1043. Die heilige Kunigunde.

[95] Von J.L.Pyrker.A. Crammer vita S. Henr. et. S. Cuneg. p. 146, woselbst d. Lit.


Der Neid bespritzet oft das schönste Leben

Mit seines Geifers giftvermengtem Nass',

Er liebt geheim zu spähen und zu streben;

D'rum ist er auch so leichengelb und blaß,[95]

Und kann er etwas schlau verdreh'n und weben;

So thut er es mit nie versöhntem Hass',

Verfallen ganz den finsteren Gewalten,

Die rings um ihn den wilden Reigen halten.


So glückt' es einst von ihm erfüllten Seelen,

Die fromme Herzogin im Bayerland',

Frau Kunigundis, sich zum Ziel' zu wählen,

Nach welchem sie den gift'gen Pfeil gesandt,

Und ihr den schönsten Schatz – den Ruhm zu stehlen,

Den man allüberall verbreitet fand:

»Daß ihr, der besten, heiligsten der Frauen,

Ihr Gatte Heinrich sicher konnte trauen.«


Das arge Mißtrau'n wächst – nichts helfen Thränen,

Nichts Bitten mehr; der Friede ist entfloh'n.

Nach Hofgunst stellt der Höfling all sein Sehnen,

Er schweigt und schleicht gebückt hin an den Thron;

Die Freunde selbst, die wohl zu handeln wähnen,

Verlieren rathend, noch der Mühe Lohn:

Nur Gott's Gericht kann seine Zweifel enden,

Und so die Schmach des Treubruchs von ihr wenden.


Die Frist ist anberaumt, der Tag gekommen,

Wo sie auf glüh'nder Pflugschar stehen soll.

Das Volk, voll Lieb' und Mitleid zu der Frommen,

Eilt rasch heran; der breite Markt wird voll;

Schon hatte sie den Leib des Herrn genommen

Im nahen Dom', und schreitet ohne Groll

Heran, mit frei empor gehob'nen Blicken

Scheint sie nur Dank zum Herrn der Welt zu schicken.


Sie selbst entblößte ruhig ihre Füße,

Beschritt die glüh'nde Schar; das Volk schrie auf!

Da ist's, als ob auf sie ein Quellbach fließe

Und kühle; sie stand unversehrt darauf.

Und daß ihr Leid der Himmel selbst versüße

In seiner Gnaden unermeß'nem Lauf',

So sinkt ihr Gatte schluchzend vor ihr nieder

Und kehrt, mit ihr vereint, zur Hofburg wieder.


Und nimmer konnt' er sich die Schuld verzeihen,

Obschon er Herr von vielen Ländern ward,

Obschon des heil'gen Vaters Händ' ihn weihen,

Und ihm vom Haupt' die Kaiserkrone starrt,[96]

Bis seiner frommen Thaten Reih' an Reihen

Sich fügt, zu jenen seiner Gattin schaart,

Und er, im Tod gewürdigt, sich zu reinen,

Auffuhr, mit ihr sich ewig zu vereinen.

Quelle:
Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 95-97.
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