[99] Der König. Graf Lerma.
LERMA mit Bestürzung, da er den König gewahr wird.
Befinden
Sich Ihre Majestät nicht wohl?
KÖNIG.
Im linken
Pavillon war Feuer. Hörtet Ihr
Den Lärmen nicht?
LERMA.
Nein, Ihre Majestät.
KÖNIG.
Nein? Wie? Und also hätt ich nur geträumt?
Das kann von ungefähr nicht kommen. Schläft
Auf jenem Flügel nicht die Königin?
LERMA.
Ja, Ihre Majestät.
KÖNIG.
Der Traum erschreckt mich.
Man soll die Wachen künftig dort verdoppeln,
Hört Ihr? sobald es Abend wird – doch ganz,
Ganz insgeheim. – Ich will nicht haben, daß –
Ihr prüft mich mit den Augen?
LERMA.
Ich entdecke
Ein brennend Auge, das um Schlummer bittet.
Darf ich es wagen, Ihro Majestät
An ein kostbares Leben zu erinnern,
An Völker zu erinnern, die die Spur
Durchwachter Nacht mit fürchtender Befremdung
In solchen Mienen lesen würden? – Nur
Zwei kurze Morgenstunden Schlafes –[99]
KÖNIG mit zerstörten Blicken.
Schlaf?
Schlaf find ich in Eskurial. – Solange
Der König schläft, ist er um seine Krone,
Der Mann um seines Weibes Herz – Nein, nein!
Es ist Verleumdung – War es nicht ein Weib,
Ein Weib, das mir es flüsterte? Der Name
Des Weibes heißt Verleumdung. Das Verbrechen
Ist nicht gewiß, bis mirs ein Mann bekräftigt.
Zu den Pagen, welche sich unterdessen ermuntert haben.
Ruft Herzog Alba!
Pagen gehen.
Tretet näher, Graf!
Ists wahr?
Er bleibt forschend vor dem Grafen stehen.
O eines Pulses Dauer nur
Allwissenheit! – Schwört mir, ists wahr? Ich bin
Betrogen? Bin ichs? Ist es wahr?
LERMA.
Mein großer,
Mein bester König –
KÖNIG zurückfahrend.
König! König nur
Und wieder König! – Keine beßre Antwort
Als leeren, hohlen Widerhall? Ich schlage
An diesen Felsen und will Wasser, Wasser
Für meinen heißen Fieberdurst – er gibt
Mir glühend Gold.
LERMA.
Was wäre wahr, mein König?
KÖNIG.
Nichts. Nichts. Verlaßt mich. Geht.
Der Graf will sich entfernen, er ruft ihn noch einmal zurück.
Ihr seid vermählt?
Seid Vater? Ja?
LERMA.
Ja, Ihre Majestät.
KÖNIG.
Vermählt und könnt es wagen, eine Nacht
Bei Eurem Herrn zu wachen? Euer Haar
Ist silbergrau, und Ihr errötet nicht,
An Eures Weibes Redlichkeit zu glauben?
O, geht nach Hause. Eben trefft Ihr sie
In Eures Sohns blutschändrischer Umarmung.
Glaubt Eurem König, geht – Ihr steht bestürzt?[100]
Ihr seht mich mit Bedeutung an? – weil ich,
Ich selber etwa graue Haare trage?
Unglücklicher, besinnt Euch. Königinnen
Beflecken ihre Tugend nicht. Ihr seid
Des Todes, wenn Ihr zweifelt –
LERMA mit Hitze.
Wer kann das?
In allen Staaten meines Königs, wer
Ist frech genug, mit giftigem Verdacht
Die engelreine Tugend anzuhauchen?
Die beste Königin so tief –
KÖNIG.
Die beste?
Und Eure beste also auch? Sie hat
Sehr warme Freunde um mich her, find ich.
Das muß ihr viel gekostet haben – mehr,
Als mir bekannt ist, daß sie geben kann.
Ihr seid entlassen. Laßt den Herzog kommen.
LERMA.
Schon hör ich ihn im Vorsaal –
Im Begriff zu gehen.
KÖNIG mit gemildertem Tone.
Graf! – Was Ihr
Vorhin bemerkt, ist doch wohl wahr gewesen.
Mein Kopf glüht von durchwachter Nacht. – Vergeßt,
Was ich im wachen Traum gesprochen. Hört Ihr?
Vergeßt es. Ich bin Euer gnädger König.
Er reicht ihm die Hand zum Kusse. Lerma geht und öffnet dem Herzog von Alba die Türe.
Ausgewählte Ausgaben von
Don Carlos, Infant von Spanien
|
Buchempfehlung
Libretto zu der Oper von Anton Schweitzer, die 1773 in Weimar uraufgeführt wurde.
38 Seiten, 3.80 Euro
Buchempfehlung
Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Nach den erfolgreichen beiden ersten Bänden hat Michael Holzinger sieben weitere Meistererzählungen der Romantik zu einen dritten Band zusammengefasst.
456 Seiten, 16.80 Euro