Das XIX. capitel.

Eins bauren und haselwurms uneinigkeit, von der welt höchsten dank.


"Und diesen raub der bergemsen,

Des goldkefer und andrer bremsen[147]

Die aller erschrecklichste war

Meins leibes und lebens gefar,

Dazu mich die hünersucht bracht,

Und das undank mich klüger macht.

Denn als ich auf einen mittag

Sicher im külen schatten lag,

Hört zu, wie die waldvogel sungen

Und ihre stimmen zusammenklungen,

Trat zu mir an ein alter baur,

Und der listige giftige laur,

Der haselwurm, und schlich daher,

Als wenns ein großer meraal wer,

Mit einem harten spitzen schnabel,

Mit hechtszeen und giftzungen gabel,

Oben falschwarz, unten gelbleich,

Sahe dem leibhaften teufel gleich;

Baten, ich wolt mich nicht beschweren,

Hören wie sie ihre sach erkleren,

Und denn ihre unrichtigkeit

Scheiden nach recht und billigkeit. –

Und als ich dis so ließ geschehen,

Blieben sie beide gegen mir stehen,

Und der baur sprach: Mein widerpart,

Die schlang, lag vor gefangen hart

Im holen fels, darein sie kroch,

Und deckt ein großer stein das loch,

Den ein bot hat gewalzet für,

Als sie vor ihm kroch in die tür.

Da sie nun drei tage da gerast,

Getraurt, gedürstet und gefast,

Da sie die zung kaum regen kunt,

So heiß und dürr war ihr der mund,

Und ich die straß fürübergieng,

Herzlich zu klagen sie anfieng

Von ihrem durst und todesnot:[148]

Ich wolt mich erbarmen durch got

Und erretten ihr armes leben,

Den höchsten lon wolt sie mir geben,

So die ganze welt jeder frist

Dem geb, dem sie dank schuldig ist.

Und schwur ein teuren eid dabei,

Das ihr wort nicht erlogen sei.

Ich armer man wolt dank erjagen,

Walzt den stein ab on weiter fragen

Und fordert den verdienten sold,

Den sie mir also geben wolt,

Das sie mich tödt und auf mir seß,

Mein herz für leckerbißlein eß. –

Als ich das nicht kont recht erkennen

Und solt ein andern richter nennen,

Kamen wir zu eim magern hund,

Der für alter kaum kriechen kunt,

Saß voller flö und voller fliegen,

Den funden wir am wege liegen.

Als er anhört unser zweispalt,

Sprach: Mit der schlangen ich es halt,

Denn dafür das ich mutig war,

Für meine herrn wagt all gefar,

War ihr beistand in allen sachen,

Half ihnen streiten, jagen, wachen,

Werd ich im alter gar verlassen,

Muß hunger sterben auf der straßen. –

Den bericht schalt ich für unwar,

Weil sein herr nicht zugegen war.

Der scherfst essig vom besten wein,

Der gröst freund soll der gröst feind sein,

Wenn sie verderbt und böse werden:

So gehts auch mit der hund beschwerden;

Das alte hund oft selbst verschulden,

Das man sie nicht lenger muß dulden,

Wenn sie wüten und um sich beißen,

Mit ihrem gift ander beschmeißen,

Das auch der, den sie gar nicht wunden,[149]

Mit einer klau die haut nur schrunden,

Als het ihn ein dornheck gefetzt,

Ein schram ins angesicht gesetzt,

Sonst sich gesund und witzig spürt,

Nach vierzig tag erst rasend wird,

Die andern aber in neun tagen,

Das sie nur bellen und nichts sagen,

Beißen um sich, meinen dabei,

Das alle welt voll wasser sei,

Darin sie straks werden versaufen;

Im harn auch hündlein von ihm laufen.

Das meins wissens an keinem ort

Ein giftiger tier ist gehort. –

Das hab ich an mir selbst vor jaren

Und an meinem bruder erfaren.

Er war nur an eim bein gebissen,

Gedruckt, beseifrt, nicht durchgerissen;

Darum ward die gefar veracht,

Bis das erstlich nach vierzig nacht

Er anfieng, ins dunkel zu gehen,

Was naß war, wolt er nicht ansehen,

Schrie gar heischer: Der böse geist

Sitzt drein, der hund mich aber beist!

War rasend, fiel oft in onmacht,

Schlief nicht, sondern schwermt tag und nacht,

Bellt wie ein hund, wolt alle beißen,

Schlagen, zukratzen und zerreißen,

Bis er verdurst, verschmacht, verdarrt

Und, als rürt ihn der schlag, erstarrt.

Mich aber hat der hund verwundt,

Darum riet und hilf wer da kunt:

Dem schmied must ich die wunde weisen,

Der brant sie mit eim glüenden eisen,

Verband sie wider mit schifpech;

Der müllr stürzt mich ins wasser frech,

Ließ über mich zum dritten mal

Seiner ark vorrat fließen all;[150]

Des junghern fraue das meist aufwandt,

Krebs im kupfern kessel verbrant,

Stieß und siebet die aschen rein,

Pulvert auch enzian gar klein

Und schütt des nur halb so schwer dar

Als sonst der asch von krebsen war,

Davon must ich mit warmen wein

Al tag ein leffl voll trinken ein,

Bis vierzig tag waren vorbei:

So blieb ich, got lob, endlich frei,

Wie denn ander gleicher gestalt,

So das krebspulver trunken bald.

Mein bruder must für allzumalen

Leider elendiglich bezalen.

Dem viehe gaben sie silbr und rinden,

Die sich an den waldwurzeln finden;

Der wilden riechenden dornrosen,

Solt sie von der gefar erlösen;

Auch die nieswurz oder knoblauch,

Den sie mit essig rieben auch,

Mit honig mengte legten und schmierten,

Da es des hundes zen berürten;

Es must auch, wenns neuemontags war,

Durchs wasser gehn das ganze jar.

Man sagt: weil ihr noch gar seid jung,

Sitzt euch ein wurm unter der zung,

Den solt man euch zeitig ausschneiden,

So dürft ihr das wüten nicht leiden,

Oder die höchst senader ganz

Oben ausziehen aus dem schwanz;

Vielmer solt man euch gar erschlagen,

Denn warten bis ihr uns wolt plagen. –

Darnach funden wir ein alt pferd,

Das der hunger so hat verzert,

Das man alle knochen kont zelen,

Das solt für uns ein urteil fellen.

Das antwort auch: Die schlang hat recht,

Das bezeuget mein ganz geschlecht,[151]

Insonderheit ich armer held.

Ich ward für alle pferd erwelt

Und dem marstaller untergeben,

Der solt mich unterrichten eben,

Das ich lernt traben, wenden, stutzen,

Springen, laufen, die feinde trutzen,

Ja über schlagbeum, graben, mauren

Satzt ich hinüber ohne trauren,

Ueberlief auch all meine gesellen,

Kont im stechen roß und man fellen,

Ich war im krieg auch unverzagt,

Ob man gleich flog oder nachjagt,

Mein jungherrn wolt ich nicht verlassen,

Fürt ihn on schaden alle straßen

Wie Bucephal den Alexander,

Und mir nachgetan hat kein ander,

Der hofnung, wenn ich meine jugend

Anwendet auf erbeit und tugend,

Ich würd im alter er erjagen

Und mich neren mit guten tagen,

Mein jungherr würd des dienstes gedenken,

Zur dankbarkeit das futter schenken

Und sagn: es ist des futters wert,

Graurt war auch ehemals ein gut pferd.

Was soll man sagn, was soll man klagen?

Dankbarkeit ist lang totgeschlagen,

Niemand will von wolverdienst wissen,

Jedern muß ein klein fel verdrießen,

Ein laster wird so hoch gescholten,

Das keine tugend wird vergolten,

Weil bei dem selbst, der andre schilt,

Weder recht, er, noch tugend gilt.

Denn als die kugeln niderflossen,

Die mir in brust und hals geschossen,

Und die senen fiengen zu drücken,

Das ich mit einem fuß gieng rücken

Und zum rennen undienstlich ward,

Must ich nach der baurmeren art[152]

Mich schleppen mit pflug, eg und wagen,

Ward wenig gespeist, viel geschlagen,

Bis das der schirmeister auch klagt,

Ich wer ganz und gar abgejagt,

Dienet zu der erbeit nicht mer.

Da hoft ich noch mein lon und er;

Es ward mir aber so bezalt,

Das ich an dem markt feil gestallt

Und gekauft ward von einem Franken,

Der sol mir vor mein verdienst danken.

Der dankt mir auch, das got erbarm!

Es war winter, sommer, kalt, warm,

Regen, schne, hagel, tag oder nacht,

Das nam der Frank wenig in acht,

Er trieb mich in seim karren um

Uebr berg und tal, die quer und krum,

Und flucht nicht allein übraus greulich,

Sondern gotslesterlich abscheulich

Von seelen, teufeln, elementen,

Von leiden, wunden, sacramenten,

Sondern zerschlug mein schwaches heupt,

Das ich dutzig ward und beteubt,

Darzu an beiden augen blind,

All sterk und kraft zugleich verschwindt.

So ward ich rechtschaffen gelert,

Das wer sich mit huren ernert

Und mit karren im land umfert,

Dem sei mühe und unglück beschert.

Bis ich mit dem karren einmal

Uebr und über abstürzt ins tal,

Da er mein denn hat ganz vergessen

Und lest die wilden tier mich fressen,

Wo ich nicht noch vor hunger sterb.

Das ist nun alhie mein gewerb,

Und ist niemand, der nach mir fragt

Oder mitleiden mit mir trag,

On das Reinik den fliegen wert,

Das ich doch nicht von ihm begert,[153]

Weil immer neue hungerige kamen,

Die ihr meuler noch voller namen.

Der höchst lon ist undankbarkeit,

Das erfar ich mit herzeleid. –

Das urteil must ich billig schelten

Und kunt in meiner sach nicht gelten,

Weil das Pferd so greiflich und grob

Nur erzelte sein eigen lob

Von seiner tugend und woltat

Und verschwieg alle missetat.

Da man doch spricht: Es darf kein raunen,

Je edler pferd, je arger launen.

Wie oft hat es den zaum zerrissen,

Sein herrn getretn, geschlagn, gebissen,

Wie oft wol ist es worden stendig,

Odr ist gelaufen gar unbendig

Als ob es were rasend toll,

Dafür man ihm noch danken soll!

O nein, gesell, lern auch das recht:

Untreu sein eigen herren schlegt.

Ihr reithengst meint auch jederzeit,

Die baurmern haben wenigr leid,

Und wünscht, das ihrs möchtet versuchen,

Drum darfst du dein stand nicht verfluchen.

Weit anders aber ist mein sach:

Ich tat der schlang kein ungemach,

Sondern erlöset sie aus der not,

Ja von gegenwertigen tod;

Dafür wil sie mich nicht verlassen,

Sondern morden auf freier straßen,

Widr den eid, das sie geben wolt

Mir der welt allerhöchsten sold.

Da sie weiß, das in Griechenland

Ein knabe war, Thoas genant,

Der einen drachen aus fürwitz

Erzog in seiner eltern sitz,

Bis er ward so stark und so groß,

Das allen nachbaren verdroß,[154]

Die ihn ließen ferne wegfüren

In die wüsten zun wilden tieren.

Als aber nach etlichen jaren

Der mensch wolt durch die gegend faren

Und ein reubrrot ihn anlief,

Das er für angst ser schrie und rief,

Da kant der drach seins nerers stim,

Lief eilend hinzu in eim grim,

Riß ihr etlich auf kleine stück,

Trieb die andern mit macht zurück,

Errettet so denselben man,

Der ihm ehmals hat guts getan. –

Sie weiß auch, was der wilde leue

Hat bewiesen für dank und treue

Dem herzogn, von Braunschweig genant,

Als er mit seinem schwert und hand

Ihm den lindwurm half überwinnen.

Darauf solt sie itzt sich besinnen

Und mir auch dankbarkeit beweisen,

Die könt man ihr zun eren preisen. –

Ihr richter abr seid nicht erenwert,

Schlagt euch mit eurem eigen schwert:

Ists recht, dank mit undank vergelten,

So müst ihr eur herren nicht schelten;

Ist euch abr unrecht übergangen,

Wie lobt ihr den undank der schlangen?

Darum herr Reinik, weiser herr,

Nemet von uns das amt und er,

Seid richter in unser zweispalt,

Schützet mein unschuld für gewalt.

Will sie nichts gebn, das sie nicht schade,

Das wird got vergelten mit gnade.

Wir haben uns also vertragen,

Wir wollen tun was ihr werdt sagen."
[155]

Quelle:
Georg Rollenhagen: Froschmeuseler. Zwei Theile, Teil 1, Leipzig 1876, S. 147-156.
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