Das 85. Capitel.
Wer am Char-Freytage vor der Sonnen Aufgang drey Messerspitzen voll Hefen isset / dem schadet selbiges Jahr kein Truncker / mag sauffen / wie er will.

[165] Dieses ist gleichfalls ein verdammlicher Satans-Dienst. Wie würde es aber alsdenn aussehen / wenn du von diesen Messer spitzen[165] voll Hefen so viel rumpeln und reissen im Leibe / Durchfall und andere tödtliche Zufälle erregtest / daß du an kein Sauffen mehr gedencken köntest / sondern die Erde drüber kauen müstest? was meynest du wohl / was Senior Bacchus dir vor ein Compliment machen würde / so du in sein Reich eingingest / da du doch in der Probe der Bacchus-Brüder als ein elender Behrenhäuter dich hättest erwiesen. Wenn einige Wahrheit an dieser Rubric wär / und man wolte ohne einiges übeles Absehen nur allein zu Erhaltung der Gesundheit / und keines weges zum excess im Sauffen / dieses remedium gebrauchen / so möchten noch einige limitationes zur defension der Sache sich finden; da aber eben am H. Char-Freytage / und vor der Sonnen Aufgang / die Sache vorgenommen werden soll / so wird billig dieses unter die verdammlichen Aberglauben gerechnet. Denn das an diesem Tage geschehenes heilige Leiden unsers lieben Heilandes hat ja darum den Char-Freytag nicht eben kräfftiger gemacht als andere Tage / auf daß die vorsetzliche Schwelger nur ein remedium wider ihr excedirtes Sauffen erlangen möchten. Nein / Christus hat zwar wohl am Char-Freytage den herben vergalleten Eßig getruncken / auf daß denen Trunckenpolten /welche wahre Busse thun /[166] und von ihrem epicurischen Leben ablassen / ihre gethanen excesse, so sie vormahls im Sauffen verübt / nicht zum ewigen Tode gedeyen möchten. Aber für die Sauff-Esel / welche mit allem Vorsatz sauffen und schwelgen / und solche thörichte und verkehrte Wege und Mittel suchen / die sie mit allem Fleiß dazu anwenden wollen /daß sie im Sauffen sich nur ohne Schaden ihres Leibes desto ritterlicher halten können / für diese / sage ich / hat Christus den bittern Gallen-Tranck nicht genommen. Denn die Truncken-Polte sollen das Reich GOttes nicht ererben / und gehet ihnen / so lange sie sich nicht bessern und wahre Busse thun / das Verdienst Christi nicht an. Woltest du aber hoffen / es wär zum Busse thun noch Zeit satt / dir würde ja noch wohl im mittest ein und anderer Pommerischer Soff und Rausch zu thun frey gehen / so wisse / daß deine tolle Hoffnung dir / ehe du dichs versehen wirst / zu solchen Hefen werden wird / die den Gottlosen aus zu sauffen verordnet sind.

Quelle:
Schmidt, Johann Georg: Die gestriegelte Rocken- Philosophie. Band 2, Chemnitz 1722 [Nachdruck Weinheim; Deerfield Beach, Florida 1987]., S. 165-167.
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