Einhundertundachtundsechzigstes Kapitel.

[247] – Die Weiber, Ew. Gnaden, fuhr Trim fort (und kommentirte seine Geschichte), lieben alle Spaß, mögen sie nun so vornehm oder so gering sein, wie sie wollen; die Schwierigkeit besteht nur darin, zu wissen, wie sie ihn lieben, und das kann man nicht anders erfahren, als daß man es versucht, so wie wir's mit der Artillerie im Felde machen, wo wir das Rohr in die Höhe richten und herunterlassen, bis wir treffen.

– Der Vergleich gefällt mir besser, sagte mein Onkel Toby, als die Sache selbst.

– Weil Ew. Gnaden den Ruhm mehr lieben, sagte der Korporal, als das Vergnügen.

– Aber ich liebe die Menschen mehr, als beides, antwortete mein Onkel Toby, und da die Kriegskunst augenscheinlich zum Besten und zur Ruhe der Welt dient, und da besonders der Zweig derselben, welchen wir auf unserm Rasenplatze pflegen, keinen andern Zweck hat, als die Schritte des Ehrgeizes zu hemmen und Leben und Besitzthum Weniger vor den raubgierigen Händen Vieler zu schützen, so hoffe ich, Korporal, daß keiner von uns, wenn je wieder die Trommel in unser Ohr tönt, so arm an Menschlichkeit und Mitgefühl sein wird, nicht »Kehrt« zu machen und frisch drauf los zu gehen.

Damit machte mein Onkel Toby Kehrt und ging frisch drauf los an der Spitze seiner Kompagnie; der treue Korporal aber, der seinen Stock schulterte und beim ersten Schritt mit der Hand auf den Rockschooß schlug, folgte ihm die Allee hinunter auf dem Fuße. –

– Nun? was machen denn die Narren? was fällt ihnen ein? sagte mein Vater zu meiner Mutter. Sie belagern ja Mrs. Wadman nach allen Regeln der Kunst und marschiren jetzt um das Haus herum, wahrscheinlich um die Linien zu den Laufgräben abzustecken.

– Ich glaube wirklich, sagte meine Mutter. – Aber halt, Verehrtester! – Denn was meine Mutter bei dieser Gelegenheit wirklich glaubte, – und was mein Vater weiter sagte, nebst[248] seinen Antworten und Erwiederungen, das Alles mag in einem andern Kapitel gelesen, untersucht, paraphrasirt, erläutert und kritisch durchgeseiht, oder, um es mit einem Worte zu bezeichnen, unter den Daumen der Nachwelt gegeben werden; – ich sage der Nachwelt, und ich stehe nicht an, das Wort zu wiederholen, – denn was hat dieses Buch mehr verbrochen als die Sendung Moses oder das Märchen von der Tonne, daß es nicht mit diesen den Rinnstein der Zeit hinabschwimmen sollte? –

Ich will die Sache nicht weiter verfolgen: die Zeit vergeht so schnell; jeder Schriftzug, den ich mache, sagt, wie reißend schnell das Leben meiner Feder folgt; seine Tage und Stunden, die köstlicher sind, liebe Jenny, als die Rubinen auf Deinem Nacken, fliegen über unsern Häuptern dahin, wie leichte Wolken im Winde, – ohne Wiederkehr. Alles drängt weiter – während Du diese Locke ringelst, siehe! ist sie grau geworden, und jedes Lebewohl, das ich Dir sage, jede Entfernung, die ihm folgt, ist ein Vorspiel jener ewigen Trennung, die uns bald bevorsteht.

Gott erbarme sich unser!

Quelle:
Sterne [, Lawrence]: Tristram Shandy. Band 2, Leipzig, Wien [o. J.], S. 247-249.
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