Zweiter Auftritt


[318] Vorige. Octavio Piccolomini. Questenberg.


OCTAVIO noch in der Entfernung.

Wie? Noch der Gäste mehr? Gestehn Sie, Freund!

Es brauchte diesen tränenvollen Krieg,

So vieler Helden ruhmgekrönte Häupter

In eines Lagers Umkreis zu versammeln.

QUESTENBERG.

In kein Friedländisch Heereslager komme,

Wer von dem Kriege Böses denken will.

Beinah vergessen hätt ich seine Plagen,

Da mir der Ordnung hoher Geist erschienen,

Durch die er, weltzerstörend, selbst besteht,

Das Große mir erschienen, das er bildet.

OCTAVIO.

Und siehe da! ein tapfres Paar, das würdig

Den Heldenreihen schließt: Graf Isolan

Und Obrist Buttler. – Nun, da haben wir

Vor Augen gleich das ganze Kriegeshandwerk.


Buttlern und Isolani präsentierend.


Es ist die Stärke, Freund, und Schnelligkeit.

QUESTENBERG zu Octavio.

Und zwischen beiden der erfahrne Rat.

OCTAVIO Questenbergen an jene vorstellend.

Den Kammerherrn und Kriegsrat Questenberg,

Den Überbringer kaiserlicher Befehle,

Der Soldaten großen Gönner und Patron

Verehren wir in diesem würdigen Gaste.


Allgemeines Stillschweigen.


ILLO nähert sich Questenbergen.

Es ist das erstemal nicht, Herr Minister,

Daß Sie im Lager uns die Ehr erweisen.

QUESTENBERG.

Schon einmal sah ich mich vor diesen Fahnen.

ILLO.

Und wissen Sie, wo das gewesen ist?

Zu Znaim wars, in Mähren, wo Sie sich

Von Kaisers wegen eingestellt, den Herzog

Um Übernahm des Regiments zu flehen.

QUESTENBERG.

Zu flehn, Herr General? So weit ging weder[318]

Mein Auftrag, daß ich wüßte, noch mein Eifer.

ILLO.

Nun! Ihn zu zwingen, wenn Sie wollen. Ich

Erinnre michs recht gut – Graf Tilly war

Am Lech aufs Haupt geschlagen – offen stand

Das Bayerland dem Feind – nichts hielt ihn auf,

Bis in das Herz von Östreich vorzudringen.

Damals erschienen Sie und Werdenberg

Vor unserm Herrn, mit Bitten in ihn stürmend,

Und mit der kaiserlichen Ungnad drohend,

Wenn sich der Fürst des Jammers nicht erbarme.

ISOLANI tritt dazu.

Ja, ja! 's ist zu begreifen, Herr Minister,

Warum Sie sich bei Ihrem heutgen Auftrag

An jenen alten just nicht gern erinnern.

QUESTENBERG.

Wie sollt ich nicht! Ist zwischen beiden doch

Kein Widerspruch! Damalen galt es, Böhmen

Aus Feindes Hand zu reißen, heute soll ichs

Befrein von seinen Freunden und Beschützern.

ILLO.

Ein schönes Amt! Nachdem wir dieses Böhmen,

Mit unserm Blut, dem Sachsen abgefochten,

Will man zum Dank uns aus dem Lande werfen.

QUESTENBERG.

Wenn es nicht bloß ein Elend mit dem andern

Vertauscht soll haben, muß das arme Land

Von Freund und Feindes Geißel gleich befreit sein.

ILLO.

Ei was! Es war ein gutes Jahr, der Bauer kann

Schon wieder geben.

QUESTENBERG.

Ja, wenn Sie von Herden

Und Weideplätzen reden, Herr Feldmarschall –

ISOLANI.

Der Krieg ernährt den Krieg. Gehn Bauern drauf,

Ei, so gewinnt der Kaiser mehr Soldaten.

QUESTENBERG.

Und wird um so viel Untertanen ärmer!

ISOLANI.

Pah! Seine Untertanen sind wir alle!

QUESTENBERG.

Mit Unterschied, Herr Graf! Die einen füllen

Mit nützlicher Geschäftigkeit den Beutel,

Und andre wissen nur ihn brav zu leeren.

Der Degen hat den Kaiser arm gemacht;

Der Pflug ists, der ihn wieder stärken muß.[319]

BUTTLER.

Der Kaiser wär nicht arm, wenn nicht so viel

– Blutigel saugten an dem Mark des Landes.

ISOLANI.

So arg kanns auch nicht sein. Ich sehe ja,


Indem er sich vor ihn hinstellt und seinen Anzug mustert.


Es ist noch lang nicht alles Gold gemünzt.

QUESTENBERG.

Gottlob! Noch etwas weniges hat man

Geflüchtet – vor den Fingern der Kroaten.

ILLO.

Da! der Slawata und der Martinitz,

Auf die der Kaiser, allen guten Böhmen

Zum Ärgernisse, Gnadengaben häuft –

Die sich vom Raube der vertriebnen Bürger mästen –

Die von der allgemeinen Fäulnis wachsen,

Allein im öffentlichen Unglück ernten –

Mit königlichem Prunk dem Schmerz des Landes

Hohn sprechen – die und ihresgleichen laßt

Den Krieg bezahlen, den verderblichen,

Den sie allein doch angezündet haben.

BUTTLER.

Und diese Landschmarutzer, die die Füße

Beständig unterm Tisch des Kaisers haben,

Nach allen Benefizen hungrig schnappen,

Die wollen dem Soldaten, der vorm Feind liegt,

Das Brot vorschneiden und die Rechnung streichen.

ISOLANI.

Mein Lebtag denk ich dran, wie ich nach Wien

Vor sieben Jahren kam, um die Remonte

Für unsre Regimenter zu betreiben,

Wie sie von einer Antecamera

Zur andern mich herumgeschleppt, mich unter

Den Schranzen stehen lassen, stundenlang,

Als wär ich da, ums Gnadenbrot zu betteln.

Zuletzt – da schickten sie mir einen Kapuziner,

Ich dacht, es wär um meiner Sünden willen!

Nein doch, das war der Mann, mit dem

Ich um die Reiterpferde sollte handeln.

Ich mußt auch abziehn unverrichteter Ding.

Da Fürst nachher verschaffte mir in drei Tagen,

Was ich zu Wien in dreißig nicht erlangte.[320]

QUESTENBERG.

Ja, ja! Der Posten fand sich in der Rechnung,

Ich weiß, wir haben noch daran zu zahlen.

ILLO.

Es ist der Krieg ein roh, gewaltsam Handwerk.

Man kommt nicht aus mit sanften Mitteln, alles

Läßt sich nicht schonen. Wollte mans erpassen,

Bis sie zu Wien aus vierundzwanzig Übeln

Das kleinste ausgewählt, man paßte lange!

– Frisch mitten durchgegriffen, das ist besser!

Reiß dann, was mag! – Die Menschen, in der Regel,

Verstehen sich aufs Flicken und aufs Stückeln,

Und finden sich in ein verhaßtes Müssen

Weit besser als in eine bittre Wahl.

QUESTENBERG.

Ja, das ist wahr! Die Wahl spart uns der Fürst.

ILLO.

Der Fürst trägt Vatersorge für die Truppen,

Wir sehen, wie's der Kaiser mit uns meint.

QUESTENBERG.

Für jeden Stand hat er ein gleiches Herz,

Und kann den einen nicht dem andern opfern.

ISOLANI.

Drum stößt er uns zum Raubtier in die Wüste,

Um seine teuren Schafe zu behüten.

QUESTENBERG mit Hohn.

Herr Graf! Dies Gleichnis machen Sie – nicht ich.

ILLO.

Doch wären wir, wofür der Hof uns nimmt,

Gefährlich wars, die Freiheit uns zu geben.

QUESTENBERG mit Ernst.

Genommen ist die Freiheit, nicht gegeben,

Drum tut es not, den Zaum ihr anzulegen.

ILLO.

Ein wildes Pferd erwarte man zu finden.

QUESTENBERG.

Ein beßrer Reiter wirds besänftigen.

ILLO.

Es trägt den einen nur, der es gezähmt.

QUESTENBERG.

Ist es gezähmt, so folgt es einem Kinde.

ILLO.

Das Kind, ich weiß, hat man ihm schon gefunden.

QUESTENBERG.

Sie kümmre nur die Pflicht und nicht der Name.

BUTTLER der sich bisher mit Piccolomini seitwärts gehalten, doch mit sichtbarem Anteil an dem Gespräch, tritt näher.

Herr Präsident! Dem Kaiser steht in Deutschland

Ein stattlich Kriegsvolk da, es kantonieren

In diesem Königreich wohl dreißigtausend,[321]

Wohl sechzehntausend Mann in Schlesien;

Zehn Regimenter stehn am Weserstrom,

Am Rhein und Main; in Schwaben bieten sechs,

In Bayern zwölf den Schwedischen die Spitze.

Nicht zu gedenken der Besatzungen,

Die an der Grenz die festen Plätze schirmen.

All dieses Volk gehorcht Friedländischen

Hauptleuten. Die's befehligen, sind alle

In eine Schul gegangen, eine Milch

Hat sie ernährt, ein Herz belebt sie alle.

Fremdlinge stehn sie da auf diesem Boden,

Der Dienst allein ist ihnen Haus und Heimat.

Sie treibt der Eifer nicht fürs Vaterland,

Denn Tausende, wie mich, gebar die Fremde.

Nicht für den Kaiser, wohl die Hälfte kam

Aus fremdem Dienst feldflüchtig uns herüber,

Gleichgültig, unterm Doppeladler fechtend,

Wie unterm Löwen und den Lilien.

Doch alle führt an gleich gewaltgem Zügel

Ein Einziger, durch gleiche Lieb und Furcht

Zu einem Volke sie zusammenbindend.

Und wie des Blitzes Funke sicher, schnell,

Geleitet an der Wetterstange, läuft,

Herrscht sein Befehl vom letzten fernen Posten,

Der an die Dünen branden hört den Belt,

Der in der Etsch fruchtbare Täler sieht,

Bis zu der Wache, die ihr Schilderhaus

Hat aufgerichtet an der Kaiserburg.

QUESTENBERG.

Was ist der langen Rede kurzer Sinn?

BUTTLER.

Daß der Respekt, die Neigung, das Vertraun,

Das uns dem Friedland unterwürfig macht,

Nicht auf den ersten besten sich verpflanzt,

Den uns der Hof aus Wien herübersendet.

Uns ist in treuem Angedenken noch,

Wie das Kommando kam in Friedlands Hände.

Wars etwa kaiserliche Majestät,[322]

Die ein gemachtes Heer ihm übergab,

Den Führer nur gesucht zu ihren Truppen?

– Noch gar nicht war das Heer. Erschaffen erst

Mußt es der Friedland, er empfing es nicht,

Er gabs dem Kaiser! Von dem Kaiser nicht

Erhielten wir den Wallenstein zum Feldherrn.

So ist es nicht, so nicht! Vom Wallenstein

Erhielten wir den Kaiser erst zum Herrn,

Er knüpft uns, er allein, an diese Fahnen.

OCTAVIO tritt dazwischen.

Es ist nur zur Erinnerung, Herr Kriegsrat,

Daß Sie im Lager sind und unter Kriegern. –

Die Kühnheit macht, die Freiheit den Soldaten. –

Vermöcht er keck zu handeln, dürft er nicht

Keck reden auch? – Eins geht ins andre drein. –

Die Kühnheit dieses würdgen Offiziers,


Auf Buttlern zeigend.


Die jetzt in ihrem Ziel sich nur vergriff,

Erhielt, wo nichts als Kühnheit retten konnte,

Bei einem furchtbarn Aufstand der Besatzung

Dem Kaiser seine Hauptstadt Prag.


Man hört von fern eine Kriegsmusik.


ILLO.

Das sind sie!

Die Wachen salutieren – Dies Signal

Bedeutet uns, die Fürstin sei herein.

OCTAVIO zu Questenberg.

So ist auch mein Sohn Max zurück. Er hat sie

Aus Kärnten abgeholt und hergeleitet.

ISOLANI zu Illo.

Gehn wir zusammen hin, sie zu begrüßen?

ILLO.

Wohl! Laßt uns gehen. Oberst Buttler, kommt!


Zum Octavio.


Erinnert Euch, daß wir vor Mittag noch

Mit diesem Herrn beim Fürsten uns begegnen.[323]


Quelle:
Friedrich Schiller: Sämtliche Werke, Band 2, München 31962, S. 318-324.
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