Erster Auftritt

[303] Der Schauplatz bleibet eine Stadt und wird wieder Tag.


LEONORE mit einem Supplik in der Hand.

LEONORE. Ich muß doch sehen, ob der Herr Graf aufgestanden ist, damit ich mit ihm reden kann. Und wenn er mich nicht zu seiner Gemahlin nimmt, so will ich schon einen ändern Weg mit ihm gehen; denn das wären keine Künste. Ein Frauenzimmer kann man leichte zu was bereden, und hätte sich Graf Ehrenfried nicht so hoch vermessen, daß er mich heiraten wollte, so sollte er mich zu solchen wollüstigen Händeln wohl nicht leichtlich beredet haben. Aber dem sei nun, wie ihm sei. Will er in Güte seinen grausamen Schwüren und Promessen nicht nachkommen, so will ich hier dieses Supplik, welches ich mir gestern einen Advokaten habe machen lassen, gleich jetzo Ihro Königl. Majestät persönlich übergeben, damit es doch nur kund wird, wie er mir so erbärmlicherweise mein Ehrenschlößchen aufgebrochen hat. Will er mir aber zu meiner Ehre wieder helfen, so soll es auch die Katze hinter dem Herde nicht einmal erfahren. Ach, ihr liebes Frauenzimmer, ich bitte euch um des Himmels Willen, trauet doch nimmermehr keinem Kerl zu viel, er mag auch sein, wer er will. Sie haben alle den Schelm im Nacken, und wenn sie auch gleich schwüren, daß ihnen die Schienebeine knackten, so ist ihnen doch nichts zu glauben, denn ich weiß es am besten, wie es einen hernach gereuet; denn ich hab's aus der Erfahrung mit meinem Grafen. Allein er muß mich heiraten, oder ich will meinen Kopf nicht sanfte legen. Gehet ab.


Quelle:
Christian Reuter: Werke in einem Band. Weimar 1962, S. 303.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Graf Ehrenfried
Graf Ehrenfried: Abdruck der Erstausgabe von 1700