Achter Auftritt.

[35] Pedrillo, Osmin.


OSMIN. Ha! Geht's hier so lustig zu? Es muß dir verteufelt wohl gehen.

PEDRILLO. Ey, wer wird so ein Kopfhänger seyn; es kommt beym Henker da nichts bey heraus! das haben die Pedrillos von jeher in ihrer Familie gehabt. Fröhlichkeit und Wein versüßt die härteste Sklaverey. Freylich könnt ihr armen Schlucker das nicht begreifen, daß es so ein herrlich Ding um ein Gläschen guten alten Lustigmacher ist. Wahrhaftig, da hat euer Vater Mahomet einen verzweifelten Bock geschossen, daß er euch den Wein verboten hat. Wenn das verwünschte Gesetz nicht wäre, du müßtest ein Gläschen mit mir trinken, du möchtest wollen oder nicht. Für sich. Vielleicht beißt er an: er trinkt ihn gar zu gerne.

OSMIN. Wein mit dir? Ja Gift –[35]

PEDRILLO. Immer Gift und Dolch, und Dolch und Gift! Laß doch den alten Groll einmal fahren und sey vernünftig. Sieh einmal, ein Paar Flaschen Cyperwein! – Ah – Er zeigt ihm zwo Flaschen, wovon die eine größer als die andere ist. die sollen mir treflich schmecken!

OSMIN für sich. Wenn ich trauen dürfte?

PEDRILLO. Das ist ein Wein das ist ein Wein! Er setzt sich nach türkischer Art auf die Erde, und trinkt aus der kleinen Flasche.

OSMIN. Kost einmal die große Flasche auch.

PEDRILLO. Denkst wohl gar, ich habe Gift hinein gethan? Ha! laß dir keine grauen Haare wachsen. Es verlohnte sich der Mühe, daß ich deinetwegen zum Teufel führe. Da sieh, ob ich trinke. Er trinkt aus der großen Flasche ein wenig. Nun hast du noch Bedenken? traust mir noch nicht? Pfuy, Osmin! sollt'st dich schämen – Da nimm! Er giebt ihm die große Flasche. Oder willst du die kleine?

OSMIN. Nein, laß nur, laß nur! Aber wenn du mich verräthst. – Sieht sich sorgfältig um.

PEDRILLO. Als wenn wir einander nicht weiter brauchten. Immer frisch! Mahomet liegt längst aufm Ohr, und hat nöthiger zu thun, als sich um deine Flasche Wein zu bekümmern.

Duett.


PEDRILLO.

Vivat, Bachus!

Bachus lebe!

Bachus war ein braver Mann![36]

OSMIN.

Ob ichs wage?

Ob ich trinke?

Ob's wohl Alla sehen kann?

PEDRILLO.

Was hilft das Zaudern?

Hinunter, hinunter!

Nicht lange, nicht lange gefragt!

OSMIN.

Nun war's geschehen,

Nun war's hinunter:

Das heiß ich, das heiß ich gewagt!

BEYDE.

Es leben die Mädchen,

Die Blonden, die Braunen,

Sie leben hoch!

PEDRILLO.

Das schmeckt treflich!

OSMIN.

Das schmeckt herrlich!

BEYDE.

Ah! das heiß ich Göttertrank!

Vivat Bachus,

Bachus lebe,

Bachus, der den Wein erfand!

PEDRILLO. Wahrhaftig, das muß ich gestehen, es geht doch nichts über den Wein. Wein ist mir lieber, als Geld und Mädchen. Bin ich verdrüßlich, mürrisch, launisch: hurtig nehm' ich meine Zuflucht zur Flasche; und kaum seh' ich den ersten Boden: weg ist all mein Verdruß! – Meine[37] Flasche macht mir kein schiefes Gesicht, wie mein Mädchen, wenn ihr der Kopf nicht auf dem rechten Flecke steht. Und schwatzt mir von Süßigkeit der Liebe und des Ehestands, was ihr wollt: Wein auf der Zunge geht über alles!


Osmin fängt bereits an die Wirkung des Weins und des Schlaftrunks zu spüren, und wird bis zu Ende des Auftritts immer schläfriger und träger, doch darf's der Schauspieler nicht übertreiben, und muß nur immer halb träumend und schlaftrunken bleiben.


OSMIN. Das ist wahr – Wein – Wein – ist ein schönes Getränke; und unser grosser – Prophet mag mirs nicht übel nehmen – Gift und Dolch! es ist doch eine hübsche Sache um den Wein! – Nicht – – Bruder Pedrillo?

PEDRILLO. Richtig, Bruder Osmin, richtig!

OSMIN. Man wird gleich so – munter Er nickt zuweilen. so vergnügt – so aufgeräumt – – Hast du nichts mehr, Bruder? Er langt auf eine lächerliche Art nach einer zwoten Flasche, die Pedrillo ihm reicht.

PEDRILLO. Hör du, Alter: trink mir nicht zu viel; es kommt einem in Kopf.

OSMIN. Trag doch keine – Sorge, ich bin so – so – nüchtern wie möglich – Aber das ist wahr – Er fängt an, auf die Erde hin und her zu wanken. es schmeckt – – vortreflich![38]

PEDRILLO für sich. Es wirkt, Alter; es wirkt!

OSMIN. Aber verrathen mußt du mich nicht – Brüderchen – verrathen – denn – wenns Mahomet – – nein, nein – der Bassa wüßte – – denn siehst du – – – liebes Blondchen – – ja oder nein! – –

PEDRILLO für sich. Nun wirds Zeit, ihn fortzuschaffen! Laut. Nun komm, Alter, komm, wir wollen schlafen gehn! Er hebt ihn auf.

OSMIN. Schlafen? – Schämst du dich nicht? – – Gift und Dolch! Wer wird denn so schläfrig seyn – es ist ja kaum Morgen –

PEDRILLO. Ho ho, die Sonne ist schon hinunter! – Komm, komm, daß uns der Bassa nicht überrascht!

OSMIN im Abführen. Ja, ja, – – eine Flasche – guter – Bassa – geht über – – alles! – gute Nacht – – Brüderchen – gute Nacht. –

Pedrillo führt ihn hinein, kommt aber gleich wieder zurück.


Quelle:
Wolfgang Amadeus Mozart: Die Entführung aus dem Serail. Wien 1782, S. 35-39.
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