Zwanzigster Auftritt.

[299] Clärchen, Erster Poet, dann Zweyter Poet, Lukrezia, Virginia und Orpheus


ERSTER POET eilends.

O Königinn der Musen

Laß mich an Deinem Busen

Doch nur ein wenig ruhn!

CLÄRCHEN stößt ihn von sich.

Ich kenne keine Musen!

Und hier an meinem Busen

Hat niemand auszuruhn.[299]

ZWEYTER POET ebenfalls eilends.

Hier suchst Du Dich zu schützen

Vor meines Donners Blitzen?

Du armer Erdensohn!

BEYDE POETEN indem jeder Clärchen bey der Hand nimmt, erst allein, dann zusammen.

Kind laß Dich nicht bethören

Ihn etwa anzuhören,

Du hast nur Schimpf davon.

CLÄRCHEN die sich loszumachen sucht.

Ich mag Euch keinen hören,

Ihr könnt Euch beyde scheren

Ich jag' Euch sonst davon!

LUKREZIA UND VIRGINIA jede läuft zu einem Poeten und nimmt ihn bey der Hand.

Du fliehst vor mir vergebens

Geliebter meines Lebens!

Ich folg' Dir überall.

DIE ZWEY POETEN die sich von Lukrezia und Virginia loszumachen suchen.

Fort Nomphe laß mich gehen

Ich sags zum letztenmal.

VIRGINIA UND LUKREZIA die die Poeten fest halten.

Ich lasse Dich nicht gehen,

Ich folg' Dir überall.

CLÄRCHEN die sich von den Poeten loszumachen sucht.

Ihr Narren laßt mich gehen,

Ich sags zum letztenmal.[300]

CLÄRCHEN rufend.

He! Hülfe! Hört Niemand?

ORPHEUS herbeyeilend.

Die Stimm' ist mir bekannt.

CLÄRCHEN.

Herr Orpheus, kommen Sie,

Und helfen Sie mir schreien.

ORPHEUS.

Ich will Sie gleich befreyen.


Er spielt auf seiner Violine.


CLÄRCHEN.

Das ist verlorne Müh.

DIE POETEN zu Clärchen. VIRGINIA UND LUKREZIA zu den Poeten, durch einander und theils zugleich.

Du magst Dich noch so sträuben

Doch werd ich treu verbleiben,

Ich lasse nicht von Dir.

CLÄRCHEN die sich noch immer loszumachen sucht.

Was hilft mich all mein Sträuben

Ich muß gefangen bleiben,

Kömmt keins zu Hülfe mir.

ORPHEUS der indessen immer auf der Violin gespielt, schlägt endlich die Poeten mit der Violine auf die Köpfe, daß solche entzwey springt. Die Poeten lassen sodann Clärchen los, und machen sich von Virginia und Lukrezia los.

Kann Euch mein Ton nicht rühren,

So werdet Ihr doch spüren,

Wenn man Euch Schläge giebt.

[301] CLÄRCHEN.

Nun balgt Euch meinetwegen.

So lang es Euch gefällt.


Ab.


DIE POETEN indem sie sich von den Närrinnen befreyn.

Insekt! Du drohst mit Schlägen?

Nun schützt Dich keine Welt.

Die Poeten packen einander an, der erste reißt dem zweyten den langen Bart aus, und der zweyte reißt dem ersten den Kranz vom Kopfe. Während diesem betrachtet


ORPHEUS betrübt seine Violine und singt

Ist's möglich, was ich sehe

Mein Instrument ist hin?

VIRGINIA UND LUKREZIA ebenfalls betrübt, jede für sich.

Ist's möglich, was ich sehe,

Daß ich verstoßen bin?

DIE POETEN sobald der eine den Bart, der andere den Kranz verloren hat, stehen sie betrübt da.

O wär' ich nicht geboren!

Mein Dichterschmuck ist hin!

ALLE jedes für sich in äußerster Betrübniß.

O weh! – ich bin verloren!

ORPHEUS.

Mein Instrument ist hin!

DIE POETEN.

Mein Dichterschmuck ist hin![302]

VIRGINIA UND LUKREZIA.

Da ich verstoßen bin!

Alle stehen ganz betäubt da.


Quelle:
Karl Ditters von Dittersdorf: Die Liebe im Narrenhause. Liegnitz 1792, S. 255–350, S. 299-303.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Wieland, Christoph Martin

Geschichte der Abderiten

Geschichte der Abderiten

Der satirische Roman von Christoph Martin Wieland erscheint 1774 in Fortsetzung in der Zeitschrift »Der Teutsche Merkur«. Wielands Spott zielt auf die kleinbürgerliche Einfalt seiner Zeit. Den Text habe er in einer Stunde des Unmuts geschrieben »wie ich von meinem Mansardenfenster herab die ganze Welt voll Koth und Unrath erblickte und mich an ihr zu rächen entschloß.«

270 Seiten, 9.60 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier III. Neun weitere Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier III. Neun weitere Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Für den dritten Band hat Michael Holzinger neun weitere Meistererzählungen aus dem Biedermeier zusammengefasst.

444 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon