Neunzigstes Kapitel.

[134] Boulogne! – Ha! da sind wir ja Alle beisammen! Zöllner und Sünder – eine schöne Gesellschaft, – aber ich kann nicht bleiben und es mit Euch verzechen; – man ist hinter mir her,[134] wie der Teufel hinter einer armen Seele, – und eh' ich die Pferde wechseln kann, werde ich eingeholt. – Um's Himmels willen, schnell – schnell – – 's ist ein Majestätsverbrecher, flüsterte ein sehr kleiner Mann ganz leise einem sehr großen zu. – Oder ein Mörder, sagte der große Mann. – Gut gestochen, Treffaß, sagte ich. – Nein, sagte ein Dritter, der Herr ist angeklagt –

Ah! ma chère fille! sagte ich, als sie aus der Frühmette hereingetrippelt kam, – Sie sehen so rosig aus wie der Morgen, (die Sonne ging nämlich eben auf, und so machte sich das Kompliment ganz besonders gut) – Nein, das kann nicht sein, sagte ein Vierter (sie machte einen Knix, – ich warf ihr einen Handkuß zu), es ist wegen Schulden. – Ja, gewiß wegen Schulden, sagte ein Fünfter. – Ich möchte seine Schulden auch nicht bezahlen, sagte das Aß, nicht für tausend Pfund. – Und ich nicht für sechstausend, sagte Treff. – Wieder gut gestochen, Treffaß, sagte ich, – aber ich habe keine andere Schuld zu zahlen, als die der Natur, und sie soll nur Geduld haben, so zahle ich sie ihr bis auf den letzten Heller. – Wie können Sie so unbarmherzig sein, Madame, einen armen Reisenden anhalten zu wollen, der Niemandem etwas zu Leide thut und der nichts Böses im Sinne führt? Befehlen Sie dem abscheulichen, klapperbeinigen Sünder, der da hinter mir herläuft, daß er still stehen soll. Sie allein haben ihn mir nachgeschickt, – lassen Sie mich nur ein paar Stationen voraus – ich beschwöre Sie, Madame. Bitte! bitte! –

Nun, das ist wahrhaftig schade, sagte der Wirth, ein Irländer, – daß so viel schöne Worte ganz umsonst gesprochen worden sind, denn das Fräulein ist eben hinausgegangen und hat nichts davon gehört.

Pinsel! sagte ich.

So ist also hier in Boulogne sonst nichts Sehenswerthes?

Herjes! wir haben hier das allerbeste Seminar für die Humaniora –

Einverstanden, sagte ich.

Quelle:
Sterne [, Lawrence]: Tristram Shandy. Band 2, Leipzig, Wien [o. J.], S. 134-135.
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