Dreizehntes Kapitel.

[33] Nun hatte mein Vater etwas von der Art Hiobs; ich setze hierbei voraus, daß es je einen solchen Mann gegeben hat, – wenn nicht, so ist darüber nicht weiter zu reden.

Uebrigens meine ich, daß es doch ein wenig hart ist, einem so großen Manne kurzweg die Existenz abzusprechen, blos weil es den Gelehrten schwer fällt, die Zeit, in welcher er lebte, ob vor, ob nach den Patriarchen u.s.w., genau zu bestimmen; auf diese Weise sollte man mit ihm und seines Gleichen nicht umspringen. – Sei dem nun aber, wie ihm wolle, genug, mein Vater hatte, sobald ihm etwas in die Quere kam, besonders im ersten Ausbruch seiner Heftigkeit, die Gewohnheit, sich zu verwundern, warum er geboren sei, oder sich todt zu wünschen, oder noch Schlimmeres; und war die Veranlassung besonders stark, – verlieh der Schmerz seinen Lippen eine mehr als gewöhnliche Kraft, dann, Sir, hätten Sie ihn von Sokrates selbst kaum unterscheiden können. Jedes Wort athmete dann die Empfindung einer Seele, welche das Leben verachtet und gegen alle Geschicke gleichgültig ist. Deshalb waren die Ideen der Sokratischen Rede, die mein Vater meinem Onkel Toby vortrug, meiner Mutter durchaus nichts Neues, obgleich sie sich sonst mit Studien nicht abgab. – Sie horchte mit ruhiger Aufmerksamkeit[33] und würde bis zum Ende des Kapitels gehorcht haben, hätte sich nicht mein Vater (wozu früher keine Gelegenheit gewesen war) in jenen Theil der Vertheidigung begeben, wo der große Philosoph seine Bekanntschaften, seine Verbindungen und seine Kinder aufzählt, es aber verschmähet, damit auf die Gefühle seiner Richter wirken zu wollen. – »Ich habe Freunde, ich habe Verwandte, ich habe drei trostlose Kinder« – sagt Sokrates –

– Dann, Shandy, rief meine Mutter und riß die Thür auf, hast Du eins mehr, als ich weiß.

Bei Gott! Ich habe eins weniger, sagte mein Vater, der aufstand und das Zimmer verließ.

Quelle:
Sterne [, Lawrence]: Tristram Shandy. Band 2, Leipzig, Wien [o. J.], S. 33-34.
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