2. Szene.

[38] Liese heraustretend. Vorige.


LIESE. Seid willkommen! Milch und Stroh ist alles, was wir haben.

DOKTOR FAUST der rückwärts stand, in ihre Arme stürzend. Elise!

LIESE. Du bist's, lieber Hans?

DOKTOR FAUST. Ich bin es, dein treuer Geliebter.

LIESE. Bist du es denn auch wirklich? Sie befühlt ihn.

DOKTOR FAUST. Du zweifelst?

LIESE. Ja, die Leute sprachen auch wunderlich Zeug.

DOKTOR FAUST. Küsse mich und laß sie schwätzen!

LIESE. Und ich habe mir bald die Augen darüber ausgeweint.

DOKTOR FAUST. Armes Kind!

LIESE. Ich sehe nun wohl, daß sie mich zum besten gehabt haben.

DOKTOR FAUST. Was sagten denn die Leute?

LIESE. Sie sagten, sie sagten – ja, du wirst böse werden –

DOKTOR FAUST. Sorge nicht!

LIESE. Du wirst ganz gewiß böse werden.

DOKTOR FAUST. Ich beteure dir's, nein!

LIESE. Sie sagten, du wärst – wenn du aber böse wirst?

DOKTOR FAUST. Sei doch ruhig!

LIESE. Du wärst ein Hexenmeister geworden.

DOKTOR FAUST. Ein Hexenmeister?[38]

LIESE. Und wärst mit dem – Sieht sich um. du verstehst mich schon, in den Lüften davongefahren.

DOKTOR FAUST. In den Lüften?

LIESE. Ja, ja, in den Lüften. Hoch! so hoch! Pantomimisch zeigend.

DOKTOR FAUST. Ist's möglich?

LIESE. Und du hättest soviel Gold, daß es nicht in unsers Schulzen Scheune ginge.

DOKTOR FAUST. Was die Leute alles sagen!

LIESE. Und da sagten sie auch: Gib acht, nun wird Liese auch reich werden und eine hohe Haube tragen mit goldnen Spitzen und ein Mieder mit silbernen Ketten, so lang –

DOKTOR FAUST. Wirklich?

LIESE. Und da wird man sie für Hochmut nicht mehr kennen, wenn sie zur Kirche geht.

DOKTOR FAUST. Und du, Elise?

LIESE. Ja, ich glaubte das alles nicht, denn wo solltest du soviel Gold hernehmen? Dein Vater hat ja kein Stückchen Feld im Flur so groß und das Hüttchen ist auch verkauft.

DOKTOR FAUST. Ist's verkauft?

LIESE. Und wie wir denn nichts mehr von dir hörten, da foppten sie mich obendrein und hießen mich die reiche Frau Doktorin und der Schulz sagte zu meiner Mutter: Hätte sie sich nicht mit Fausts Hausen verhängt und hättet ihr nicht darüber eure Kuh verkaufen müssen, ich hätte ihr meinen Michel gegeben.

DOKTOR FAUST. Des Schulzen Michel? Hättest du ihn denn genommen?

LIESE verschämt. I nun, es ist ein hübscher, schlanker Bursche. Du kennst ihn ja.

DOKTOR FAUST. Aber ich kenne dich nicht mehr. – Gott! – Elise! Ich bin kein Hexenmeister; aber Gold hab' ich.

LIESE. Wo hast du's denn her?

DOKTOR FAUST. Ich fand einen verborgenen Schatz.

LIESE horchend. Wirklich?[39]

DOKTOR FAUST. Aber schweige!

LIESE. Nun kannst du wohl der Mutter eine Kuh kaufen?

DOKTOR FAUST. Allerdings.

LIESE. Und mir eine goldne Haube?

DOKTOR FAUST. Ganz gewiß.

LIESE. Und silberne Ketten zum Mieder?

DOKTOR FAUST. Freilich.

LIESE. Aber so lang, wie sie's in der Stadt tragen.

DOKTOR FAUST. Nicht anders.

LIESE. O Freude über Freude! Will ab.

DOKTOR FAUST. Wo willst du hin?

LIESE. Zu des Wirts Anne. Du weißt ja, wie sie sich brüstet; die wird sich ärgern, wenn ich ihr das erzähle, die wird sich ärgern! Ich komme gleich wieder! Hüpft ab.


Quelle:
Soden, Julius von: Doktor Faust. Neustadt a.d. Aisch 1931, S. 38-40.
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