Einhundertundsiebenundfünfzigstes Kapitel.

[227] Nichts von alle dem, was mein Vater sagte, verdroß meinen Onkel Toby während dieser Zeit, wo er verliebt war, so sehr, als der schmähliche Gebrauch, den jener von einem Worte des Eremiten Hilarion machte, welcher bei Erwähnung seiner Enthaltsamkeit, seiner Vigilien und Kasteiungen und anderer Zuchtmittel seiner Religion auf eine, für einen Eremiten etwas unpassende Weise zu sagen pflegte: er wende diese Mittel deshalb an, damit sein Esel (d.h. sein Fleisch) das Bocken lasse.

Meinem Vater gefiel das sehr; die Wünsche und Begierden unseres niederen Menschen waren hier nicht nur auf eine lakonische Weise bezeichnet, sondern zugleich verächtlich dargestellt, und deshalb war es lange Zeit ein so beliebtes Wort bei ihm, daß[227] er statt Leidenschaft immer nur den Ausdruck Esel gebrauchte; man könnte sagen, er ritt die ganze Zeit über auf den Knochen oder dem Rücken seines eigenen Esels, oder auf denen anderer Leute herum.

Hier muß ich auf einen Unterschied zwischen

meines Vaters Esel und

meinem Steckenpferde

aufmerksam machen, damit man, wenn wir weiter gehen, beide in Gedanken wohl auseinander halte.

Denn mein Steckenpferd, wenn sich's der Leser nur erinnern will, ist nichts weniger als ein bösartiges Thier, es hat kaum ein Haar, kaum einen Zug vom Esel. Es ist ein kleines, spielendes, thörichtes Ding, welches mit uns aus der Gegenwart davonläuft, – ein Grashüpfer, – ein Schmetterling, – ein Gemälde, – ein Fiedelbogen, – eine Onkel-Tobys-Belagerung – oder irgend etwas, auf das ein Mensch rittlings zu kommen sucht, damit es ihn wegtrage von den Sorgen und Beschwerlichkeiten des Lebens. – Es ist das nützlichste Thier in der ganzen Schöpfung, und wie die Welt bestehen sollte, wenn es nicht wäre, weiß ich in der That nicht.

Aber meines Vaters Esel! Oh! besteigt – besteigt – besteigt (das war dreimal, wenn ich nicht irre?) besteigt ihn ja nicht! Es ist ein nichtswürdiges Vieh, und weh dem Mann, der ihm das Bocken nicht abgewöhnt.

Quelle:
Sterne [, Lawrence]: Tristram Shandy. Band 2, Leipzig, Wien [o. J.], S. 227-228.
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