Scena VIII

[91] Lorentz.


LORENTZ kömmt hintennach und ruft. Schnürtzchen, Schnürtzchen, pst, komm doch wieder her.

SCHNÜRTZCHEN. Nun, was hast du denn zu rufen, da du weißt, daß die Sache keinen Verzug leidet.

LORENTZ. Je, laß dir doch sagen.

SCHNÜRTZCHEN. Nun, was willt du denn?

LORENTZ. Du sollst den Weg ersparen, und es ist gleich ein Notarichs kommen.

SCHNÜRTZCHEN. Wer hat's ihm denn zu Wissen getan?

LORENTZ. Es ist der Kerl, welcher sonst immer pflegt hin zu kommen.

SCHNÜRTZCHEN. Ach, Herr Lerius wird's sein.

LORENTZ. Ganz recht, derselbe Kerl ist's. Er sagte, weil er vernommen, daß die ehrliche Frau krank wäre, als hätte es seine Schuldigkeit erfordert, sie zu besuchen.[91]

SCHNÜRTZCHEN. Komm, laß uns doch hinein gehen, damit wir doch hören, was die Kinder alles vermacht kriegen.

LORENTZ. Ja, du Herzenskind, es darf keiner bei dem Testamente von uns sein; sie hießen mich auch aus der Stube gehen. Es dorfte niemand drinne bleiben als der Herr Doktor, der Herr Notarichs, die Jungfern und Däfftle.

SCHNÜRTZCHEN. Mußte Schelmuffsky auch herausgehen?

LORENTZ. Freilich.

SCHNÜRTZCHEN. Es ist Wunder, daß er's getan hat.

LORENTZ. So viel als ich von ihm vernehmen kunnte, mußte er's, halt ich, wohl nicht gerne tun, er fluchte lästerlich und schmiß die Tür zu, daß alles schmetterte.

SCHNÜRTZCHEN. Wer weiß, ob sie ihm gar was vermachen läßt, weil er indem das Seine schon weg hat.

LORENTZ. Sie kann ihm doch das Mutterteil nicht vorbehalten.

SCHNÜRTZCHEN. Ja, wenn er auch nichts schon drauf weg hätte.

LORENTZ. Wenn gleich, von rechtswegen kann sie ihn doch nicht enterben.

SCHNÜRTZCHEN. Man wird's wohl erfahren, wenn sie sterben sollte.

LORENTZ. Ich zweifele, daß sie des Lagers wieder aufkommt.

SCHNÜRTZCHEN. Was hilft's, sie muß doch einmal sterben, und wir ebensowohl auch.

LORENTZ. Sie mag immerhin sterben, wenn ich und du nur leben bleiben, daß wir's erstlich auch versuchen, wie es im Stande der geflickten Hosen zugehet. Willst du mich aber noch haben?

SCHNÜRTZCHEN. Davon ist nun jetzo nicht zu reden, es wird sich mit der Zeit schon geben. Komm, wir wollen ein bißchen an der Stubentüre horchen, was sie drinne reden.

LORENTZ. Meinthalben, vielleicht vermacht sie uns auch was. Gehn ab.


Quelle:
Christian Reuter: Werke in einem Band. Weimar 1962, S. 91-92.
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