Erste Szene

[653] Eine finstre Höhle, in der Mitte ein Kessel.


Donner; die drei Hexen kommen.


ERSTE HEXE.

Die gelbe Katz' hat dreimal miaut.

ZWEITE HEXE.

Ja, und einmal der Igel quiekt.

DRITTE HEXE.

Die Harpye schreit: – 's ist Zeit.

ERSTE HEXE.

Um den Kessel dreht euch rund,

Werft das Gift in seinen Schlund!

Kröte, die im kalten Stein

Tag' und Nächte, dreimal neun,

Zähen Schleim im Schlaf gegoren,

Sollst zuerst im Kessel schmoren!

ALLE.

Spart am Werk nicht Fleiß noch Mühe,

Feuer sprühe, Kessel glühe!

ZWEITE HEXE.

Sumpf'ger Schlange Schweif und Kopf

Brat' und koch' im Zaubertopf:

Molchesaug' und Unkenzehe,

Hundemaul und Hirn der Krähe;

Zäher Saft des Bilsenkrauts,

Eidechsbein und Flaum vom Kauz:

Mächt'ger Zauber würzt die Brühe,

Höllenbrei im Kessel glühe!

ALLE.

Spart am Werk nicht Fleiß noch Mühe,

Feuer sprühe, Kessel glühe!

DRITTE HEXE.

Wolfeszahn und Kamm des Drachen,

Hexenmumie, Gaum und Rachen

Aus des Haifisch scharfem Schlund;

Schierlingswurz aus finsterm Grund;

Auch des Lästerjuden Lunge,[653]

Türkennas' und Tartarzunge;

Eibenreis, vom Stamm gerissen

In des Mondes Finsternissen;

Hand des neugebornen Knaben,

Den die Metz' erwürgt im Graben,

Dich soll nun der Kessel haben.

Tigereingeweid' hinein,

Und der Brei wird fertig sein.

ALLE.

Spart am Werk nicht Fleiß noch Mühe,

Feuer sprühe, Kessel glühe!

ZWEITE HEXE.

Abgekühlt mit Paviansblut,

Wird der Zauber stark und gut.


Hekate kommt.


HEKATE.

So recht! ich lobe euer Walten;

Jede soll auch Lohn erhalten.

Um den Kessel tanzt und springt,

Elfen gleich den Reihen schlingt,

Und den Zaubersegen singt!

GESANG.

Geister weiß und grau,

Geister rot und blau:

Rührt, rührt, rührt,

Rührt aus aller Kraft!

ZWEITE HEXE.

Ha! mir juckt der Daumen schon,

Sicher naht ein Sündensohn –

Laßt ihn ein, wer mag's sein!


Macbeth tritt auf.


MACBETH.

Nun, ihr geheimen, schwarzen Nachtunholde!

Was macht ihr da?

ALLE.

Ein namenloses Werk.

MACBETH.

Bei dem, was ihr da treibt, beschwör' ich euch

(Wie ihr zur Kund' auch kommt), antwortet mir:

Entfesselt ihr den Sturm gleich, daß er kämpft

Gegen die Kirchen, und die schäum'gen Wogen

Vernichten und verschlingen alle Schiffahrt,

Daß reifes Korn sich legt und Wälder brechen,

Daß Burgen auf den Schloßwart niederprasseln,

Daß Pyramiden und Paläste beugen[654]

Bis zu dem Grund die Häupter: Müßte selbst

Der Doppellichter Pracht und Ordnung wild

Zusammen taumeln, ja, bis zur Vernichtung

Erkranken: Antwort gebt auf meine Fragen!

ERSTE HEXE.

Sprich!

ZWEITE HEXE.

Frag'!

DRITTE HEXE.

Wir geben Antwort.

ERSTE HEXE.

Hörst du's aus unserm Munde lieber, oder

Von unsern Meistern?

MACBETH.

Ruft sie, ich will sie sehn!

ZWEITE HEXE.

Gießt der Sau Blut, die neun Jungen

Fraß, noch zu; werft Fett, gedrungen

Aus des Mörders Rabenstein,

In die Glut!

ALLE.

Kommt, groß und klein!

Seid dienstbehend' und stellt euch ein!


Donner. Ein bewaffnetes Haupt steigt aus dem Kessel.


MACBETH.

Sprich, unbekannte Macht –

ERSTE HEXE.

Er weiß dein Fragen:

Hören mußt du, selbst nichts sagen.

DIE ERSCHEINUNG.

Macbeth! Macbeth! Macbeth! scheu' den Macduff,

Scheue den Than von Fife! – Laßt mich – genug!


Versinkt.


MACBETH.

Wer du auch seist, für deine Warnung Dank;

Du trafst den wunden Fleck: – Doch noch ein Wort –

ZWEITE HEXE.

Er läßt sich nicht befehlen. Hier ein andrer,

Mächt'ger als jener.


Donner. Ein blutiges Kind steigt aus dem Kessel.


DIE ERSCHEINUNG.

Macbeth! Macbeth! Macbeth!

MACBETH.

Hätt' ich drei Ohren, hört' ich dich.

DIE ERSCHEINUNG.

Sei blutig, kühn und frech; lach' aller Toren,

Dir schadet keiner, den ein Weib geboren:

Kein solcher kränkt Macbeth!


Versinkt.


MACBETH.

Dann leb' Macduff; was brauch' ich dich zu fürchten?

Doch mach' ich doppelt sicher Sicherheit,

Und nehm' ein Pfand vom Schicksal: – du sollst sterben;[655]

Dann sag' ich zu der bleichen Furcht: du lügst!

Und schlafe trotz dem Donner. –


Donner. Ein gekröntes Kind steigt aus dem Kessel, mit einem Baum in der Hand.


Was ist das,

Das aufsteigt wie der Sprößling eines Königs

Und um die Kindesstirn geflochten hat

Den Kranz der Majestät?

ALLE.

Horch, sprich's nicht an!

DIE ERSCHEINUNG.

Sei löwenkühn und stolz; nichts darfst du scheuen

Wer tobt, wer knirscht, und ob Verräter dräuen:

Macbeth wird nie besiegt, bis einst hinan

Der große Birnams Wald zum Dunsinan

Feindlich emporsteigt.


Versinkt.


MACBETH.

Das kann nimmer werden –

Wer wirbt den Wald? heißt Bäume von der Erden

Die Wurzel lösen? Wie der Spruch entzückt!

Aufruhr ist tot, bis Birnams Waldung rückt

Bergan, und unser Macbeth hochgemut

Lebt bis ans Ziel der Tage, zahlt Tribut

Nur der Natur und Zeit. –

Doch klopft mein Herz, nur eins noch zu erfahren:

Sprecht, kann mir eure Kunst dies offenbaren:

Wird Banquos Same je dies Reich regieren?

ALLE.

Frag' weiter nichts!

MACBETH.

Ich will befriedigt sein: versagt mir das,

Und seid verflucht auf ewig! Laßt mich wissen –


Hoboen.


Warum versinkt der Kessel? Welch Getön'?

ERSTE HEXE.

Erscheint!

ZWEITE HEXE.

Erscheint!

DRITTE HEXE.

Erscheint!

ALLE.

Erscheint dem Aug' und quält den Sinn:

Wie Schatten kommt und fahrt dahin!


Acht Könige erscheinen und gehn über die Bühne, der letzte trägt einen Spiegel; Banquo folgt.[656]


MACBETH.

Du bist zu ähnlich Banquos Geist! Hinab! –

Dein Diadem brennt mir die Augen. – Und du

Mit goldumwundner Stirne gleichst dem ersten: –

Ein dritter wie der zweite – Garst'ge Hexen!

Warum zeigt ihr mir das? Ein vierter! – Blick, erstarre!

Wie! dehnt die Reih' sich bis zum Jüngsten Tag?

Und noch! – Ein siebenter! – Ich will nichts mehr sehn. –

Da kommt der achte noch, und hält 'nen Spiegel,

Der mir viel andre zeigt, und manche seh' ich,

Die zwei Reichsäpfel und drei Szepter tragen –

Furchtbarer Anblick! Ja, ich seh', 's ist wahr;

Denn lächelnd winkt der blutdurchsiebte Banquo

Und deutet auf sie hin, als auf die Seinen. –

Was, ist es so?

ERSTE HEXE.

Ja, alles ist so. – Doch warum

Steht Macbeth da so starr und stumm?

Auf! zu ermuntern seinen Geist,

Ihm unsre schönsten Künste weist!

Durch Zaubertönen luft'ge Weisen;

Auf! tanzt in vielverschlungnen Kreisen!

Der König soll uns Lob gewähren,

Sein Kommen wußten wir zu ehren.


Musik; die Hexen tanzen und verschwinden.


MACBETH.

Wo sind sie? Fort? – Mag diese Unglücksstunde

Verflucht auf ewig im Kalender stehn! –

Herein, du draußen! –


Lenox tritt auf.


LENOX.

Was befiehlt Eu'r Hoheit?

MACBETH.

Sahst du die Zauberschwestern?

LENOX.

Nein, mein König!

MACBETH.

Sie kamen nicht vorbei?

LENOX.

Gewiß nicht, Herr.

MACBETH.

Verpestet sei die Luft, auf der sie fahren,

Und alle die verdammt, so ihnen trauen!

Ich hörte Pferd'galopp – wer kam vorbei?

LENOX.

Zwei oder drei, Herr, die Euch Nachricht brachten,

Daß Macduff floh nach England.[657]

MACBETH.

Floh nach England?

LENOX.

Ja, gnäd'ger Herr.

MACBETH.

O Zeit! vor eilst du meinem grausen Tun!

Nie wird der flücht'ge Vorsatz eingeholt,

Geht nicht die Tat gleich mit: Von Stund' an nun

Sei immer meines Herzens Erstling auch

Erstling der Hand! Und den Gedanken gleich

Zu krönen, sei's getan, so wie gedacht:

Die Burg Macduffs will ich jetzt überfallen;

Fife wird erobert und dem Schwert geopfert

Sein Weib und Kind, und alle armen Seelen

Aus seinem Stamm. Das ist nicht Torenwut;

Es ist getan, eh' sich erkühlt mein Blut. –

Nur keine Geister mehr! – Wo sind die Herrn?

Komm, führ' mich hin zu ihnen!

Sie gehn ab.


Quelle:
William Shakespeare: Sämtliche Werke in vier Bänden. Band 4, Berlin: Aufbau, 1975, S. 653-658.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Macbeth
Lektürehilfen William Shakespeare
Macbeth
Macbeth: Zweisprachige Ausgabe
Die Tragödie des Macbeth (insel taschenbuch)
Macbeth. Textanalyse und Interpretation mit ausführlicher Inhaltsangabe und Abituraufgaben mit Lösungen

Buchempfehlung

Naubert, Benedikte

Die Amtmannin von Hohenweiler

Die Amtmannin von Hohenweiler

Diese Blätter, welche ich unter den geheimen Papieren meiner Frau, Jukunde Haller, gefunden habe, lege ich der Welt vor Augen; nichts davon als die Ueberschriften der Kapitel ist mein Werk, das übrige alles ist aus der Feder meiner Schwiegermutter, der Himmel tröste sie, geflossen. – Wozu doch den Weibern die Kunst zu schreiben nutzen mag? Ihre Thorheiten und die Fehler ihrer Männer zu verewigen? – Ich bedaure meinen seligen Schwiegervater, er mag in guten Händen gewesen seyn! – Mir möchte meine Jukunde mit solchen Dingen kommen. Ein jeder nehme sich das Beste aus diesem Geschreibsel, so wie auch ich gethan habe.

270 Seiten, 13.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Frühromantik

Große Erzählungen der Frühromantik

1799 schreibt Novalis seinen Heinrich von Ofterdingen und schafft mit der blauen Blume, nach der der Jüngling sich sehnt, das Symbol einer der wirkungsmächtigsten Epochen unseres Kulturkreises. Ricarda Huch wird dazu viel später bemerken: »Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht, ohne es selbst zu wissen, nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe.« Diese und fünf weitere große Erzählungen der Frühromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe ausgewählt.

396 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon