|
[342] Ein Schnitter.
Geschärft sind schon die Sicheln;
Die Wagen sind bestellt:
Hinaus! hinaus ins Feld!
Die gelben Ähren zittern
Und winken schon den Schnittern;
Zur Ernte ist es Zeit;
Auf! alles ist bereit!
[342] Alle.
Zur Ernte ist es Zeit;
Wir alle sind bereit!
Ein Mädchen.
Die jungen Binderinnen
Sind froh und wohlgemut;
Sie schmücken ihren Hut
Mit einer Blumenkrone
Von purpurrotem Mohne;
Und suchen Tremsen1 aus
Zum blauen Schnitterstrauß;
Alle.
Und suchen Tremsen aus
Zum blauen Schnitterstrauß.
Ein Schnitter.
Frisch auf! und seid nicht müßig!
Heuschreck' und Heimchen schwirrt;
Die blanke Sense klirrt;
Die krummen Sicheln blinken;
Die schwanken Halmen sinken:
Das weite Feld entlang
Erschallt der Mädchen Sang.
Alle.
Das weite Feld entlang
Erschallt der Mädchen Sang!
Ein Mädchen.
Spät, wenn des Abends Schimmer,
Die Stoppeln rötlich malt;
Der Mond uns, silbern, strahlt;
Wann auf dem hohen Wagen
Die goldnen Garben ragen;
Dann eilen wir nach Haus
Zum lauten Ernteschmaus.
[343] Alle.
Dann eilen wir nach Haus
Zum lauten Ernteschmaus!
Ein Schnitter.
Auf unserm Tische blinken
Die Kannen, voll von Wein,
Und Liebchen schenkt uns ein;
Wir scherzen dann und singen,
Wir tanzen dann und springen,
Die Geigen tönen laut,
Bis daß der Morgen graut.
Alle.
Die Geigen tönen laut,
Bis daß der Morgen graut!
1 Tremsen, Cyanen.
Buchempfehlung
Nachdem Musarion sich mit ihrem Freund Phanias gestrittet hat, flüchtet sich dieser in sinnenfeindliche Meditation und hängt zwei radikalen philosophischen Lehrern an. Musarion provoziert eine Diskussion zwischen den Philosophen, die in einer Prügelei mündet und Phanias erkennen lässt, dass die beiden »nicht ganz so weise als ihr System sind.«
52 Seiten, 4.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Für den dritten Band hat Michael Holzinger neun weitere Meistererzählungen aus dem Biedermeier zusammengefasst.
444 Seiten, 19.80 Euro