An ein Abendlüftchen

[198] In Theresens Namen, an ihren Gemahl in Spanien


Wehe, liebes Abendlüftchen!

Meinem theuern Gatten zu,

Sag' ihm, für Dich fleht Therese

Tiefbewegt um Seelenruh;


Wenn er im Orangenhaine

Voller Sehnsucht einsam geht,

Der Zitronen süsse Blüthe

In den Abendlüften weht;


Wenn er sinnend dann und traurig

In vergangne Tage blickt,

Wo ihn hold der Liebe Zauber

In Theresens Arm beglückt;


O dann, seidnes Lüftchen! sage:

Ewig glühet Dir ihr Herz;

Vor dem Bild der schönern Tage

Weicht der Trennung banger Schmerz!


Wiedersehen, Wiedersehen!

Schimmer einer bessern Welt!

Du verklärst die bange Thräne,

Die auf welke Blüthen fällt.

Quelle:
Elise Sommer: Gedichte, Frankfurt a.M. 1813, S. 198-199.
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