Kapittel 11

[390] Dat Graf H. sick dat entsäd, un dat de Gaus en snurrigen Vagel is. De Kapteihn trett up; nich blot in dese Geschicht, ne! hei trett för uns all up un fecht't en nigen, vörnemen Titel för uns dörch. Worüm min olle brave Kapteihn in sinen dodigen Friwilligenbort rinne weint un sick mit mi versetten let, un wat sin olle grise Fründ dormit tau dauhn hett.


De Bericht von unsere Lag' un unsern Gesundheitszustand was denn nu an de hohe Ministerialkummischon in Berlin inschickt, un obschonst de drei Herrn, de in dese Anstalt ehr Wesen bedrewen, de hartste Tucht för uns noch för 'ne Gnad höllen, so müggt bi ehr doch woll in 'ne gaude Stun'n, wo de ein von ehr an slimm Ogen, de anner an 'ne Bostbeklemmung un de drüdde an kolle Fäut led, de Gedank upstigen, dat sick ahn Licht un Luft un Warmnis man hellschen gadlich lewen lett, ok müggten sei bedenken, dat so'n laues, flaues un fläumiges Flußwater lang' nich so taudräglich för de Gesundheit is as dat Gedränk, womit sei sick in ehren Geschäften stärken deden:


Der Herr Minister Regiment

Soll beim Burgunder sein.


Genaug, sei besloten, uns annerswo intaumeiden. Ick glöw äwer, dor wir ok noch lang' nicks ut worden, wenn sick nich noch en annern Ümstand begewen hadd: de irste Kummandant, General Graf H., sturw nämlich üm dese Tid, un mit em würd en gaud Deil Haß gegen uns begrawen. De tweite Kummandant, Oberst B., folgte sine Lik, verküllte sick dägern dorbi, un drei Dag' drup folgte hei sinen Vörgesetzten up den sülwigen Weg. Vörher äwer, up sinen Dodenbedd, hadd hei den Platzmajur tau sick raupen laten un hadd em dat up de Seel bunnen, dat hei, de Platzmajur, dat utführen süll, wotau hei sülwen kein Tid mihr hadd. Hei süll an de Herren in Berlin schriwen, dat, wenn nich bald 'ne Ännerung mit uns vörgüng, wi alltausamen vör de Hun'n gahn müßten. Dat geschach denn nu ok, un dat Minister-Regiment müggt[391] jo denn nu woll bedenken, dat wi doch eigentlich ok Minschen wiren, wenn ok man swart-rod-goldene; de Herrn makten denn nu also ok allmähliche Anstalten.

Dat tägerte sick äwer hellschen hen; denn so wat darw jo doch nich äwerilt warden, un so kamm dat denn, dat de interimistische Kummandant, de Generalleutnant v. Th. I., de dat Armeekur kommandieren ded, noch vullup Tid behöll, unsere Bekanntschaft tau maken. De Mann kamm sülwst tau uns – sel. Graf. H. is seindag' nich mit keinen Faut bi uns west, hei hett seindag' nich de Kurage hatt, dat Elend antauseihn, wat sine Gesinnungen »mit Gott, för König un Vaderland« anstift hewwen. – Dese Mann kamm also tau uns, un wil dat Gr. un ick dicht an de Trepp seten, wiren wi de irsten, bi de hei vörsprak, hei frog nah allens: wo wi uns befünnen, wo uns tau Maud' wir, woans wi hollen un behandelt würden, un up all dese Fragen kreg hei ein un de sülwige Antwurd: »niderträchtig!« Un as de Tappen man irst ut de Tunn treckt was, dunn pruste dat ok bi uns schön herute, un all de Gift un Gall, de de sel. Graf in uns upspikert hadd, de kamm taum Vörschin. Hei säd nich vel; äwer as wi dorup kemen, dat wi nich mal in den Gottsdeinst gahn dürften, dunn rögte sick wat bi em, un hei säd: dat süll wi, un dat wull hei up sine Kapp nemen; dat anner müßt äwer so bliwen, bet en nigen Kummandanten instellt wir. Sei säden dunnmals, hei hürte unner de Framen, un wenn hei de Minschlichkeit in unsere Behandlung achter de Frömmigkeit stellte, so will ick den Mann dorüm nich verachten, denn för uns was hei beter as de sel. Graf, wat en Weltküken was un »die Güter dieser Welt« woll tau taxieren verstunn, indem dat hei des Morgens taum Frühstück en ganzen Gaus'braden upet un denn tau sine leiwe Fru säd: »Mein liebes Kind, eine Gans ist doch ein sonderbarer Vogel, ißt man eine zum Frühstück, so wird man nicht satt, ißt man zwei, so verdirbt man sich das Mittagsbrot.« – So vertellten sei sick wenigstens.

Den Dag dorup kregen wi von den Herrn Generalleutnant jeder en Gesangbauk un, wat beter was, einen Besäuk von[392] den Divisionspaster L. Dit was en annern Mann as de Preister, de uns 'ne Homilie up den Waschbähn lesen wull un kein Tid hadd; dese Mann hadd Tid för uns un set'te dat dörch, dat wi in de Kirch kemen; frilich blot einmal un in de Gesellschaft von vele Schandoren, äwer dit einmal was beter as süs hunnertmal, un sine Red' klingt mi noch in mine Uhren, un ick will hoffen, dat sei mi bet an min End in'n Harten klingen ward.

Ick hadd nu all so ungefihr en Johr in dese Spitzbaubenanstalt von Inquisitoriat seten, un dat beten Lewenslust, wat sick noch hen un wenn in dat tausamschräute Mark von de Knaken vörfinnen ded, kunn nich mihr dörch den Jammerkram taum Vörschin kamen, as eines Abends in den Februwori 1838, wo de Snei vör beiden Dören lagg un dat buten Stein un Bein frür, de Platzmajur bi uns vörsprak un Lock bi Lock frog, wat sick nich weck von uns dortau verstahn wullen, sick den annern Morgen Klock vir up den Wagen tau setten un in Nacht un Küll nah 'ne anner Festung aftaureisen. – Wohen säd hei nich, dürwt hei ok nich seggen. – Keiner wull. – De meisten wiren krank, de annern hadden bi so'ne Küll nich recht wat von Tüg up den Liw', un ut all de Wolldahten, de uns de Herrn Ministers taudacht hadden, wir nicks worden, wenn mi de Snider nich dunn an den lustigen Dag 'ne nige Mantel anmeten hadd. Ick äwerläd mi de Sak; en rechten warmen »Scheper-wohr-di« hadd ick, mit mine Gesundheitsümstän'n gung dat passabel, un im äwrigen dacht ick: wat kann dor Grots nah kamen? En Ossen un en Fäuder Heu möt einer ut den Weg' gahn. Du büst nu all up vir, fiw Fläg' west, ball up en gaudes, ball up en slichtes, un't is jo mäglich, dat't ümschichtig geiht, un slimmer as hir kann't jo nich kamen. Ick säd also tau den Platzmajur, ick för min Part wir parat, un hei meinte jo, wenn wi man noch einen dortau hadden, denn künn de Reis' losgahn, un dese eine funn sick denn ok. – Min oll Fründ, de Kapteihn, dacht ebenso as ick, un denn hadd hei ok 'ne Mantel un tworsten ein mit säben Stockwark ümmer ein äwer't anner; sei sach man gris[393] ut, un ok dese Farw wir all en beten verschaten, äwer jedwerein kunn't ehr anseihn, dat sei unner 'ne unschinliche Butensid en wolldähtig Gemäud hadd un dat sei in ehren langen Lewen an ehre velen Herrn vel Schutz un vel Warmnis veraffolgt hadd. Up dese olle Fründin verlet sick de Kapteihn, un den annern Morgen Klock vir seten wi tausam up den Wagen un führten mit twei Schandoren in den kollen Wintermorgen herin. Wohen? Dat wüßt blot de leiw' Gott un de allmächtige Ministerialkummischon.

Heww ick nu eben de Mantel beschrewen, denn möt ick doch ok woll en por Würd' von den Kirl seggen, de dorinne satt. – De Kapteihn – eigentlich heit hei anners – verdeinte sinen Namen mit Recht, un wat sin militärisches Utseihn anbedrapen ded, so hadd hei eigentlich »Oberst« näumt warden müßt, blot dat hei bi de slichte Kost, de wi kregen, sick nich de paßliche Vülligkeit von so'n Regimentskummandür up de Ribben schaffen kunn. Hei was man hellschen drög; äwer schadt em nich, sülwst bi dese wenigen Mittel wüßte hei dat Militörische, wat in em satt, so herute tau kihren, dat de Schildwachen, wenn hei in sinen grisen Mantäg un 'ne olle Soldatenmütz spazieren gung, ümmer nich recht wüßten, süllen sei't Gewehr antrecken oder nich. Sei hadden't dahn, sei hadden't, der Deuwel hal! dahn, wenn hei sinen gelen Snurrbort noch hatt hadd, de em in gauden Tiden, as hei tau Hall as Füselier sin Johr afdeinte, unner de Näs' dal hung; äwer den hadd em de sel General Graf H. afscheren laten, nich up Staatskosten, ne! up sine eigenen, grad as uns äwrigen all. Denn de sel. Graf dachte so: kannst du de entfamten Bengels nich an Kopp un Kragen kamen, sallst du taum wenigsten mit den Bort vörleiw nemen, un so was denn nu tau de annern Schererien ok noch de Bortschereri kamen; äwer man tweimal up de Woch, weswegen wi fiw Dag' up de Woch as de Stachelswin herümlopen müßten. Keiner von uns argerte sick äwer dese Schurigeli düller as min Kapteihn, wi annern verlüren man blot en beten unbedüdendes Studentenbortwarks un müßten allerdings dortau noch de Kosten dragen; äwer[394] hei verlür einen vullstännig in einjöhrigen Freiwilligendeinst utgebildeten Militörbort, un dat will en ganz Stück mihr beseggen. Hei smet also tau sinen natürlichen Gefangen-Haß noch en separaten Militör-Haß up den General un säd, achtteihnhunnertdrütteihn hadden vele Lüd' in de Grabens rümmer seten, un wat hei noch süs wider för unbedachtsame Anspelungen vörbröchte. Un as hei mal en Breiw von de Kummandantur kreg mit de Upschrift: »An den Demagogen Sch.«, dunn kreg hei den Ossen bi't Hürn tau faten un schrew an den Herrn Kummandanten: hei verbed sick dat; »Demagog'« wir en Schimpwurd, un dat wull hei nich för sin Vull hewwen. Un de General schrew em wedder, hei wir en Demagog', un hei würd em ümmer so nennen; un de Kapteihn antwurt em wedder: hei wir kein Demagog'; un de General schrew taurügg: hei wir doch en Demagog', un so schrewen sei sick 'ne Hand vull Breiw' mit allerlei Andüdungen un Upklärungen, de Kapteihn noch uterdem mit Spitzen, un de General mit Growheiten, bet des' tauletzt sick de ganze Schriweri verbed. Dunn gung min oll gaud Kapteihn an sinen Kuffert un halt en tausamgewickeltes Poppier herute un läd dat up den Disch un set't sick dorvör un folgt dat utenanner un kek lang' dat an, wat dorinne wickelt was, bet de hellen Tranen em in de Ogen stunnen un herinne föllen in den Bort, denn sin Friwilligen-Militör-Bort was in dat Poppier wickelt un lagg vör em up den Disch, un hei hadd trotz sine Kriegsdeinsten en hellisch rührsam Hart behollen. Un ut de Rührsamkeit äwer den Verlust von den horigen Fründ, den hei in betern Tiden, wenn ok nich an't Hart, doch unner de Näs' dragen hadd, kamm hei in helle Wut äwer de Nidertracht, de em irst in Schaden von wegen den Bort un dunn in Schimp von wegen den Demagogen bröcht hadd, un hei swur en sworen Eid, hei wull jede Gelegenheit benutzen un all sine Kraft tausam nemen, dat hei mitdewil wedder wat unner de Näs' un de Herr General wat in de Näs' kreg. Dat Irste gung nu nich so up en Slump, so'n Bort wull Tid hewwen tau wassen, vörnemlich up so'n jung Rad'land, un wenn hei ok mal einen[395] Balbierdag 'ne lütte Schonung glücklich dörchbröcht, dat negste Mal müßt sei doch wedder reglementsmäßig fallen, un hei kunn nich dorför sorgen, dat sin Näs' wedder unnerwarts mit militörische Ihren ümgewen würd, hei müßt sick mit den tweiten Deil von sinen Swur begnäugen, nemlich dat den Herrn General sine Näs' ehr Recht geschach. Hei set'te sick also hen un schrew en dicken Breiw an dat Kammergericht un schickte sinen ganzen schriftlichen Schormützel mit den Herrn General mit in un verlangte stats »Demagog'« den Titel, de em von Rechts wegen taukamm. Richtig! hei set'te dat dörch, den Herrn General würd von babenwarts 'ne lütte nüdliche Pris' in de Näs' rewen, un min gaud Kapteihn kamm dat negste Mal up den Hof sprungen un höll in grote Freuden en Breiw von den Herrn General in de Höcht, worin de em schrew, von jitzt an würd hei sine Breiw' nich mihr an den »Herrn Demagogen Sch.« adressieren, sünnern an den »Herrn politischen Verbrecher Sch.«, wat ogenschinlich en groten Unnerscheid is, denn en politischen Verbreker is vel mihr as en gewöhnlichen Demagog'. – De Kapteihn hadd't dörchset't, nich allein för sick, ne, ok för uns, un wi freuten uns denn sihr tau desen langen Titel un bedankten uns bi den Kapteihn un höllen en langen Rat, wat wi nich dorüm inkamen wullen, dat sei uns ok noch den Titel »geheime politische Verbrecher« verstatten wullen, wil dat wi doch nu ok all Johre lang in't Geheime seten; dor würd äwer nicks mihr ut, denn de Herr General sturw glik nahher.

Dit hadd de Kapteihn richtig dörchset't, äwer sinen Militörbort set'te hei nich dörch, un dit was eigentlich de Grund, weswegen hei sick versetzen let. Dat Klima in M. säd sine Bortkonstitution nich tau.

Ut dese lütte Vertellung kann einer ungefihr utnemen, wat för 'ne Ort Minsch min oll Kapteihn eigentlich was. Von butwennig was hei en statschen Kirl mit gele Hor un en gelen Snurrbort – dat heit jitzt noch nich, ihrst nahsten – vull militörische Anstalten un in 'ne grise Mantel mit säben Kragen; äwer man mager; von binnen was hei en braven Mann, vull[396] Ihr un vull Redlichkeit, mit en gor tau sihr rührsam Hart un mit 'ne Inbillung behaft, de ümmer up jensid von de Festungswäll spazieren gung un dor »die Eine« söchte, de hei sick för't Lewen tauleggen wull, ball was't 'ne Blonde, ball was't 'ne Brune, ball was't 'ne Swarte, sülwst de Roden let hei nich. – Na, wi warden't jo ball seihn.

Quelle:
Fritz Reuter: Gesammelte Werke und Briefe, Band 4, Rostock 1967, S. 390-397.
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