Siebenter Auftritt.

[85] Rosalie im Zimmer rechts. Sichel, Gotthold zu seiner Linken.


ROSALIE im Zimmer rechts. Was giebt's? Wer ist da?

SICHEL. Ich, dein Sklav', dein Herr, dein Diener!

ROSALIE wie vorher. Ums Himmels willen, sieh, wie du aus dem Hause kommst.

SICHEL. O mein Engel, deshalb sorge du nicht. Ich war schon draußen, bin schon wieder herein und werd' auch wieder hinauskommen; denn was kann die Liebe nicht. Wenn du sehen könntest, wie sie mich zugerichtet hat! Meine geraden Glieder sind hin. Ich hinke jetzt, hab' eines von den schönen Augen verloren, worin du dich so oft spiegeltest und die du so bewundertest. Kurz, ich sehe aus wie der leibhafte Sturmwald.

GOTTHOLD. Ums Himmels willen, laß Er die Possen.

ROSALIE wie vorher. Was ist denn geschehen?

SICHEL. Probiere nur, ob du aufmachen kannst. Du wirst alles erfahren.

Rosalie versucht von innen das Schloß aufzumachen.


GOTTHOLD. Er wird noch alles verderben.

SICHEL. Sorgen Sie nicht. Ich will nur das Vergnügen haben, mich von ihr bedauern zu hören! Das ist vorderhand so eine kleine Wollust, die einem ganz excellent wohlthut, und um diese wollen Sie mich doch nicht bringen.

ROSALIE welche die Thür endlich aufbringt und herauseilt, erschrickt vor Sichels Verkleidung und tritt schreiend zurück. Ah!

GOTTHOLD links. Ums Himmels willen, schreien Sie nicht![85]

SICHEL in der Mitte, sich traurig stellend. Nicht wahr? Ich sehe zum Erbarmen aus?

ROSALIE rechts. Sag' mir nur, was das heißen soll?

GOTTHOLD. Es ist nur Verstellung! Verdrießlich zu Sichel. Ich wette, Er wird so lange Spaß treiben, bis unser ganzer Entwurf scheitert.

ROSALIE zu Gotthold. Und Sie? Wie sehen denn Sie aus? Ich begreife nicht –

SICHEL. Auch eine Metamorphose der Liebe. Kurz, wir sind hier, euch zu befreien. Er zeigt nach links. Der wahre Sturmwald liegt da drin und schnarcht. Meister Stößel nimmt mich dafür, eben holt er seine Tochter, den Kontrakt zu unterschreiben. Ich schicke euch alsdann unter dem Vorwand, ein Brautfrühstück bei mir einzunehmen, mit dem Herrn Notarius voraus. Halte alsdann die Alten hier noch so lange auf, bis ich glaube, daß ihr aus der Stadt seid, dann komme ich nach. Wagen und Quartier, alles ist schon bestellt, und somit wollen wir noch vormittags kopuliert sein und abends als junge Eheleute zurückkehren. Gefällt dir das, mein Engel?

Gotthold wird unruhig, geht nach hinten an die Mittelthür und horcht.


ROSALIE. Ganz vortrefflich! Wenn nur alles geht, wie es soll.

SICHEL. Das wird es sicher.

GOTTHOLD. Wenn Er's nicht verdirbt. Ich dächte, Sie gingen wieder ins Zimmer, damit die Alle nicht Unrat merkt, wenn sie kommt.

ROSALIE. Ja, das will ich! Sie will sich entfernen. Nur klug und behutsam!

SICHEL. Keine Sorge! Wart', ich geh' mit! ich habe dir noch manches zu sagen.

ROSALIE. Nicht doch! Sie hält ihn ab.

GOTTHOLD. So bleib' Er doch da. Es ist ja alles hin, wenn sie kommen und Er ist drin.

SICHEL. Ich muß. Ich werde schon noch eher herauskommen, und allenfalls geben Sie mir ein Zeichen, wenn sie eher kämen. Er läßt sich nicht aufhalten und geht mit Rosalie ab ins Zimmer rechts.[86]


Quelle:
Karl Ditters von Dittersdorf: Doktor und Apotheker. Dichtung von Stephanie dem Jüngeren, Leipzig [o. J.], S. 85-87.
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