1044. Kunigundis und der Sonnenstrahl.

[97] Von Horntha. – Ludewig script. Bamb. I., 356. J.a. Voragine leg. aur. c. 209. Gretser Divi Bamb. p. 558. A. Crammer vita S. Henr. et. S. Cuneg. p. 136. u.A.


Wie alle Tage pfleget

Von Andacht tief beweget

Die Kais'rin Kunegund,

So ging sie einsmal wieder

Zum Gotteshaus hernieder

In frühster Morgenstund'.


In rechter Lust zu beten

Zum Altar hingetreten,

Ihr Büchlein in der Hand,

Sie still auf's Knie sich neiget,

Dem höchsten Herrn sich beuget

Zu Ihm ganz hingewandt.


Und daß sie leichter wenden

Könn' mit den reinen Händen

Das frommbeschriebne Blatt,

Von ihren zarten Armen

Die Handschuh sich, die warmen

Sie abgezogen hat;


Und weil noch nicht erschienen

Ein Sakristan, zu dienen

Wie sonst der hohen Maid,

Legt' sie zur Erd' sie nieder

Und betet still dann wieder

In tiefster Frömmigkeit.


Da dringt durch's Fenster helle

Ein Sonnenstral zur Stelle,

Wo ihre Handschuh ruh'n,

Und von der Erd' sie hebend

Hält er sie beide schwebend,

Uebt so des Dieners Thun.


Und als die Kais'rin endet

Die Andacht, und sich wendet

Nach ihnen jetzt zurück,

Sieht sie vom Strahl gehalten

Sie in den Lüften walten –

Erröthend sinkt ihr Blick:


Sie sieht im heil'gen Zeichen,

Wie sich der Herr will neigen

In Gnaden auf ihr Haupt,

Und wie ihr winkt sein Lieben,

Weil Demuth sie wollt' üben

Und stets an ihn geglaubt.

Quelle:
Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 97.
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