81. Kinderbrunnen.

[59] Es ist auch ein sehr verbreiteter Glaube, daß die neu geborenen Kinder aus Brunnen oder Teichen kommen, und fast an[59] jedem Orte finden sich bestimmte Brunnen oder Teiche, von denen dieses gesagt wird. Solche Kinderbrunnen sind folgende: der Molkenborn bei Münden, der Weeneborn bei Ballenhausen, der Kinderpump bei Senneckerode, der Përborn oder Rischenborn bei Gelliehausen, der Haselborn bei Großen Lengden, der Klingeborn bei Diemarden, der Jühnborn bei Waake, das Heerbörneken (Hirtenbrünnlein) bei Roringen, der Reinhardsbrunnen (Reinsbrunnen) bei Göttingen, der Glockensumpf bei Grone, der Kubbekesborn bei Adelebsen, der Hasselbrunnen bei Northeim, der Speckeborn bei Moringen, der Kapellenborn bei Fredelsloh, der Weingarten bei Hohnstedt, der große Teich bei Vogelbeck, die Böke (ût der Böke) bei Echte, der Wenneborn bei Negenborn, der Hungerborn bei Iber, der Johannisbrunnen bei Einbeck, der Hünenborn bei Kohnsen, der Kaspaul bei Kuventhal, der Hilleborn bei Mark-Oldendorf, der Slopborn bei Krimmensen, der Ilkenborn bei Sievershausen am Sollinge. In den benachbarten Braunschweigischen Aemtern kommen sie ebenfalls vor, so der Luhborn bei Greene, der Mühlenbrunnen bei Brunsen, der Tünnekenborn bei Bartshausen, der Vogelborn bei Eimen.

In Odagsen kommen die Mädchen aus dem Tünnekenborn, die Knaben aus dem Wellenborn; auch Vardeilsen hat einen besondern Knabenbrunnen »under der steinkûle« und einen Mädchenbrunnen etwa zwanzig Schritte davon in einem Bache. In Holzerode kommen die Kinder aus dem Glockenborn, aber auch aus dem Rattenstein, einem Felsen mit einer kleinen Höhle.

Zwischen der Papiermühle bei Kleinen Lengden und dem Eichenkruge befindet sich eine Quelle, deren Wasser der nahen Garte zuströmt. Aus dieser Quelle holt eine Wasserjungfer die neugeborenen Kinder und bringt zugleich den ältern Geschwistern Geschenke mit.

In den Ilkenborn bei Sievershausen werfen die Kinder noch jetzt Brot, Zwieback und Blumen. Auch in den Reinhardsbrunnen bei Göttingen ließen früher die Mütter oder Mägde, welche die kleinen Kinder dahin führten, diese Kuchen oder Zwiebäcke in das Wasser werfen, oder thaten es auch selbst. Es geschah dies namentlich zu Pfingsten. Den Kindern wurde dabei vorgesprochen, es sei das eine Gabe für die ungeborenen Kinder, die in dem Brunnen säßen.

Quelle:
Georg Schambach / Wilhelm Müller: Niedersächsische Sagen und Märchen. Göttingen 1855, S. 59-60.
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Niedersächsische Sagen und Märchen
Niedersächsische Sagen und Märchen : Aus dem Munde des Volkes gesammelt und mit Anmerkungen und Abhandlungen herausgegeben. Nachdruck 1979 d. Ausgabe Göttingen 1855.