[259] Des Königs Lager bei Shrewsbury.
König Heinrich, Prinz Heinrich, Prinz Johann, Sir Walter Blunt und Falstaff treten auf.
KÖNIG HEINRICH.
Wie blutig über jenen busch'gen Hügel
Die Sonne blickt hervor! Der Tag sieht bleich
Ob ihrem kranken Schein.
PRINZ HEINRICH.
Der Wind aus Süden
Tut, was sie vorhat, als Trompeter kund
Und sagt, durch hohles Pfeifen in den Blättern,
Uns Sturm vorher und einen rauhen Tag.
KÖNIG HEINRICH.
So stimm' er dann in der Verlierer Sinn,
Denn nichts scheint denen trübe, die gewinnen.
Trompete. Worcester und Vernon kommen.
Wie nun, Mylord von Worcester? 's ist nicht gut,
Daß Ihr und ich auf solchem Fuß uns treffen,
Als jetzt geschieht: Ihr täuschtet unser Zutraun
Und zwangt mir, statt der weichen Friedenskleider,
Die alten Glieder in unglimpflich Erz.
Das ist nicht gut, Mylord, das ist nicht gut.
Was sagt Ihr? Wollt Ihr wiederum entschürzen
Den Knoten dieses allverhaßten Kriegs?
Und Euch im unterwürf'gen Kreis bewegen,
Wo Ihr ein schön natürlich Licht verlieht,
Und ferner nicht ein dunstig Meteor,
Ein Schreckenszeichen sein, das lauter Unheil
Noch ungebornen Zeiten prophezeit?
WORCESTER.
Hört mich, mein Fürst![259]
Was mich betrifft, mir wär' es ganz genehm,
Den Überrest von meinen Lebenstagen
Der Ruh' zu pflegen; denn ich kann beteuern,
Nie hab' ich dieses Tages Bruch gesucht.
KÖNIG HEINRICH.
Ihr habt ihn nicht gesucht? Woher denn kam er?
FALSTAFF.
Die Rebellion lag ihm vor den Füßen, und da nahm er sie auf.
PRINZ HEINRICH.
Still, Frikassee! Still!
WORCESTER.
Eu'r Majestät beliebt' es, Eure Blicke
Der Gunst von uns und unserm Haus zu wenden;
Und dennoch muß ich Euch erinnern, Herr,
Wir waren Euch die ersten, nächsten Freunde;
Um Euch zerbrach ich meines Amtes Stab
Zu Richards Zeit und reiste Tag und Nacht,
Euch zu begegnen, Eure Hand zu küssen,
Als Ihr an Rang und Würdigkeit noch längst
So stark und so beglückt nicht wart als ich.
Ich war es und mein Bruder und sein Sohn,
Die heim Euch brachten und der Zeit Gefahren
Mit kühnem Mut getrotzt. Ihr schworet uns,
Und diesen Eid schwort Ihr zu Doncaster, –
Ihr hättet keinen Anschlag auf den Staat,
Noch Anspruch, als Eu'r heimgefallnes Recht,
Gaunts Sitz, das Herzogtum von Lancaster,
Wozu wir Hülf' Euch schworen. Doch in kurzem,
Da regnete das Glück auf Euer Haupt,
Und solche Flut von Hoheit fiel auf Euch, –
Durch unsern Beistand teils, des Königs Ferne,
Das Unrecht einer ausgelaßnen Zeit,
Die scheinbar'n Leiden, so Ihr ausgestanden,
Und widerwärt'ge Winde, die den König
So lang' in seinen ir'schen Kriegen hielten,
Daß ihn in England alle tot geglaubt; –
Von diesem Schwarme günst'ger Dinge nahmt Ihr
Die schnell zu werbende Gelegenheit,
In Eure Hand das Regiment zu fassen;
Vergaßt, was Ihr zu Doncaster geschworen,[260]
Und tatet, da wir Euch gepflegt, an uns,
Wie die unedle Brut, des Kuckucks Junges,
Dem Sperling tut: bedrücktet unser Nest,
Wuchst so gewaltig an durch unsre Pflege,
Daß unsre Lieb' Euch nimmer durfte nahn
Aus Furcht, erwürgt zu werden; ja, wir mußten
Uns sicher stellen mit behendem Flug
Vor Eurem Blick und diese Kriegsmacht werben,
Womit wir Gegner Euch durch Mittel sind,
Wie Ihr sie selbst geschmiedet wider Euch
Durch kränkendes Verfahren, droh'nde Mienen
Und aller Treu' Verletzung, die Ihr uns
In Eures Unternehmens Jugend schwort.
KÖNIG HEINRICH.
Dies habt Ihr freilich stückweis hergezählt,
Auf Märkten ausgerufen, in den Kirchen
Verlesen, um das Kleid der Rebellion
Mit einer schönen Farbe zu verbrämen,
Die Wankelmüt'gen in die Augen sticht
Und armen Mißvergnügten, welche gaffen
Und die Ellbogen reiben, auf die Nachricht
Von Neuerung, die drauf und drunter geht;
Und niemals fehlten solche Wasserfarben
Dem Aufruhr, seine Sache zu bemalen,
Noch solche finstre Bettler, die nach Zeiten
Des blinden Mords und der Verwirrung schmachten.
PRINZ HEINRICH.
In beiden Heeren gibt es manche Seele,
Die teuer diesen Zwist bezahlen wird,
Wenn's zur Entscheidung kommt. Sagt Eurem Neffen,
Der Prinz von Wales stimm' ein mit aller Welt
In Heinrich Percys Lob; bei meiner Hoffnung!
Das jetz'ge Unternehmen abgerechnet,
Glaub' ich nicht, daß solch wackrer Edelmann,
So rüstig tapfer, tapfer jugendlich,
So kühn und mutig, außer ihm noch lebt,
Mit edlen Taten unsre Zeit zu schmücken.
Was mich betrifft, ich sag's zu meiner Scham,
Ich war im Rittertum ein Müßiggänger,
Und dafür, hör' ich, sieht er auch mich an.[261]
Doch dies vor meines Vaters Majestät:
Ich bin's zufrieden, daß er mir voraus
Den großen Ruf und Namen haben mag,
Und will, auf beiden Seiten Blut zu sparen,
Mein Glück im einzlen Kampf mit ihm versuchen.
KÖNIG HEINRICH.
Und, Prinz von Wales, so wagen wir dich dran,
Obschon unendlich viel Erwägungen
Dawider sind. – Nein, guter Worcester, nein,
Wir lieben unser Volk; wir lieben selbst
Die, so mißleitet Eurem Vetter folgen;
Und wenn sie unsrer Gnad' Erbieten nehmen,
Soll er und sie und Ihr und jedermann
Mein Freund von neuem sein, und ich der seine:
Sagt Eurem Vetter das und meldet mir,
Was er beschließt! – Doch will er uns nicht weichen,
So steht Gewalt und Züchtigung uns bei,
Die sollen ihren Dienst tun. – Somit geht,
Behelligt jetzt uns mit Erwidern nicht:
Nehmt weislich auf, was unsre Milde spricht!
Worcester und Vernon ab.
PRINZ HEINRICH.
Sie nehmen es nicht an, bei meinem Leben!
Der Douglas und der Heißsporn mit einander,
Sie bieten einer Welt in Waffen Trotz.
KÖNIG HEINRICH.
Drum fort, zu seiner Schar ein jeder Führer!
Auf ihre Antwort greifen wir sie an,
Und Gott beschirme die gerechte Sache!
König Heinrich, Blunt und Prinz Johann ab.
FALSTAFF. Heinz, wenn du mich in der Schlacht am Boden siehst, so komm und stelle dich schrittlings über mich, so: – es ist eine Freundespflicht.
PRINZ HEINRICH. Niemand als ein Kolossus kann dir diese Freundschaft erweisen. Sag dein Gebet her und leb wohl!
FALSTAFF. Ich wollte, es wäre Schlafenszeit, Heinz, und alles gut.
PRINZ HEINRICH. Ei, du bist Gott einen Tod schuldig. Ab.
FALSTAFF. Er ist noch nicht verfallen, ich möchte ihn nicht gern vor seinem Termin bezahlen. Was brauche ich so bei[262] der Hand zu sein, wenn er mich nicht ruft? Gut, es mag sein: Ehre beseelt mich vorzudringen. Wenn aber Ehre mich beim Vordringen entseelt? Wie dann? Kann Ehre ein Bein ansetzen? Nein. Oder einen Arm? Nein. Oder den Schmerz einer Wunde stillen? Nein. Ehre versteht sich also nicht auf die Chirurgie? Nein. Was ist Ehre? Ein Wort. Was steckt in dem Wort Ehre? Was ist diese Ehre? Luft. Eine feine Rechnung! – Wer hat sie? Er, der vergangene Mittwoch starb. Fühlt er sie? Nein. Hört er sie? Nein. Ist sie also nicht fühlbar? Für die Toten nicht. Aber lebt sie nicht etwa mit den Lebenden? Nein. Warum nicht? Die Verleumdung gibt es nicht zu. Ich mag sie also nicht. – Ehre ist nichts als ein gemalter Schild beim Leichenzuge, und so endigt mein Katechismus. Ab.
Buchempfehlung
Die neunzehnjährige Else erfährt in den Ferien auf dem Rückweg vom Tennisplatz vom Konkurs ihres Vaters und wird von ihrer Mutter gebeten, eine große Summe Geld von einem Geschäftsfreund des Vaters zu leihen. Dieser verlangt als Gegenleistung Ungeheuerliches. Else treibt in einem inneren Monolog einer Verzweiflungstat entgegen.
54 Seiten, 4.80 Euro
Buchempfehlung
1799 schreibt Novalis seinen Heinrich von Ofterdingen und schafft mit der blauen Blume, nach der der Jüngling sich sehnt, das Symbol einer der wirkungsmächtigsten Epochen unseres Kulturkreises. Ricarda Huch wird dazu viel später bemerken: »Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht, ohne es selbst zu wissen, nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe.« Diese und fünf weitere große Erzählungen der Frühromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe ausgewählt.
396 Seiten, 19.80 Euro