2. Szene.

[1] Mephistopheles, Brenner.


BRENNER. Hu!

MEPHISTOPHELES. Du rufst mir?

BRENNER. Ich? Dir?

MEPHISTOPHELES. Nanntest du nicht unsre Gehilfen? Auch ist's Zeit, daß ich dich wecke.

BRENNER. Schlaf' ich denn?

MEPHISTOPHELES. Du schläfst! Bedenke, was du versprachst – unter welcher Bedingung unser Meister deine Zeit fristete!

BRENNER. Diese Spanne, die du mir so kärglich zumissest!

MEPHISTOPHELES. Eine Spanne? Wieviel Tugenden hast du seitdem ermordet? Wieviel ehrliche Namen vernichtet? Wieviel ...[1]

BRENNER. Gewinn für euch. –

MEPHISTOPHELES. Du gehörst uns längst. Wirke bei uns!

BRENNER. Laßt mir Zeit!

MEPHISTOPHELES. Brenner! Böses zu tun bedarf's deren wenig. – Wieweit bist du mit Faust?

BRENNER. Nahe am Ziele.

MEPHISTOPHELES. Laß hören!

BRENNER. Sein Geld ist alle.

MEPHISTOPHELES. Gut.

BRENNER. Seine Bücher ekeln ihn an.

MEPHISTOPHELES. Gut und nicht gut. Wir rechneten ja auf seinen Durst nach Kenntnis.

BRENNER. Den wecken wir, wenn's mein Plan fordert. Jetzt drückt ihn die Zeit blutig. Er treibt sich umher im höfischen Müßiggange.

MEPHISTOPHELES. O gut!

BRENNER. Bald stürzt er sich in die wildesten Zirkel und ertränkt seine Unruhe in Fluten von Wein und ausgelassener Lustigkeit.

MEPHISTOPHELES. Verhüte das!

BRENNER. Bald vergräbt er seine finstere Melancholie in düstre Einsamkeit.

MEPHISTOPHELES. Sehr gut!

BRENNER. Zwar hat er hin und wieder Rückfälle von Scham, von Reue –

MEPHISTOPHELES. Vortrefflich!

BRENNER. Was sagst du?

MEPHISTOPHELES. Das sind die Momente, die wir fassen müssen. Gefesselte Reue, hoffnungslose Scham sind die Ammenbrüste der Verzweiflung. Sorge nur ...

BRENNER. Sei ruhig! Noch ist so manche Stelle seiner Seele ohne Wunde; aber meine Dolche suchen sie rastlos auf. Tausend Netze sind gespannt. Ein Dummer fiele drein, geschweige der gelehrte Doktor. – Ich brüte über einem Plane: Ich habe seinem Vater wissen lassen; seine Gläubiger sind aufgeschreckt.[2] – Ich höre unsre Kameraden. – Sorge nicht und sei bei der Hand, wenn ich dein bedarf!

MEPHISTOPHELES. Fehlt' ich dir je? Verschwindet.

BRENNER. O wahr! Luftiger Bösewicht, nur zu wahr!


Quelle:
Soden, Julius von: Doktor Faust. Neustadt a.d. Aisch 1931, S. 1-3.
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