Neunter Auftritt

[317] Courage, Gretchen.


GRETE. Habe ich dir's nicht gesagt, Courage, daß ein gut Wort manchmal mehr hilft als sonsten was!

COURAGE. Das ist wahr, Gretchen, ich gab meinem Herrn deinetwegen vortrefflich gute Worte, und es hätte mich lästerlich verdrießen sollen, wenn er mir den Konsens abgeschlagen hätte.

GRETE. Gelt, es ist so besser, als wenn du zu den Advokaten wärest gegangen?

COURAGE. Ach, du herzes Kind, ich wäre ohndem nicht zu ihm gegangen; denn es hat mir heute frühe eine Frau erzählet, daß derselbe Fleckschreiber ganz nichts studieret hätte; denn die Käuschen, die er bisweilen macht, heißt er nur lauter Intrüschen, und mit solchen Intrüschen führet er so manche ehrliche Leute in die Prozesse hinein, daß sie hernachmals Ach und Weh über ihn schreien.

GRETE. Ei, ich weiß gar wohl, ich wollte dir's immer gestern sagen, daß du zu demselben Manne nicht gehen solltest, denn es ist ein rechter Ehrenkränker.

COURAGE. Je, warum tut er aber das?

GRETE. Je, weiß man's denn? Neulich so hat er ein paar Parteien ineinander gehetzt und in seinen konzipierten Klagschreiben solche Anzüglichkeiten gebraucht, daß ich dir's nicht sagen kann.

COURAGE. Mich wundert aber, daß so einen Kalumnianten das Handwerk nicht gelegt wird.

GRETE. Ei, es hat immer drauf gestanden, daß ihm die spitzige Feder hat sollen verschnitten werden, und stehet auch noch drauf.[317]

COURAGE. So ein Mensch, der eines andern seine Ehre abschneiden will, und ist selbst hinten und vorne mit Peche besudelt, der ist nicht wert, daß ihn der Erdboden trägt.

GRETE. Er würde dir ein schönes Supplik gemacht haben.

COURAGE. Ich danke meinen Gott, daß ich denselben Fleckschreiber nicht habe vonnöten gehabt, denn wenn mir der Kerl meinen Herrn mit unbescheidenen Worten angegriffen hätte und ich hätte hernach das Ding dem Könige übergeben, ich wüßte nicht, was ich ihm getan hätte.

GRETE. Ach, es sind ihm wegen seiner anzüglichen Injurien halber in diesem Jahre wohl über zwanzig Rthlr. Strafe zuerkannt worden.

COURAGE. Ei, du magst mir der rechte Advokate sein!

GRETE. In einer benachbarten Stadt, nicht weit von hier, so hat er sich schon in zwei Jahren nicht sehen lassen dürfen; wenn et sich da blicken läßt, so nimmt ihn der Rat daselbst gleich in Arrest.

COURAGE. Was hat er denn da getan?

GRETE. Nach seiner gewöhnlichen Art soll er auch nichts als lauter Schmähworte in einer daselbst eingegebenen Klageschrift gebraucht haben, weswegen ihm zehn Rthlr. Strafe zuerkannt worden, und dieselben hat er noch nicht abgetragen.

COURAGE. Mich wundert, daß von der hohen Obrigkeit so einen Praktikenmacher seiner unverantwortlichen Anzüglichkeiten halber nicht mit ernstlicher Strafe auf die unnützen Schelmfinger gekloppt wird.

GRETE. Es wundert mich selbst, daß ihnen so viel nachgesehen wird, und wenn mein Herr Graf so einen Advokaten in seinen Lande hätte und er griffe ehrliche Leute in Schriften so an wie dieser Fleckschreiber, so will ich nicht ehrlich sein, wenn er ihn nicht alle Tage dreimal in den Bock spannete und karbatschte ihn so lange, bis er spräche, er wollte es unterwegens lassen.

COURAGE. So ein Kerl wär auch nicht Bessers wert.[318]

GRETE. Wer hat dir aber diesen Fleckschreiber zugewiesen?

COURAGE. Höre nur; Fräulein Lorchen, die mit deinen Herrn hat zu tun gehabt, die begegnete mir gestern auf der Gassen und fragte nach den Herrn Grafen. Wie ich ihr nun zur Antwort gab, daß er wohl möchte bei Hofe sein, und sie ihn gerne sprechen wollte, so erzählte sie mir, wie daß sie bei einen Advokaten gewesen wäre und sich lassen ein Supplik machen. Dasselbe möchte sie, wenn der Herr Graf nicht wollte wie sie, dem Könige geben und ihn verklagen.

GRETE. Ach, potztausend, sie ist heute bei meinen Herrn flugs ganz frühe gewesen. Was sie aber vor Bescheid bei ihn bekommen, das kann ich dir nicht sagen.

COURAGE. Und derselben erzählte ich auch, wie ich und du ein Paar werden wollten, und daß mein Herr darein nicht konsentieren wollte, so rekommendierte sie mich an diesen sogenannten Fleckschreiber und erzählte mir erschreckliche Schwänke von ihm, die sie von Herr Johannsen seiner Frau im Weinkeller erfahren hätte.

GRETE. Wo hat die Wirtin aber drum gewußt?

COURAGE. Derselbe Fleckschreiber liegt alle Abende da und säuft, daß er nicht mehr stehen kann. Hernach klettert er an den Wänden nach Hause, wie ich denn selbst gestern mit Augen gesehen habe.

GRETE. Wärest du denn auch in dem Weinkeller?

COURAGE. Nein, ich ließe ihn nur herausrufen, und wie er kam, so kunnte er auf keinen Beine stehen, viel weniger daß er ein klug Wort mit mir hätte reden sollen.

GRETE. Ei, das sind mir die rechten Advokaten, die aus Tag Nacht und aus Nacht Tag machen.

COURAGE. Aber höre doch, Gretchen, weil ich nun meines Herrn seinen Konsens habe und du deines Grafen seinen, wie wollen wir denn unsere Sachen nun anstellen?

GRETE. Ich weiß mein Treu nicht, wie wir es anstellen werden.

COURAGE. Rede doch mit dem Grafen wegen des Hochzeitgeschenks, wie daß wir beide nun richtig wären.[319]

GRETE. Ach, du herzes Kind, davon darf ich ihn itzo kein Wort gedenken.

COURAGE. Warum aber nicht?

GRETCHEN. Fragst du warum? Als wenn du es etwa nicht wüßtest, daß er sich eine Glücksbude zugelegt und darinnen alle seine Mobilien verspielet hat.

COURAGE. Je, warum nimmt er solche närrische Dinge vor und bringt sich mutwillig um das Seinige?

GRETE. Ich kann es wohl sagen, daß er zeit seiner Tage noch nicht so melancholisch gewesen ist als jetzo, zumal da ihm seine beiden Läufer und der Kammerjunge, sein Hausdieb, mit der Livrei durchgegangen sein.

COURAGE. Von den Läufern habe ich nichts gehört, aber von dem Jungen, das weiß ich. Ich dachte aber, den hätten sie wieder ertappt und die Livrei ausgezogen?

GRETE. Ja, von dem hat der Herr Graf die Livrei auch wiederbekommen, aber von den andern nicht.

COURAGE. Wo ist denn dein Herr?

GRETE. Er sitzt drinnen in seinem Zimmer und hat sich ganz geistlich angezogen und liest stets in einem großen Buche. Ich horchte vorhin ein bißchen zu, da hörte ich, daß er sagte, er wollte das Hofleben ganz kassieren und ein Abt werden.

COURAGE. Was machten aber seine Leute?

GRETE. Dieselben stunden alle in langen Mänteln um ihn herum und hatten ein jedweder ein Buch unter dem Arme.

COURAGE. Ich denke, weil er alles in seinem Glückstopfe zugesetzt hat, so will er gar ein Pietiste werden.

GRETE. Je, Zeit wäre es, wenn er einmal sein Leben ändern wollte.

COURAGE. Ach, laß dir nur nicht leid dafür sein, er wird das Ding nicht lange treiben.

GRETE. Alleine, wie machen wir es mit unserer Hochzeit?

COURAGE. Höre, Gretchen, suche du nur deinen Brautschmuck immer zurechte, ich will mein Bräutigamskleid auch auskehren und will mit Fräulein Lorchen reden. Wenn[320] die es so weit bringt, daß der Graf sie heiraten muß, so können wir hernach flugs mit unterlaufen.

GRETE. Es ist ganz gut, Courage, allein, wenn nun nichts draus wird?

COURAGE. Je, wird nichts draus, so wird nichts draus, so machen wir vor uns Hochzeit und streichen das Hochzeitgeschenke hernach vor uns alleine ein.

GRETE. Je nun, wie du willst, es soll an mir nicht fehlen. Ich will gleich gehen und meinen Brautschmuck anlegen, damit ich im Falle der Not flugs fix und fertig bin.

COURAGE. Das tu du, ich will dergleichen tun; und wenn ich von Fräulein Lorchen erfahren kann, wie es mit ihrem Beilager stehet, so will ich dir gleich Antwort wissen lassen.

GRETCHEN. Nun, so mache nur fein bald, damit wir einmal zusammenkommen. Gehen ab.


Der Prospekt eröffnet sich.


Quelle:
Christian Reuter: Werke in einem Band. Weimar 1962, S. 317-321.
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