Dat teihnte Kapittel

[98] Worüm Fritz Sahlmann tau Winterstid ahn Regenschirm in'n Kantappelbom satt, worüm hei sick en lütt Aktenbund unner de West knöpen ded, un worüm sick Mamsell Westphalen för 'ne arge Sünnerin erklärt.


Nah 'ne lütte Wil kamm de Fru Amtshauptmann wedder rin nah de Stuw' un säd: »Wewer, wat heit dit? Fritz Sahlmann is nich dor, Mamsell Westphalen is nich dor, in ehre Stuw'[98] süht dat ut, as wenn Heiden un Türken dor Hus hollen hewwen, un de Dirns, de seggen, sei weiten von nicks, as dat Ratsherr Hers' in de Achterdör sick rinsleken hett, un Fik hett em ut Verseihn mit en stuwen Bessen äwer't Gesicht strakt, un Mamsell Westphalen hett em en por Hän'n vull Torfasch in de Ogen smeten, ok blot ut Verseihn, un nahsten is Fritz Sahlmann un Mamsell Westphalen weg west; un sei weiten nich, wo sei sünd.« – »Dies ist doch eine besondere Sache«, seggt de oll Herr. »Wat deiht Ratsherr Hers' in min Käk? Ick mag den Mann süs woll liden, Neiting, hei 's en pläsierlichen Mann; äwer hei steckt sin Näs' in jeden Quark, un wat Vernünftiges is dorbi sindag' nich herut kamen. – Segg mal, Neiting, wecker von de Dirns höllst du woll för de Verstännigst?« – »Wewer, wat red'st du? Von Verstand kann bi de Ort woll nich vel de Red' wesen.« – »Na, denn de Kläukst, de Pfiffigst.« – »Oh, denn woll Fik Besserdichs, denn de Ogen gahn ehr ganz fix in den Kopp un't Mulwark noch vel beter.« – »Raup mi de mal eins herinner.«

Dat geschach, un Fik kamm. Fik Besserdichs was 'ne lütte fixe Dirn, so wacht un kregel, as 'ne Gülzowsche Schultendochter man sin kann – denn dunnmals deinten de Schultendöchter noch. – Nu stunn sei äwerst vör den Herrn Amtshauptmann un slog de Ogen dal un knäselt an den Schörtenband, denn sei hadd't in't Gefäuhl, dat dit woll 'ne Ort Gerichtsdag warden würd. – »Also«, fung de oll Herr an, »zur Wahrheit ermahnt und so weiter – Fik Besserdichs, wat weitst du von Mamsell Westphalen? Fang von gistern abend an.« – Fik vertellte nu, wat sei wüßt un wat wi weiten. »Also«, säd de oll Herr, »sei hett bi di slapen un nich in ein Stuw' mit Herr Droin.« – »Wewer, wat red'st du?« föll de Fru Amtshauptmannen in. – »Neiting, jede Ümstand is wichtig, wenn de Unschuld an den Dag kamen sall. – Un du meinst nich«, wend't hei sick in Fik, »dat sei mit den Herrn Ratsherrn Hers' weglopen is?« – »Ne, Herr, flüchtig is sei, glöw ick; äwer nich mit den Herrn Ratsherrn, denn de is mi nahst allein in de Achterdör begegent, as ick von minen Brauder[99] t'rügg kamm; denn de was hir in den Goren, Herr Amtshauptmann, mit uns' Pird tau Vörspann; äwer –«, un hir slog sei de Ogen up, un ut dat frische Gesicht lücht so'n hellen Spitzbauw rut, »äwer, Herr Amtshauptmann, hei is de Franzosen utritscht.« – »So?« frog de oll Herr, »hei 's also utritscht?« – »Ja, Herr«, säd Fik un lacht so schelmschen vör sick hen, »un hei hett de ganze Utritschung anstifft un hett de annern de gräun Purt wis't.« – »Dat is en dummen Streich von em, un wenn de Franzosen em krigen, warden sei't em inknöpen. Ji sid 'ne näsewise Ort, ji Besserdichs. – Neiting, help mi mal an den Slüngel, den Fritz Besserdich, bedenken. – Un wo is Fritz Sahlmann?« – Nu was Fik denn wedder sihr benau't, un wat nu kamm, dat kamm man ganz dünn un druppwis': »Je, Herr Amtshauptmann, hüt morrn smet hei all Sei Ehr Pipen intwei, un nahsten säd hei, ick hadd't dahn. Un, Herr Amtshauptmann, ick kunn dor nich för, denn ick wull blot üm de Eck kiken, as de französche Oberst dor so rüm towen ded, dunn lep hei mi mit de Pipen entgegen, un nu liggen de Schören in de Käk.« – »Un wider hest du em hüt morrn nich seihn?« – »Ja, Herr, as de Uhrkenmaker transperiert würd, dunn lep hei mit, un as hei dunn wedder kamm, dunn redt hei mit de Mamsell hochdütsch, un nahsten flusterten sei tausamen.« – »Hochdütsch? Fritz Sahlmann, hochdütsch? Wat hett de Slüngel hochdütsch tau reden? Wat säd hei denn?« – »Hei säd: Rettung naht.« – »So? Un nahsten kamm de Ratsherr?« – »Ja, Herr Amtshauptmann, un ick fohrt em mit den Bessen in dat Gesicht; äwer ick kunn dor ok nich för.« – »Dies ist doch eine besondere Sache!« säd de oll Herr un gung up un dal un fot sick unner dat Kinn un kek up den Bodden un kek an den Bähn. Endlich stunn hei still un säd: »Neiting, de Sak is mi klor, dat olle Worm, de Westphalen, hett dat mit 'ne Angst kregen, un de Ratsherr hett sick dorinne mengeliert un hett jichtens wat Verdreihtes anstifft. Du sallst seihn, sei hett sick versteken.« – »Denn lat sei, Wewer.« – »Dat geiht nich, Neiting, sei möt tau Städ', denn sei möt Tügnis afleggen för den Uhrkenmaker un för den Möller; dat[100] kann de beiden süs an den Kragen gahn. – Wenn ick blot wüßt, wo de Slüngel, de Fritz Sahlmann, is, de weit üm den ganzen Umstand. – Un du weitst nich, wo hei is, Fik?« – »Ne, Herr.« – »Na, denn kannst du gahn.«

As sick Fik ümdreihen ded, föllen ehr Ogen up dat Eckfinster; äwer wil dat ehr Ogen sihr hell un wacht wiren, föllen sei ok dörch dat Finster un segen, wat wid achter passieren ded. Sei dreihte sick fix wedder üm un säd: »Herr Amtshauptmann, nu weit ick, wo hei is.« – »Na, wo denn?« – »Seihn S', dor sitt 'e.« – »Wo?« frog de oll Herr un läd sin Vörspann von Lorjett an de Ogen un kek allenthalben hen, blot nicht dorhen, wo Fritz Sahlmann satt. – »Dor, Herr Amtshauptmann, dor in unsen ollen Kantappelbom, de an de Eck von de Käk steiht.« – »Wohrhaftig! ja! – Dies ist doch eine besondere Sache! Neiting, in'n Winter! Wenn dat in'n Harwst wir, wenn Appel up den Bom sünd; äwer Neiting, in'n Winter!« – »Oh, Wewer«, säd sin leiwe Fru, »hei äuwt sick woll man dorup.« – »Fik Besserdichs, du hest klore Ogen, wat deiht hei dor?« frog de oll Herr un schow mit de Lorjett vör de Ogen hen un her. – »Je, Herr, en langen Staken hett hei dor; äwer wat hei dormit bezwecken deiht, dat's minen Ogen verborgen. Hei handtiert dormit gegen de Rökerbähnluk.« – »Neiting, gegen unsern Rökerbähn! Wat mag hei dor handtieren, Neiting?« – »Ick weit't nich, Wewer; äwer wunnern sall mi dat nich, wenn morgen wedder Wust fehlen.« – »Süh mal! süh mal! – Ih, dit wir nett! – Dat is jo en prächtigen Bom för minen Fritz Sahlmann! 's Sommers Appel, un 's Winters Wust!« Dormit makt hei dat Finster up un röp: »Fritz Sahlmann! Fritz! Kumm dor runne, min Sähn, du künnst di dor in den Regen verküllen.«

Dat sall en Dirt gewen, wat sei 'n Fuldirt nennen, dat brukt säben Dag', bet dat in den Bom rinne kümmt, un säben Dag', bet dat wedder runne kümmt. Na, vull so lang' brukte Fritz Sahlmann nu nich, as hei ut den Appelbom kamm; äwer 't was doch lang' naug, un von wegen sine Büxen kletterte hei woll nich so bedächtig, un as hei unnen was, dunn was dat[101] ogenschinlich, dat hei in en starkes Bedenken stunn, ob hei kamen oder dörchbrennen süll. Äwer Fritz Sahlmann was en frames Kind, hei kamm; blot männigmal höll hei sick en beten up. – »Fik, wat makt hei dor achter den Stickelbeerenbusch?« frog de oll Herr. – »Je, Herr, hei hett dor jo woll wat achter smeten.« – »So? Das ist denn eine andere Sache. – Na, Fritz, kumm man dörch de Käkendör rinne! Un du, Fik, gah hen un paß mi up, dat hei nich dörch de Vördör wedder schappiert.« – Fik gung, un Fritz kamm, langsam as de düre Tid; äwer hei kamm. »Fritz Sahlmann, min Sähn, so vel Insichten möst du all hewwen, dat dat nich gaud för de Gesundheit is, bi Regenweder buten tau sitten, nimm di nah dissen en Regenschirm mit, wenn du buten sitten willst; un so vel Insichten möst du ok all hewwen, dat dat nich gaud för de Hosen is, bi Regenweder in en Bom tau stigen, säuk di nah dissen 'ne dröge Johrstid dortau ut. Nu segg mi mal: wat dedst du in den Bom?« – »Oh, Herr Amtshauptmann, doch man so.« – »Hm«, säd de oll Herr, »de Grund lett sick hüren. Äwer wat ick eigentlich fragen wull: Hest du nicks von Mamsell Westphalen seihn?«

Fritz Sahlmann, de sick 'ne ganz anner Frag' vermauden was, lewte ogenschinlich wedder up un säd ganz kregel: »Ne, Herr Amtshauptmann.« – »Ja, min Sähn, worüm sallst du ok von 'ne Sak wat weiten, wovon keiner wat weit. Nu dauh mi äwer mal den Gefallen un kik mi mal grad in de Ogen.« – Fritz Sahlmann ded em den Gefallen; äwer sin Blick was en falschen Gröschen, un de oll Herr müggt em woll nich för vull annemen willen, denn hei säd: »Fritz Sahlmann, hir is en Metz, gah mal nah den Goren un snid mi mal ut de Hasseln – du weitst jo, wo sei stahn – so'n lütten Stock, so as en – as en – na, as din Mittelfinger dick, un denn, min Sähn, hest du achter den Stickelbeerenbusch in den Goren wat verluren, raup di Fik Besserdichs, de sall di säuken helpen, dat du doch wedder tau dat Dinige kümmst. – Äwer hürst du, Fik Besserdich sall mit.«

Fritz Sahlmann sach nu also unner sihr bedrängten Umstän'n[102] in 'ne trurige Taukunft; hei bugte äwer up twei Ding', worup de Minschen meistendeils in ehr Verlegenheit bugen, nämlich irstens up den Himmel, dat de noch tau rechter Tid den ollen Herrn tau sinen Vörnemen en Stein in den Weg smiten würd, un denn tweitens up sine früheren Erfohrungen in so'ne Verlegenheiten; un uterdem hadd hei noch 'ne Hülp in de Not, von de de gewöhnlichen Minschen nicks weiten, nämlich so'n lütt Aktenbund, wat hei sick in bedenklichen Fällen unner de West tau knöpen plegte; dit verget hei denn nu hüt ok nich. Hei gung nu also tämlich beruhigt in den Goren, in de stille Hoffnung, Fik, de mit em gung, würd den richtigen Stickelbeerenbusch verfehlen; äwer as hei grad beschäftigt was, de passende Gadung von Hasselrauden uttausäuken, sach hei mit inwendigen Grugel, dat de Dirn grad up den richtigen Busch losgung un dor wat upnamm, wat em in de Firn vele Ähnlichkeit mit 'ne Wust tau hewwen schinte. Hei müßt sick also anners tau helpen säuken, hei sned also för't irst en por unmerkliche Karben in de Hasselraud, wat denn grad nich sihr tau ehre Holtborkeit bidrog, un denn versöchte hei Fik den Fund aftausnacken. Dit gelung em äwer nich, denn Fik hadd kein Lust, en tweit Examen vör den Herrn Amtshauptmann tau bestahn, un denn föll ehr in, dat dat mägliche Wis' Fritz Sahlmann west wir, de ehr vör'n Dagener acht 'ne Hand vull kortsneden Swinsbösten in't Bedd streut hadd. So kamm denn nu Fritz Sahlmann mit den Stock un Fik mit 'ne lütte nüdliche Mettwust wedder vör den Herrn Amtshauptmann.

»Fik«, säd de Herr Amtshauptmann un namm ehr de Wust af, »du kannst nu gahn, min Dochter. – Neiting«, säd hei tau sine leiwe Fru un höll ehr de Wust vör de Ogen, »dit nennen wi en corpus delicti.« – »'t is mäglich, Wewer, dat sei up Latinsch so heit, wi seggen dor Mettwust tau.« – »Schön, Neiting! Segg mal, kannst du dat behaupten, dat dat ein von uns' Mettwüst is?« – »Ja, Wewer, ick kenn sei an den Band.« – »Fritz Sahlmann, wo büst du tau de Mettwust kamen?« – Dit was nu för Fritzen eine ganz entfahmte Frag' von den[103] Herrn Amtshauptmann; de Himmel läd sick ogenschinlich nich in't Middel; sine Erfohrungen leten em in Stich, de Herr Amtshauptmann stunn vör em, in de ein Hand de Wust, in de anner den Stock, un de Stock was knapp twei Faut von sinen Puckel af, hei was also vüllig up dat lütt Aktenbund anwist, un dat was ok man so so; de Herr Amtshauptmann hadd't all mal an't Klappen markt. Hei gaww sick also verluren, fung an tau rohren un säd: »Ick heww sei gewen kregen.« – »Dat lüggst du!« fohrt de Fru Amtshauptmannen up, »du hest sei mit den Staken von den Rökerbähn halt.« – »Neiting, ruhig! Keine Suggestivfragen! – Fritz, wer hett di de Wust gewen?« – »Mamsell Westphalen.« – »Fritz, wo?« – »As ick in den Bom satt.« – »Satt sei dor bi di?« – »Ne, sei satt up den Rökerbähn, un dunn hett sei mi de Wust up den Staken steken, dor hadd ick en Nagel inslagen.« – »Du hest mi doch eben seggt, du wüßt nich, wo Mamsell Westphalen wir. Fritz Sahlmann, du hest also lagen.« – »Herr Amtshauptmann, Herr Amtshauptmann! Slagen S' mi nich! Ick kann dor jo nich för. Ick un Ratsherr Hers' hewwen uns verswuren, un ick heww em heilig verspreken müßt, keinen Minschen, ok Sei nich, tau seggen, wo Mamsell Westphalen wir.« – »Steihst du bi den Herrn Ratsherrn in Lohn un Brod oder bi mi? Du hest lagen, Fritz, un wenn du lüggst, denn krigst du Släg', so steiht dat in unsen Kuntrakt.« Un dormit kreg de Herr Amtshauptmann Fritzen in den Kragen un böhrt den Stock tau Höcht, un wenn de Himmel noch in't Middel treden wull, denn was't nu de allerhöchste Tid, un – de Himmel ded't.

Buten würd ankloppt, un herin kamm de Stadtdeiner Luth: »Empfehlung von den Herrn Burmeister, un de Sak stünn heil leg för den Uhrkenmaker un den Möller, un de Herr Amtshauptmann müggt doch so gefällig sin un so drad runner kamen; vör allen äwer Mamsell Westphalen mitbringen, denn ehr Tügnis wir hauptsächlich von Wichtigkeit.« – »Ick kam glik, min leiw' Luth. – Neiting, de Sak is pressant. Fritz Sahlmann, hal mi minen Rock, un du, Neiting, gah nah dat oll Unglücksworm up den Rökerbähn un hal sei runner.« –[104] Wo fix bröcht Fritz Sahlmann den Rock! Wo hild hadd hei't, den Herrn Amtshauptmann ut de Ogen tau kamen! »Fru Amtshauptmannen, ick möt mit, allein för Sei makt sei nich up, un eigentlich sitt sei gor nich up den Rökerbähn, sei sitt dor achter up en Flag, wat ick allein weit.« So lep hei denn vörup, un de Fru Amtshauptmann folgte em, äwer sachten.

Fritz kloppte an de Dör: »Mamselling, maken S' up, ick bün't!« – Kein Antwurt. – »Mamselling, wohl, wohl! Sur Swinfleisch!« – Kein Antwurt. – »Mamselling, de Franzosen sünd weg!« – Dunn let sick wat hüren, un 'ne bedräuwte Stimm let sick vernemen: »Fritz Sahlmann, du büst en Lägner dines Namens. – Führ mi nich in Versäukung!« – Mitdewil rep nu ok de Fru Amtshauptmannen: »Westphalen, maken Sei up! Ick bün dat, de Fru.« – »Ick kann mi nich vör Sei seihn laten«, rep de Stimm, »ick bün 'ne Sünnerin, 'ne arge Sünnerin!« – »Maken Sei man up, dat kümmt all wedder tau Schick.«

Nah langen Prekademen makte Mamsell Westphalen denn endlich up un stunn nu dor, rod in't Gesicht un de hellen Tranen lepen ehr de Backen dal. Äwer dat weit bet up den hütigen Dag noch keiner: was dat von Rührung, oder was dat von Rok; genaug, de Tranen lepen, un wenn dat bi 'ne korpulente, öllerhafte Jungfru statuwiert warden kann, so müggt ick seggen, sei stunn dor as en »knicktes Ruhr«. – »Fru Amtshauptmannen«, säd sei, »ick kann Sei nich unner de Ogen gahn, ick bün deip sunken; äwer twintig Johr bün ick in Ehren gesegenten Hus', un mindag' nich heww ick Sei dat Swarte unner den Nagel entfirnt, eine böse Stun'n hett dat anners makt: ick heww mi an dat Ehrige vergrepen.« – »Ih, Westphalen, laten Sei dat doch! Kamen Sei man mit runner!« – »Keinen Schritt, Fru Amtshauptmannen! Irst en umständlich Bekenntnis! – Seihn S', Sei weiten, ick bün up de Flucht; Ratsherr Hers' hett mi flüchten hulpen un dese Slüngel, dese Fritz Sahlmann. Un nu sitt ick hir in Waddik un Weihdag' un denk an Herrn Droin sin Schicksal un an all dat anner un[105] denk, dese Slüngel, de Fritz Sahlmann, sall mi Nahricht bringen, wo de Sak steiht, dunn hür ick buten vör de Luk wat hausten, un dunn röppt dat minen Namen, un as ick mi ranne slik an de Luk un rute seih, dunn denk ick doch, mi rührt de Slag; denn denken S' sick, Fru Amtshauptmannen, dat Unglückskind is in den Kantappelbom stegen un is den langen Telgen entlang rutscht un swewt as 'ne Kreih äwer den Afgrund. ›Jung'‹, segg ick, ›Fritz Sahlmann, willst du woll ut den Bom!‹ Dunn grint de Jung' mi an. ›Jung'‹, raup ick, ›ick kann dat nich vör dinen Vader verantworten, di in so'ne Gefohr tau seihn.‹ Seihn S', Fru Amtshauptmannen, dunn lacht de Jung' lud up un säd: ›Ick wull Sei blot Nahricht bringen: de Uhrkenmaker ward uphängt, un Ratsherr Hersen hewwen de Franzosen kregen, de liggt in Keden; un en ganzes Batteljohn is utschickt, Sei tau säuken.‹ Fru Amtshauptmannen, dat was keine tröstliche Nahricht, un min Angst was grot; äwer ick kann mi dat Tügnis gewen, min Angst üm den Jungen was gröter. ›Jung'‹, rep ick, ›stig ut den Bom!‹ Seihn S', dunn grint hei mi an as en Ap up en Kameel un säd: ›Ja, wenn S' mi 'ne Wust gewen‹, un dormit fung hei an, allerhand Hanswustenstreich tau maken, un hüppt up den Telgen rüm as en Karninken in'n Kohlgoren, dat mi gräun un gel vör de Ogen würd. Dunn, Fru Amtshauptmannen, dunn dacht ick, wat is 'ne Mettwust? Un wat is en Minschenlewen? Un in mine Angst vergrep ick mi an Ehr Eigendauhm, hei höll den Staken rin, un ick stek em de Wust up. Dunn kreg hei Raup von den Herrn Amtshauptmann, un as hei run steg, röp hei mi sachten tau, hei hadd mi wat inbildt, dat wir all nich wohr. Dorüm segg ick, hei is en Lägner, Fru Amtshauptmannen, un dorbi bliw ick.« – »Laten S' man, Westphalen, hei hett bi minen Mann ok noch en Schinken in't Solt; hei ward sinen Richter nich entgahn.«

Mit Mäuh kreg de Fru Amtshauptmannen de olle Dam von den Bähn heraf, un as sei unnen ankemen, gung de Herr Amtshauptmann mit sinen staatschen Schritt in vullen Antog up un dal un täuwte all. En swor Stück was dat nu, Mamsell[106] Westphalen tau bewegen, mit den ollen Herrn nah't Rathus daltaugahn – »in den apnen Löwenrachen«, säd sei. Sei wull liden, wat sei in ehren Unverstand verdeint hadd, obschonst dat in Gaudheit un in Ihren gescheihn wir; äwer vör all dat frömde Mannsvolk tau stahn un sick von wegen Herr Droin tau deffendieren, dat wir äwer ehre Kräften as ordentliches Frugensminsch, un wenn de Herr Amtshauptmann doch dorup bestünn, so müßten Fik un Korlin ok mit, denn de müßten ehr wedder betügen, dat sei de Nacht bi ehr slapen hadd.

In desen Punkt müßt de Herr Amtshauptmann denn nahgewen, un as Mamsell Westphalen in ehr Stuw' gahn was, sick in Geswindigkeit en Dauk un 'ne Kapp tau halen, gung de oll Herr mit groten Schritten in Gedanken up un dal un fuchtelt mit sinen Jenenser Ziegenhainer in de Luft, denn ahn desen gung hei sindag' nich ut, un säd endlich: »Neiting, sei hett recht; de Dirns känen uns nich schaden. Äwer, Neiting«, un hir snüffelte hei so'n beten in de Luft rümmer, »dit rückt hir jo nah Spikaal; is oll Neils ut Gülzow mit sin Aal hir west?« – »Wat redst du, Wewer? Dat is jo von ehr, sei hett jo äwer 'ne Stun'n up den Rökerbähn seten.« – »Das ist denn eine andere Sache!« säd de oll Herr, un sin Fru müßt de beiden Dirns raupen. As Mamsell Westphalen kamen was, was de Tog tausam un gung af, nahdem de Mamsell von de Fru Amtshauptmannen en Afschid up Lewen un Dod namen hadd. Keiner sprök en Wurd, blot as sei an dat Sloßdur kemen, bögt sick Mamsell Westphalen taurügg un säd: »Fik, wenn wi up den Mark kamen, denn lop räwer nah den Herrn Dokter Lukow, hei süll sick infinnen in minen Unglück, mi künn wat Minschliches passieren, denn mi künnen de Ahnmachten antreden.«

Quelle:
Fritz Reuter: Gesammelte Werke und Briefe, Band 4, Rostock 1967, S. 98-107.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Olle Kamellen
Olle Kamellen III; UT Mine Stromtid Erster Theil
Olle Kamellen. De meckelnbörgschen Montecchi un Capuletti oder De Reeis' nah Konstantinopel.: Hoch- und Niederdeitsche Ausgabe. Auf einem Blick
Olle Kamellen: III -V. Ut Mine Stromtid (German Edition)
Sämmtliche Werke: Bd. Schurr-Murr. Eine Heirathsgeschichte. Olle Kamellen Iii: Ut Mine Stromtid, 1. Theil (German Edition)
Sämmtliche Werke: Bd. Hanne Nüte. Olle Kamellen Ii: Ut Mine Festungstid. Gedichte (German Edition)

Buchempfehlung

Stifter, Adalbert

Die Narrenburg

Die Narrenburg

Der junge Naturforscher Heinrich stößt beim Sammeln von Steinen und Pflanzen auf eine verlassene Burg, die in der Gegend als Narrenburg bekannt ist, weil das zuletzt dort ansässige Geschlecht derer von Scharnast sich im Zank getrennt und die Burg aufgegeben hat. Heinrich verliebt sich in Anna, die Tochter seines Wirtes und findet Gefallen an der Gegend.

82 Seiten, 6.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Sturm und Drang II. Sechs weitere Erzählungen

Geschichten aus dem Sturm und Drang II. Sechs weitere Erzählungen

Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Für den zweiten Band hat Michael Holzinger sechs weitere bewegende Erzählungen des Sturm und Drang ausgewählt.

424 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon