Erster Auftritt.

[22] Osmin, Blonde.


BLONDE. O des Zankens, Befehlens und Murrens wird auch kein Ende! Einmal für allemal: das steht mir nicht an! Denkst du alter Murrkopf etwa eine türkische Sklavinn vor dir zu haben, die bey deinen Befehlen zittert? o da irrst du dich sehr! Mit europäischen Mädchen springt man nicht so herum; denen begegnet man ganz anders.


Durch Zärtlichkeit und Schmeicheln,

Gefälligkeit und Scherzen,

Erobert man die Herzen

Der guten Mädchen leicht:

Doch mürrisches Befehlen

Und Poltern, Zanken, Plagen

Macht, daß in wenig Tagen

So Lieb' als Treu entweicht.[22]

OSMIN. Ey seht doch mal, was das Mädchen vorschreiben kann! Zärtlichkeit! Schmeicheln! – Es ist mir wie pure Zärtlichkeit! – Wer Teufel hat dir das Zeug in Kopf gesetzt? – Hier sind wir in der Türkey, und da gehts aus einem andern Tone. Ich dein Herr; du meine Sklavinn; ich befehle, du mußt gehorchen!

BLONDE. Deine Sklavinn? ich deine Sklavinn! – Ha! ein Mädchen eine Sklavinn! Noch einmal sag mir das, noch einmal!

OSMIN für sich. Ich möchte toll werden, was das Mädchen für ein starrköpfiges Ding ist. Laut. Du hast doch wohl nicht vergessen, daß dich der Bassa mir zur Sklavinn geschenkt hat?

BLONDE. Bassa hin, Bassa her! Mädchen sind keine Waare zum Verschenken! Ich bin eine Engländerinn, zur Freyheit gebohren; und trotz jedem, der mich zu etwas zwingen will!

OSMIN bey Seite. Gift und Dolch über das Mädchen! – Beym Mahomet! sie macht mich rasend. – Und doch lieb ich die Spitzbübinn, trotz ihres tollen Kopfes! Laut. Ich befehle dir augenblicklich, mich zu lieben.

BLONDE. Hahaha! Komm mir nur ein wenig näher, ich will dir fühlbare Beweise davon geben.

OSMIN. Tolles Ding! Weißt du, daß du mein bist, und ich dich dafür züchtigen kann?

BLONDE. Wag's nicht, mich anzurühren, wenn dir deine Augen lieb sind.

OSMIN. Wie? du unterstehst dich –[23]

BLONDE. Da ist was zu unterstehen? Du bist der Unverschämte, der sich zu viel Freyheit heraus nimmt. So ein altes häßliches Gesicht untersteht sich, einem Mädchen wie ich, jung, schön, zur Freude geboren, wie einer Magd zu befehlen! Wahrhaftig, das stünde mir an! uns gehört das Regiment; ihr seyd unsre Sklaven, und glücklich, wenn ihr Verstand genug habt, euch die Ketten zu erleichtern.

OSMIN. Bey meinem Bart, sie ist toll! Hier hier in der Türkey?

BLONDE. Türkey hin, Türkey her! Weib ist Weib, sie sey wo sie wolle! Sind eure Weiber solche Närrinnen, sich von euch unterjochen zu lassen, desto schlimmer für sie; in Europa verstehen sie das Ding besser. Laß mich nur einmal Fuß hier gefaßt haben, sie sollen bald anders werden.

OSMIN. Beym Alla! die wär' im Stande uns allen die Weiber rebellisch zu machen – Aber –

BLONDE. Aufs Bitten müßt ihr euch legen, wenn ihr etwas von uns erhalten wollt; besonders Liebhaber deines Gelichters.

OSMIN. Freylich, wenn ich Pedrillo wär', so ein Drathpüppchen wie er, da wär' ich vermuthlich willkommen; denn euer Mienenspiel hab' ich lange weg.

BLONDE. Errathen, guter Alter, errathen! das kannst du dir wohl einbilden, daß mir der niedliche[24] Pedrillo lieber ist, wie dein Blasbalggesicht. Also wenn du klug wärst –

OSMIN. Sollt' ich dir die Freyheit geben, zu thun und zu machen, was du wolltest? He?

BLONDE. Besser würdest du immer dabey fahren: denn so wirst du sicher betrogen.

OSMIN. Gift und Dolch! Nun reißt mir die Gedult! den Augenblick hinein ins Haus! Und wo du's wagst –

BLONDE. Mach' mich nicht zu lachen.

OSMIN. Ins Haus, sag' ich!

BLONDE. Nicht von der Stelle!

OSMIN. Mach' nicht, daß ich Gewalt brauche.

BLONDE. Gewalt werd' ich mit Gewalt vertreiben. Meine Gebietherinn hat mich hier in Garten bestellt; sie ist die Geliebte des Bassa, sein Augapfel, sein Alles; und es kostet mir ein Wort, so hast du funfzig auf die Fußsohlen. Also geh –

OSMIN für sich. Das ist ein Satan. Ich muß nachgeben, so wahr ich ein Muselmann bin; sonst könnte ihre Drohung eintreffen.


Ich gehe, doch rathe ich dir

Den Schurken Pedrillo zu meiden.

BLONDE.

O pack' dich, befiehl' nicht mit mir,

Du weist ja, ich kann es nicht leiden.

OSMIN.

Versprich mir – –

BLONDE.

Was fällt dir da ein![25]

OSMIN.

Zum Henker – –

BLONDE.

Fort, laß mich allein.

OSMIN.

Wahrhaftig kein'n Schritt von der Stelle,

Bis du zu gehorchen mir schwörst.

BLONDE.

Nicht so viel, du armer Geselle,

Und wenn du der Großmogul wärst.


Zusammen jedes für sich.


OSMIN.

O Engländer! seyd ihr nicht Thoren,

Ihr laßt euren Weibern den Willen,

Wie ist man geplagt und geschoren,

Wenn solch' eine Zucht man erhält!

BLONDE.

Ein Herz, so in Freyheit geboren,

Läßt niemals sich sklavisch behandeln;

Bleibt, wenn schon die Freyheit verloren,

Noch stolz auf sie, lachet der Welt.

BLONDE.

Nun troll' dich.

OSMIN.

So sprichst du mit mir?

BLONDE.

Nicht anders.

OSMIN.

Nun bleib ich erst hier.

BLONDE stößt ihn fort.

Ein andermal, itzt mußt du gehen.[26]

OSMIN.

Wer hat solche Frechheit gesehen!

Zusammen.


BLONDE stellt sich als wollte sie ihm die Augen auskratzen.

Es ist um die Augen geschehen,

Wofern du noch länger verweilst.

OSMIN furchtsam zurückweichend.

Nur ruhig, ich will ja gern gehen,

Bevor du gar Schläge ertheilst.


Geht ab.


Quelle:
Wolfgang Amadeus Mozart: Die Entführung aus dem Serail. Wien 1782, S. 22-27.
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