Neunter Auftritt.

[39] Pedrillo, hernach Belmonte, Konstanze, Blonde.


PEDRILLO machts Osmin nach. Gute Nacht – Brüderchen – gute Nacht! Hahahaha, alter Eisenfresser! erwischt man dich so? Gift[39] und Dolch! – Du hast deine Ladung! Nur fürcht' ich, ists noch zu zeitig am Tage; bis Mitternacht sind noch drey Stunden, und da könnt er leicht wieder ausgeschlafen haben. – – Ach! kommen Sie, kommen Sie, liebster Herr! Unser Argus ist blind; ich hab' ihn tüchtig zugedeckt.

BELMONTE. O daß wir glücklich wären! – Aber sag': ist Konstanze noch nicht hier?

PEDRILLO. Eben kommt sie da den Gang herauf. Reden Sie alles mit ihr ab: aber fassen Sie sich kurz; denn der Verräther schläft nicht immer.


Währender Unterredung des Belmonte mit Konstanzen, unterhält sich Pedrillo mit Blonden, der er durch Pantomime den ganzen Auftritt mit dem Osmin vormacht, und jenen nachahmt; zuletzt unterrichtet er sie ebenfalls, daß er um Mitternacht mit einer Leiter unter ihr Fenster kommen wolle, um sie zu entführen.


KONSTANZE. O mein Belmonte!


Einander im Arme.


BELMONTE. O Konstanze!

KONSTANZE. Ists möglich? – Nach so viel Tagen der Angst, nach so viel ausgestandnen Leiden, dich wieder in meinen Armen –

BELMONTE. O, dieser Augenblick versüßt allen Kummer, macht mich all meinen Schmerz vergessen –

KONSTANZE. Hier will ich an deinem Busen liegen und weinen! – Ach, jetzt fühl ich's – die Freude hat auch ihre Thränen![40]

BELMONTE.

Wenn der Freude Thränen fließen,

Lächelt Liebe dem Geliebten hold!

Von den Wangen sie zu küssen,

Ist der Liebe schönster, größter Sold.

Ach Konstanze! dich zu sehen,

Dich voll Wonne, voll Entzücken

An mein treues Herz zu drücken,

Lohnt fürwahr nicht Krösus Pracht!

Daß wir uns niemals wiederfinden!

So dürfen wir nicht erst empfinden

Welchen Schmerz die Trennung macht.


Ich hab hier ein Schiff in Bereitschaft; um Mitternacht, wenn alles schläft, komm ich an dein Fenster; und dann sey die Liebe unser Schutzengel!

KONSTANZE. Mit tausend Freuden! was wollt ich nicht mit dir wagen? Ich erwarte dich –

PEDRILLO. Also, liebes Blondchen, paß ja hübsch auf, hörst du's?

BLONDE. Sorge für mich nicht. Das wär das erste Abentheuer, das ein Mädchen verschlafen hätte.

PEDRILLO. Du wirft's schon merken, wenn du so was Gesungenes hörst, wie's so meine Art des Abends immer ist; dann paß auf, und dann mit einem Sprung ins Schiff! – Nur hübsch Muth gefaßt, und nicht verzagt: Wer alles zu verlieren hat, muß alles wagen![41]

KONSTANZE. Wenn es aber nur glücklich abläuft!

BELMONTE. Wir wollen's hoffen; die Liebe wird unsre Geleiterinn seyn.

Quartett.


KONSTANZE.

Ach Belmonte! ach mein Leben!

BELMONTE.

Ach Konstanze! ach mein Leben!

KONSTANZE.

Ist es möglich? welch' Entzücken!

Dich an meine Brust zu drücken

Nach so vieler Tage Leid.

BELMONTE.

Welche Wonne, dich zu finden!

Nun muß aller Kummer schwinden,

O! wie ist mein Herz erfreut!

KONSTANZE.

Sieh die Freudenthräne fließen.

BELMONTE.

Holde! laß hinweg sie küssen!

KONSTANZE.

Daß es doch die letzte sey!

BELMONTE.

Ja, noch heute wirst du frey.

PEDRILLO.

Also Blondchen hast's verstanden?

Alles ist zur Flucht vorhanden,

Um Schlag zwölfe sind wir da.[42]

BLONDE.

Unbesorgt! es wird nichts fehlen,

Die Minuten werd' ich zählen,

Wär' der Augenblick schon da!

ALLE VIER.

Endlich scheint die Hoffnungssonne

Hell durchs trübe Firmament!

Voll' Entzücken, Freud' und Wonne,

Sehn wir unsrer Leiden End!

BELMONTE.

Doch, ach! bey aller Lust

Empfindet meine Brust

Noch manch' geheime Sorgen!

KONSTANZE.

Was ist es, Liebster, sprich,

Geschwind erkläre dich,

O halt mir nichts verborgen!

BELMONTE.

Man sagt: du seyst – – –

KONSTANZE.

Nun weiter?


Belmonte und Konstanze sehn einander still' schweigend und furchtsam an.


PEDRILLO er zeigt, daß er wage gehenkt zu werden.

Doch Blondchen, ach! die Leiter!

Bist du wohl so viel werth?[43]

BLONDE.

Hanns Narr! sch nappt's bey dir über?

Ey hättest du nur lieber

Die Frage umgekehrt.

PEDRILLO.

Doch Herr Osmin – –

BLONDE.

Laß hören!

KONSTANZE.

Willst du dich nicht erklären?

Zugleich.


BELMONTE

Ich will. Doch zürne nicht,

Wenn ich nach dem Gerücht,

So ich gehört, es wage,

Dich zitternd, bebend frage,

Ob du den Bassa liebst?

KONSTANZE sie weint.

O! wie du mich betrübst!

PEDRILLO

Hat nicht Osmin etwan,

Wie man fast glauben kan,

Sein Recht als Herr probiret

Und bey dir exerciret?

Dann wär's ein schlechter Kauf.

BLONDE giebt ihm eine Ohrfeige.

Da, nimm die Antwort drauf.

PEDRILLO hält sich die Wange.

Nun bin ich aufgeklärt.

BELMONTE kniet nieder.

Konstanze! ach vergieb!

BLONDE geht zornig von Pedrillo.

Du bist mich gar nicht werth.[44]

KONSTANZE seufzend sich von Belmonte wegwendend.

Ob ich dir treu verblieb!


Anfangs allein, dann alle Viere.


BLONDE zu Konstanze.

Der Schlingel fragt sich an:

Ob ich ihm treu geblieben?

KONSTANZE zu Blonde.

Dem Belmont sagte man,

Ich soll den Bassa lieben.

PEDRILLO hält sich die Backe.

Daß Blonde ehrlich sey,

Schwör' ich bey allen Teufeln.

BELMONTE zu Pedrillo.

Konstanze ist mir trau,

Daran ist nicht zu zweifeln.

Zugleich.


BLONDE UND KONSTANZE

Wenn unsrer Ehre wegen

Die Männer Argwohn hegen,

Verdächtig auf uns sehn,

Das ist nicht auszustehn.

BELMONTE UND PEDRILLO.

So bald sich Weiber kränken,

Daß wir sie untreu denken,

Dann sind sie wahrhaft treu,

Von allem Vorwurf frey.

[45] Zugleich.


PEDRILLO

Liebstes Blondchen! ach! verzeihe,

Sieh, ich bau auf deine Treue

Mehr itzt als auf meinen Kopf!

BLONDE.

Nein, das kann ich dir nicht schenken,

Mich mit so was zu verdenken,

Mit dem alten dummen Tropf!

BELMONTE.

Ach Konstanze! ach mein Leben,

Könntest du mir doch vergeben,

Daß ich diese Frage that?

KONSTANZE.

Belmont! wie du konntest glauben,

Daß man dir das Herz könnt rauben?

Das nur dir geschlagen hat!

PEDRILLO UND BELMONTE.

Ach verzeihe!

Ich bereue!

KONSTANZE UND BLONDE.

Ich verzeihe

Deiner Reue!

ALLE VIERE.

Wohl, es sey nun abgethan!

Es lebe die Liebe!

Nur sie sey uns theuer,

Nichts fache das Feuer

Der Eifersucht an.


Alle ab.


Ende des zweyten Aufzugs.
[46]

Quelle:
Wolfgang Amadeus Mozart: Die Entführung aus dem Serail. Wien 1782, S. 39-47.
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