Vierter Auftritt

[14] Casperle, Wagner.


WAGNER. Wer lärmt da so? Was wollt ihr, Freund? Was verführt ihr hier für ein Heidenspectakel?

CASPERLE. Ei so hört! Nun kommt ihm noch Geld heraus. Ist das hier zu Land Brauch, die Gäste so lang warten zu laßen, die Hunger und Durst und keinen Pfennig in der Tasche haben?

WAGNER. Ihr seid im Irrthum, guter Freund. Ihr meint wohl, hier wär ein Wirthshaus, wo man für Geld Speis und Trank haben kann. Da müßt ihr ein Haus weiter gehn.

CASPERLE. Was Ihr sagt? Hier ist kein Wirthshaus? Hier kann man nichts haben für sein Geld, wenn man auch keins hat?[15]

WAGNER. Nein, guter Freund, Ihr hörts ja. Das Wirthshaus ist hier neben an.

CASPERLE. Ihr gebt also Niemand für Geld zu eßen und zu trinken?

WAGNER. Nein, sag ich, nein!

CASPERLE. Na, ich bin auch nit so. Wenns nit anders sein kann, will ich euch mein guts Gemüth zeigen und eine Malzeit umsonst annehmen. Ich hätts sonst für Geld gethan, wenn ichs gehabt hätt. Aber nun macht auch weiter keine Umständ. Ich mach auch keine. Setzt sich an den Tisch. Tragt auf was das Haus vermag und wenns doppelt so viel wär. Es kommt mir nit drauf an, wenn ich auch einen Knopf springen laßen muß.

WAGNER für sich. Man muß Mitleid haben mit dem einfältigen, ungelehrten Menschen. Wenn er studiert hätte, wär er vielleicht so lustig nicht. Je gelehrter ich werde, je mehr büß ich an meiner natürlichen Munterkeit ein. Am Ende schlüg ich zwei Fliegen mit Einer Klappe, wenn ich den Burschen zum Bedienten annähme, denn ich hätte zugleich einen Lustigmacher und Grillenvertreiber. [16] Laut. Hör er, guter Freund, mit der Malzeit ist es nichts; aber laß er mit sich reden: vielleicht findet er doch noch ein Stück Brot hier. Ich suche einen Bedienten: da kommt Ihr eben zurecht, wenn Ihr in meine Dienste treten wollt. Ihr sollt es gut bei mir haben: mein Herr, seine Magnificenz, der Doctor Faust, läßt es mir an Nichts fehlen. Ich bin seine rechte Hand, so zu sagen sein alter ego.

CASPERLE. Daraus kann nix werden.

WAGNER. Nun, warum denn nicht? Verscherz er doch sein Glück nicht.

CASPERLE. Warum daraus nix werden kann? Na, das will ich ihm wohl sagen.

WAGNER. Laß er hören.

CASPERLE. Was das Stück Brot betrifft, das wär mir schon recht, wenns auch Kuchen wäre. Aber es kann nix draus werden, weil ich einen Herrn suche.

WAGNER. Nun ja doch, den soll er ja an mir finden.[17]

CASPERLE. Paperlapap! Den kann ich nicht an ihm finden. Er ist ja nur ein Bedienter, und einen Bedienten such ich nit, ich such einen Herrn.

WAGNER. Woher weiß er denn, daß ich ein Bedienter bin?

CASPERLE. Woher ich das weiß? Ja, das rath er einmal. Aber er sieht mir nit aus wie ein Rathsherr. Ich will es ihm nur sagen. Hat er nit von seinem Herrn gesprochen? Wer einen Herrn hat, der ist ein Bedienter. Ich brauch aber keinen Bedienten.

WAGNER. Daran stoß er sich nicht. Wenn ich gleich selbst einen Herren habe, so kann ich doch noch einen Bedienten brauchen. Ich will ihn aber auch, wenns ihm recht ist, in meines Herren Dienste aufnehmen.

CASPERLE. Das ist mir schon recht, wenn ich nur weiß was ich davon hab.

WAGNER. Mein Herr giebt ihm jährlich zwanzig Goldgülden Lohn.[18]

CASPERLE. Zwanzig Goldgülden? Das ist zu wenig. Dafür kann ichs nit thun. Ich verlange zum Wenigsten sechs und dreißig Groschen.

WAGNER. Sechs und dreißig Groschen jährlich?

CASPERLE. Ja jährlich, Jahr für Jahr, alle Jahr, die Gott ins Land gehn läßt. Darunter kann ichs nit thun, mit dem besten Willen nit.

WAGNER. Ei, so ist er nicht klug. Ich biet ihm ja mehr. Laß er sich doch belehren: er thut sich ja selbst den grösten Schaden. Ein Goldgülden ist ja mehr werth als sechs und dreißig Groschen, und ich biet ihm zwanzig. Aber weil ers nicht versteht, so will ich ihm noch sechs und dreißig Groschen Trinkgeld obendrein geben, damit er seinen Willen hat. Ist ers zufrieden? Zwanzig Goldgülden Lohn und sechs und dreißig Groschen Trinkgeld.

CASPERLE. Nein, daraus kann nix werden. Ich will meine Haut so theuer zu Markt tragen als möglich. Ich verlange sechs und dreißig Groschen Lohn und zwanzig Goldgülden Trinkgeld.[19] Sonst sind wir geschiedene Leut. Nun thu er was er nit laßen kann. Dixi!

WAGNER. Er Einfaltspinsel! Aber ich muß dem Kindskopf nachgeben. So soll er seinen Willen haben, ich geb ihm was er verlangt hat. Aber er muß verschwiegen sein.

CASPERLE. Ich kann Alles verschweigen, sonderlich was ich nit weiß. Aber nun laß er die Malzeit anfahren, denn ich bin bei gutem Appetit und werd nit satt von seinem Milchsuppengesicht.

WAGNER. Die Küch ist draußen. Da geh er hin und laße sich speisen.

CASPERLE. Ich will mich nit speisen laßen, ich will selber speisen.

WAGNER. So geh er nur in die Küche: da findet er Alles vollauf.


Ab.


CASPERLE geht ab und singt.

Sauerkraut und Rüben,

Die haben mich vertrieben:

Hätt meine Mutter Fleisch gekocht,

So wär ich bei ihr blieben.


Quelle:
Simrock, Karl: Doctor Johannes Faust. Frankfurt am Main 1846, S. 14-20.
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