon frère denke nur, da gehet sie hin und spricht zu Jungfer Melinden hier in der Nachbarschaft, ich hätte von derselben so übel geredet. Das Mädchen kam zu mir und hielt mir solches vor. Ich exkusierte mich so gut als ich kunnte, allein sie glaubte Charlottens Worten mehr als meinen. Es trug sich aber zu, daß Charlotte gelaufen kam und sagte zu Melinden, die Mutter wollte ihr ein neu Kleid machen lassen. Da satzte ich ihr zur Rede, warum sie mich so unschuldigerweise bei Jungfer Melinden angegeben. Charlotte aber wollte nichts davon wissen. So fing ich an und sagte: »Wenn sie mich dieses bei Jungfer Melinden beschuldiget, so hat sie solches geredet als eine Hure.« Darauf lief sie eiligst ins Haus und sagte: »Ei, das will ich meiner Frau Mutter sagen, daß er mich eine Hure geheißen.«

FIDELE. Wenn ich an des Herrn Bruders Stelle gewesen, ich hätte es selbst nicht anders gemacht.

EDWARD. So war sie so übel deswegen auf mich zu sprechen?

FIDELE. Sie trieb es kraß: »Man denke doch«, sagte sie zu allen Leuten, »ein Mädchen, das ihr gut Auskommen hat und vornehmer Leute Kind ist, von so einen gemeinen Kerl eine Hure geheißen zu werden.«

EDWARD. Warum trieb sie es aber damals nicht so, wie sie eine Kanaille geheißen wurde?

FIDELE. Die Alte selbst?

EDWARD. Freilich, es sind ohngefähr vier Jahr, so hatte sie einen Präzeptor, der kam des Abends nach Hause und hatte[29] sich vollgesoffen, ich weiß nicht, worüber sie sich mit ihn zankte, so hieß er sie gar eine Kanaille.

FIDELE. Und schwieg die ehrliche Frau darzu stille?

EDWARD. Auf den Morgen ließ er ihr ein Nössel spanischen Wein holen, so war er der Beste wieder im Hause.

FIDELE. Die Frau Schlampampe scheinet wohl eine ehrliche, aber auch dabei eine sehr dumme Frau zu sein. Aber gedachte sie nichts weiter?

FIDELE. Ich gab auf alles so eigentlich nicht Achtung. Doch wo mir recht ist, so erwähnete sie auch etwas von Tauben.

EDWARD. Was denn von Tauben?

FIDELE. Wie gesagt, ich observierte die Albertäten nicht einmal alle.

EDWARD. Ach, itzt besinne ich mich, der Handel fällt mir bei, warte nur, ich will dich tauben, du alte Schachtel du. Monsier höre, wenn wir nur einen artigen Possen erdenken könnten, damit die eingebildeten Töchter wichtig prostituieret würden.

FIDELE. Ich habe mich auf eine artige Invention schon längst besonnen, und wenn das anginge, es sollte wacker was zu lachen setzen.

EDWARD. Was ist es aber?

FIDELE. Der Herr Bruder komme ein wenig mit auf meine Stube, ich will's Ihm erzählen.

EDWARD. Mon frère verziehe nur ein wenig, ich will nur einen Gang wohin gehen, hernach will ich alsobald bei Ihn sein.

FIDELE. Der Herr Bruder halte sich nicht lange auf, sondern komme bald wieder. Gehet ab.

EDWARD. In einer Viertelstunde will ich Ihm aufwarten. Gehet ab.

Quelle:
Christian Reuter: Werke in einem Band. Weimar 1962, S. 28-30.
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