Achtundneunzigstes Kapitel.

[265] – Wie geht's Deiner Herrin? rief mein Vater Susanna zu, die mit einem großen Nadelkissen in der Hand unten an der Treppe vorüberging, dabei machte er denselben Schritt wie vorher auf die erste Stufe. Wie geht's Deiner Herrin? – Wie sich erwarten läßt, antwortete Susanna, ohne heraufzusehen, und trippelte weiter. – Ich Narr, sagte mein Vater und zog das Bein wieder zurück, als ob man nicht immer dieselbe Antwort bekäme, Bruder Toby, mag's auch gehn wie's will. – Und was macht das Kind? – Keine Antwort. – Und wo ist Dr. Slop? rief mein Vater jetzt lauter hinab und sah über das Treppengeländer. Aber Susanna war schon außer Gehörweite.

Von allen Unbegreiflichkeiten im ehelichen Leben, sagte mein Vater und schritt dabei quer über den Treppenabsatz, um sich mit dem Rücken gegen die Wand zu lehnen, während er meinem Onkel Toby die Sache auseinandersetzte – von allen unbegreiflichen Unbegreiflichkeiten, die im ehelichen Leben vorkommen, – und glaube mir, Bruder Toby, es sind ihrer so[265] viele, daß Hiobs sämmtliche Esel sie nicht fortgeschleppt hätten, – ist doch keine so sinnverwirrend als die, daß jede weibliche Person im Hause, von der Kammerjungfer an bis zum Küchenmensch, in dem selben Augenblicke, wo die Hausfrau sich ins Kindbett legt, um einen Zoll wächst, und daß sie sich auf diesen Zoll mehr einbildet, als auf ihre ganze übrige Länge.

Ich glaube eher, erwiederte mein Onkel Toby, daß wir um einen Zoll kleiner werden. Mir wenigstens geht es so, wenn ich einer Frau mit einem Kinde begegne. Es ist eine schwere Last, die dieser Hälfte unserer Mitmenschen auferlegt ist, sagte mein Onkel Toby, eine große Bürde, und dabei schüttelte er den Kopf. – Ja, ja, sagte mein Vater, es ist ein leidiges Ding, und schüttelte ebenfalls den Kopf; aber seitdem das Kopfschütteln aufgekommen ist, sind wohl nie zwei Köpfe zu gleicher Zeit und gemeinschaftlich aus so verschiedenen Beweggründen geschüttelt worden.

Gott segne/Hole der Teufel sie Alle! sagten mein Onkel Toby und mein Vater, jeder zu sich.

Quelle:
Sterne [, Lawrence]: Tristram Shandy. Band 1, Leipzig, Wien [o. J.], S. 265-266.
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