III, 6.

[64] Musarion tritt ein.


MUSARION.

Ein eingelad'ner Gast.


Praktinski erblickend.


Das wird die Muhme sein.

PRAKTINSKI.

Nur näher, Herr! Soll euch ich auch weissagen?

Darf ich nach des Besuches Absicht fragen?

MUSARION.

Sie geht nicht weiter, als bis zu den Schranken,

Die mir des Hauses weise Ordnung setzt.

PRAKTINSKI.

Ja sicher! Denn wer diese frech verletzt,

Deß Hiergedultetsein geräth in's Schwanken.

MUSARION.

Fräulein Faustine möcht' ich sprechen g'rade.

Die gnäd'ge Frau vermittelt gütig das Begehr.

PRAKTINSKI.

Zum Teufel wünschte ich die Maskerade,

Wenn sie nicht leider schon am Teufel wär'.

Ich bin nicht das, was ich jetzt scheine.

MUSARION.

Das ist das Loos, das allgemeine;

Den Einen nimmt man höher, als er steht,

Dieweil der Bess're für den Schlechtern geht.

Ich geb' mich nur für einen Taugenichts.[64]

PRAKTINSKI.

Nicht an Bescheidenheit dem Herrn gebricht's.


Die Weiberkleider abwerfend.


Und ich bin, kurz gesagt, der Teufel.

MUSARION.

Das ist des Irrlichts Konzentrierung,

Des Schimmernebels Irreführung!

'ne Ueberraschung mir, ganz ohne Zweifel,

Und namentlich in dem Gewand,

Wie ich den Unersättlichen hier fand.

Was sucht ihr hier? – Was soll ich danach fragen,

Da mir es eu're tück'schen Blicke sagen? –

Ihr seid das einzige erschaff'ne Wesen,

Das mir noch nicht begegnet auf der Lebensbahn;

Denn selber Hexen mit dem Besen

Und Engel, wirklich auserlesen,

Traf ich auf meinen Streifen an.

Ich freu' mich drum, den Satan zu begrüßen,

Den raren Umgang mit ihm zu genießen,

Hab' ich auch keinen Pakt mit ihm zu schließen.

Ich selber bin so eine Art von Gottseibeiuns;

Zum mind'sten fühl' ich diabol'schen Sinn.

Doch die Verwandtschaft nicht entzwei' uns,

Weil ich doch einmal eu'res Wesens bin.

PRAKTINSKI.

Ihr gehet sicher aus auf Liebesabenteuer;

Nur kommt dabei nicht in's Gehege mir.

Verpufft an andern Orten euer Feuer;

Kontraktlich zugesichert ist mir dies Revier.

MUSARION.

Habt meinetwegen keine Furcht: nur Langeweile

Und Neugier trieben mich hierher.

An meine Bildung lege ich die letzte Feile:[65]

So wollt' ich seh'n in aller Eile,

Was bei dem Fräulein noch zu nutzen wär'.

Ich nenne längst schon mein die warme Hütte,

Worin das Liebchen weilt, das harret mein.

Verstoß wär's gegen jede gute Sitte,

Wollt' Zweien man zugleich gefällig sein.

PRAKTINSKI.

Das Beieinander macht euch einzig Bangen;

Das Nacheinander übt ihr aber froh:

Mit euch ist erst kein Handel anzufangen:

Ihr seid in Teufels Krallen so wie so.


Quelle:
Schäfer, Wilhelm: Faustine, der weibliche Faust. Tragödie in sechs Aufzügen nebst einem Vorspiel und Prolog, Zürich 1898, S. 64-66.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Tschechow, Anton Pawlowitsch

Drei Schwestern. (Tri Sestry)

Drei Schwestern. (Tri Sestry)

Das 1900 entstandene Schauspiel zeichnet das Leben der drei Schwestern Olga, Mascha und Irina nach, die nach dem Tode des Vaters gemeinsam mit ihrem Bruder Andrej in der russischen Provinz leben. Natascha, die Frau Andrejs, drängt die Schwestern nach und nach aus dem eigenen Hause.

64 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Dass das gelungen ist, zeigt Michael Holzingers Auswahl von neun Meistererzählungen aus der sogenannten Biedermeierzeit.

434 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon