Dreisilbige Charade

[280] Wenn Schlaf nicht mehr dein Auge schliesst,

Und dämmernd sich die Blicke heben,

Dann ist's mein Erstes, was dich grüsst,

Dann siehst du mich in Glorie schweben.


Der Träum' und Launen hab' ich viel;

Bald wall' ich düster dir zur Seite,

Bald wecket dich mein Farbenspiel,

Im schönen Lichtgewand der Freude!


Mein Zweites ist des Waldes Pracht,

Dort schmückt's der Eiche stolze Krone,

Wenn hold das Glück dem Sieger lacht,

Dann kränz' ich seine Stirn zum Lohne.


Aus Prachtgefässen wallt mein Duft,

Bei lauter Lust und stiller Klage,

Ich traure mit an öder Gruft,

Und hülle mich um Sarkophage.


Vereint würz' ich als Zeitschrift dir

Des jungen Tages schönste Stunden;

Dann lächeln deine Blicke mir,

Für jede Lust, die du empfunden!

Quelle:
Elise Sommer: Gedichte, Frankfurt a.M. 1813, S. 280-281.
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