Einhundertunddreißigstes Kapitel.

[187] Daß für Weber, Gärtner und Fechter, sowie für Leute mit einem abgemagerten Bein (wenn dasselbe nämlich von einem Fußübel kommt) von jeher ein zärtliches Nymphenherz im Stillen brach, – das wird von ältern und neuern Physiologen hinreichend bestätigt und erklärt.

Ein Wassertrinker – ich meine einen von Profession, und bei dem es nicht Lug und Trug ist – befindet sich in demselben Falle. Auf den ersten Anblick fehlt hier der Zusammenhang und die logische Wahrscheinlichkeit; denn daß ein Strom kalten Wassers, der durch mein Inneres läuft, eine Fackel anstecken soll in meiner Jenny – – die Sache leuchtet Einem nicht ein, Ursache und Wirkung scheinen sich zu widersprechen – –

Aber das zeigt eben nur die Schwachheit und Beschränktheit der menschlichen Vernunft.

– Und es bekommt Ihnen?

– Vortrefflich, Madame, mein bester Freund könnte es mir nicht besser wünschen.

– Und Sie trinken nichts, gar nichts als Wasser?

Ungestümes Element! sobald du gegen die Schleußen des Gehirnes drängst, siehe, wie bald sie nachgeben!

Herein schwimmt Neugier und winkt ihren Gespielinnen; sie tauchen mitten in die Strömung.

Phantasie sitzt nachdenklich am Ufer und folgt dem Strome mit den Augen; sie wandelt Strohhalme und Binsen in Masten und Bugspriete. Begierde aber, mit der einen[187] Hand das aufgeschürzte Gewand haltend, hascht mit der andern nach ihnen, wie sie an ihr vorüberschwimmen.

O, ihr Wassertrinker! also mit diesem betrügerischen Quell habt ihr so oft die Welt gelenkt und wie ein Mühlrad herumgedreht? – habt der Unvermögenden Angesicht geschunden, ihre Rippen gepudert, ihre Nasen eingeseift und manchmal gar Form und Gestalt der Natur verändert?

– An Deiner Stelle, Eugenius, sagte Yorick, würde ich mehr Wasser trinken. – Und an Deiner Stelle, Yorick, erwiederte Eugenius, würde ich das auch thun.

Das beweist, daß Beide den Longinus gelesen hatten.

Was mich anbetrifft, so habe ich mir vorgenommen, nie andere Bücher zu lesen, als solche, die ich selbst geschrieben habe.

Quelle:
Sterne [, Lawrence]: Tristram Shandy. Band 2, Leipzig, Wien [o. J.], S. 187-188.
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