2.

[133] Einst hatten Eltern, als sie an ihre Arbeit gehn wollten,[133] ihr Kind vor die Thür gesetzt und waren dann fortgegangen. Als sie am Abend zurückkehrten, war ihr Kind verschwunden und an seiner Stelle saß ein misgestalteter Zwerg mit dickem Kopfe. Die Eltern fragten den Zwerg, woher er gekommen sei, aber er antwortete nicht – und auch nachher sprach er niemals ein Wort. Da sprach der alte Mann zu der Frau, sie solle einmal ein Kinderspiel machen und sehen, ob sie den Zwerg dadurch zum Sprechen bringen könne. Die Frau ging darauf in die Küche und braute Bier; der Zwerg aber ward hinausgeschickt, um dem Manne die Pfeife anzuzünden. Als er in die Küche kam, füllte die Frau gerade Bier in Eierschalen. Bei diesem Anblick fing der Zwerg an zu sprechen und sagte: »Bin ich doch so alt, wie der Thüringerwald, und habe doch in meinem Leben noch nicht eine Frau in Eierschalen brauen sehen!« Darauf rief die Frau ihren Mann herbei und der Zwerg sollte die Worte noch einmal sagen, doch er that es nicht. Der Zwerg bekam von jetzt an viele Schläge, doch er blieb stumm; endlich ward er vor die Thür gesetzt. Da holten die Zwerge ihn wieder und brachten das rechte Kind zurück. Dieses erzählte klagend, daß es von den Zwergen so viele Schläge bekommen habe. Hatte der Zwerg Schläge bekommen, so wurde auch das Kind von den Zwergen geschlagen.

Quelle:
Georg Schambach / Wilhelm Müller: Niedersächsische Sagen und Märchen. Göttingen 1855, S. 133-134.
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Niedersächsische Sagen und Märchen
Niedersächsische Sagen und Märchen : Aus dem Munde des Volkes gesammelt und mit Anmerkungen und Abhandlungen herausgegeben. Nachdruck 1979 d. Ausgabe Göttingen 1855.